Altersgruppen bei Sozialauswahl - Vorlage des ArbG Siegburg
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Die Diskussion um die Zulässigkeit der Bildung von Altergruppen kommt auch nach den klärenden Entscheidungen des BAG nicht zur Ruhe. Zwar hatte BAG hatte mir Urteil vom 6.11.2008 (NZA 2009, 361) entschieden, die nach § 1 Abs. 3 KSchG vorzunehmende Sozialauswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer könne grundsätzlich auch in der Weise vorgenommen werden, dass zum Zwecke der Erhaltung der Altersstruktur Altersgruppen gebildet werden, innerhalb derer die Sozialauswahl vorzunehmen ist. Das Arbeitsgericht Siegburg (Beschluss vom 27.1.2010, 2 Ca 2144/09, BeckRS 2010, 66327) hat im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des EuGH (zitiert wird EuGH Urteil vom 5.3.2009, C-388/07, NZA 2009, 305) jedoch Zweifel, ob hierin nicht eine mit der Richtlinie 2000/78/EG unvereinbare Altersdiskriminierung liegt. Vor allem bezweifelt die Kammer, ob die Ungleichbehandlung wegen des unterschiedlichen Alters durch das Ziel der Erhaltung der Altersstruktur legitimiert werden könne. Zwar wirke die Altersgruppenbildung insbesondere bei Massenentlassungen einer Überalterung der Belegschaft entgegen und relativiere die durch die Berücksichtigung des Alters bei der Sozialauswahl entstehende Ungleichbehandlung wegen des Alters. Die Bildung der Altersgruppen liege aber vordringlich im Interesse des Arbeitgebers. Diese Zweifel haben das ArbG Siegburg bewogen, den EuGH zur Vorabentscheidung anzurufen. Die Vorlagefrage lautet wie folgt:
Ist Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, die es erlaubt, bei der Auswahl der aus betrieblichen Gründen zu kündigenden Mitarbeiter zur Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur Altersgruppen zu bilden und die Auswahl unter den vergleichbaren Mitarbeitern dergestalt zu vollziehen, dass das Verhältnis der Zahl der aus der jeweiligen Altersgruppe auszuwählenden Mitarbeiter zur Zahl der insgesamt zu kündigenden vergleichbaren Mitarbeiter dem Verhältnis der Zahl der in der jeweiligen Altersgruppe beschäftigten Mitarbeiter zur Zahl aller vergleichbaren Mitarbeiter des Betriebes entspricht?
Die Mitverfasserin der sehr kontrovers diskutierten und im Instanzenzug aufgehobenen Osnabrücker Karman-Urteile hat die Vorlage in einer Anm. für Juris (Brors, in: jurisPR-ArbR 16/2010 Anm. 1) mit den Worten begrüßt: "Ganz Gallien? Nein! Endlich wird die Altersgruppenbildung vorgelegt". Das soll hier unkommentiert bleiben. Anschließen können wird man sich ihrem Fazit, das da lautet: Vorsicht vor Altersgruppen in Sozialplänen. Erst nach der Entscheidung des EuGH oder möglicherweise erst nach einer höchstrichterlichen Anschlussentscheidung wird sich die Rechtslage klären."