(–) Ossi = Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft?
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Ist "Ossi" eine ethnische Herkunft? Über diese Frage verhandelt am Donnerstag (15.04.2010, 11.00 Uhr) das Arbeitsgericht Stuttgart. Eine abgelehnte Stellenbewerberin klagt auf Entschädigung gemäß § 15 AGG, weil sie als gebürtige Ost-Berlinerin diskriminiert worden sei (17 Ca 8907/09). Auf diesen Fall hat mich Rechtsanwalt Tim Nesemann von der NJW-Redaktion aufmerksam gemacht.
Die Klägerin, Mitte 40 und gelernte Buchhalterin, hatte sich bei der beklagten Arbeitgeberin um eine Stelle beworben. Sie erhielt eine Absage. Dem üblichen entschuldigenden Ablehnungsschreiben waren ihre Bewerbungsunterlagen beigefügt. Zu ihrem Erstaunen musste sie feststellen, dass auf ihrem Lebenslauf mit Bleistift vermerkt war "(–) Ossi". Im Interview mit dem SPIEGEL zeigt die Klägerin sich tief betroffen: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mich als 'Minus-Ossi' bezeichnen lassen muss. Ich lasse mir das nicht gefallen."
"Das hat sie stark getroffen" bestätigt auch Rechtsanwalt Wolfgang Nau, der die Klägerin vertritt. Seine Argumentation: Die Absage verstoße gegen das Diskriminierungsverbot des § 1 AGG. Schließlich seien dort Benachteiligungen aufgrund der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft untersagt. "Die beiden Teile Deutschlands haben sich während der Trennung auseinandergelebt", meint Nau. "Die Ostdeutschen hatten teilweise Wortbildungen und Sitten, die wir nicht kannten". Das Arbeitsgericht müsse also entscheiden, ob der "Ossi" eine eigene Ethnie ist.
Die Beklagte, die nach ihrer Darstellung mehrere Mitarbeiter aus den neuen Bundesländern beschäftigt, vertritt im Gegensatz zur Klägerin die Auffassung, dass Ostdeutsche keine Ethnie im Sinne des AGG darstellten; sie hat zudem vorgebracht, die Stellenabsage sei nicht wegen der Herkunft der Klägerin erfolgt.