Ungleichbehandlung der Medien im Jugendschutz - gerechtfertigt?
Gespeichert von Prof. Dr. Marc Liesching am
Der fortschreitenden Medienkonvergenz steht im Jugendschutz immer noch eine Regelungsdivergenz gegenüber. Das bedeutet, dass die jugendschutzrechtlichen Vorschriften nach unterschiedlichen Mediensparten wie "Trägermedien" (z.B. DVDs, CD-ROM), "Telemedien" (v.a. Internetinhalte) und "Rundfunk" (Hörfunk und Fernsehen) unterscheiden. Dies alleine wäre wohl vor dem Hintergund der vermeintlich notwendigen Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern nicht so schlimm. Allerdings gehen die Jugendschutzverbote für manche "Mediensparten" weiter als für andere:
Zum Beispiel sind Darstellungen Minderjähriger in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung im Internet und im Rundfunk absolut verboten , derselbe Inhalt darf aber auf einem Trägermedium (z.B. auf einer DVD) an Erwachsene ausgegeben werden. Ebenso sind menschenwürdeverletzende Telemedien und Rundfunkangebote generell absolut verboten, während bei Trägermedien desselben Inhalts (mit Ausnahme des Sonderfalls des § 15 Abs. 2 Nr. 3 JuSchG) überhaupt keine Verbreitungsbeschränkung (bis zu einer etwaigen Indizierung) gilt. Pornographische und offensichtlich schwer jugendgefährdende Inhalte dürfen als Telemedien in geschlossenen Benutzergruppen verbreitet werden, sind als Rundfunk aber auch bei vergleichbar sicherem Ausschluss minderjähriger Zuschauer generell untersagt.
Das Hans Bredow Institut, das von Bund und Ländern mit der Evaluierung des Jugendschutzes beauftragt worden war, hatte sich ausweislich des im Oktober 2007 veröffentlichten Berichts mit der Frage befasst, ob bei fortschreitender Medienkonvergenz derartige Regelungsunterschiede noch gerechtfertigt sind. Das Institut billigt dabei die differenzierenden Konzepte des JuSchG und des JMStV als „durchaus angemessen" bzw. „bis auf wenige Punkte" als einen „sachgerechten Versuch", „für die unterschiedlichen Zugangsweisen zu Inhalten einen angemessenen Schutz zu Verfügung zu stellen". Welche "wenigen Punkte" gemeint sind, wird nicht weiter ausgeführt. Die Regelungsunterschiede werden statt dessen mit einem allgemeinen Hinweis auf Aspekte wie die „Größe der Präsentationsfläche", die „soziale Einbettung" und die „unterschiedlich sichere gesetzliche Steuerung" der Zugangsmöglichkeiten Minderjähriger begründet (vgl. HBI-Bericht, S. 216). Dabei bleibt im HBI-Bericht aber offen, aufgrund welcher Kriterien die Größe einer „Projektionsfläche" etwa bei Rundfunk auf der einen Seite und Telemedien (z.B. bei VoD-Angeboten) auf der anderen Seite unterschiedlich sein soll oder welche Differenzen es hier hinsichtlich der „sozialen Einbettung" gibt.
Sind die oben angedeuteten unterschiedlichen Verbotsreichweiten je nach Mediensparte gerade vor dem Hintergrund der fortschreitenden Medienkonvergenz wirklich noch zu rechtfertigen? Welche Möglichkeiten gibt es hinsichtlich einer Harmonisierung?