dynamisch verlangt - statisch bekommen
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Das unterhaltsberechtigte Kind hatte vorgerichtlich die Errichtung eines dynamischen Titels (100% des Mindestunterhalts ...) vom Unterhaltsverpflichteten verlangt.
Der Unterhaltspflichtige ließ daraufhin eine Jugendamtsurkunde errichten, mit der Unterhalt in statischer Form (225,00 EUR monatlich ab 01.04.2010) tituliert wurde.
Das OLG gewährte VKH für einen Abänderungsantrag.
Insbesondere ist der erforderliche Wert der Beschwer erreicht. Dieser bemisst sich nach dem Titulierungsinteresse der Antragstellerin, und dieses wiederum ist nicht etwa, wie das Familiengericht meint, mit „Null“ anzusetzen, weil die Antragstellerin bereits über einen Unterhaltstitel verfüge. Denn der Titel, auf den die Antragstellerin in Prozessstandschaft des unterhaltsberechtigten Kindes gemäß § 1612 a BGB einen Anspruch hat, nämlich ein Unterhaltstitel in dynamisierter Form, liegt bisher überhaupt nicht vor. Der vorhandene statische Titel ist, gemessen an dem anders ausgeübten gesetzlichen Wahlrecht des Unterhaltsberechtigten, nicht etwa wertmäßig gleich oder allenfalls ein „Minus“, sondern etwas anderes, das zur Erfüllung des geltend machten Titulierungsinteresses ungeeignet ist. Die Beschwer der Antragstellerin bemisst sich daher nach dem ungeschmälerten Interesse an der Herbeiführung eines dynamisierten Unterhaltstitels, der so bisher nicht existiert....
§ 1612 a BGB bestimmt ausdrücklich, dass es der Entscheidung des Unterhaltsberechtigten obliegt, ob der Unterhalt in statischer oder - bei sonst gegebenen Voraussetzungen - in dynamisierter Form tituliert werden soll. Wäre die Handhabung des Familiengerichts richtig, so würde sich diese eindeutige Rechtslage im Ergebnis in ihr Gegenteil verkehren, weil es dem Unterhaltsverpflichteten freistände, die Wahl einer dynamischen Titulierung durch den Berechtigten folgenlos zu unterlaufen. Die vom Familiengericht - für sich gesehen zutreffend - zitierte Kommentierung (Klinkhammer in: Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl. 2008, § 2 Rdn. 246 a) betrifft mithin nur den Fall, dass der Berechtigte sein Wahlrecht zugunsten eines statischen Titels bereits ausgeübt hatte und davon nunmehr abzurücken wünscht: Dies reicht als Rechtfertigung eines Abänderungsbegehrens nicht aus, solange sich die Verhältnisse, die dem vorhandenen Titel zugrunde liegen, nicht im Übrigen wesentlich geändert haben. Etwas anderes gilt indes, wenn der vom Unterhaltsverpflichteten errichtete Titel, wie hier, unter Missachtung des vom Berechtigten ausgeübten Wahlrechts entstanden ist: Dann ist ein Abänderungsantrag zulässig, weil sonst das Wahlrecht des Berechtigten gemäß § 1612 a BGB gegenstandslos würde (ebenso Born in: MünchKommBGB, 5. Aufl. 2008, § 1612 a Rdn. 34).
OLG Dresden v. 03.01.2011 - 20 WF 1189/10 = BeckRS 2011, 01246