Die anstößige Frage nach dem letzten ehelichen Verkehr
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Hier war mokiert worden, dass die richterliche Frage nach dem letzten ehelichen Verkehr ja wohl nicht mehr zeitgemäß sei.
Dies trifft zu für die Fälle, in denen beide geschieden werden wollen (in diesen Fällen wird die Frage abgesehen von der Trennung innerhalb der ehelichen Wohnung im Normalfall auch nicht gestellt). Von Bedeutung kann sie aber sein, wenn eine Seite die Scheidung nicht will.
Dazu ein illustrativer Fall des OLG Schleswig (Urteil v. 05.09.2000 - 8 UF 4/00)
Er war nach 30 Ehejahren 1998 aus der Ehewohnung ausgezogen und stellte ein Jahr später den Scheidungsantrag. Sie trat dem entgegen. Auch nach der Trennung hätten beide regelmäßig Kontakt zueinander gehabt. Dabei sei es auch immer wieder zum Geschlechtsverkehr gekommen.
Ein Scheitern der Ehe nach § 1565 Abs. 1 BGB lässt sich nicht feststellen. Das gilt einmal für das Nichtbestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft der Parteien, für die das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft nicht allein entscheidend ist. Letzteres ist allenfalls ein Indiz dafür, dass die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht (BGH NJW 1978, 1810). Wesentlich für die eheliche Lebensgemeinschaft ist die eheliche Gesinnung der Parteien, insbesondere das Maß der Gemeinsamkeiten, das sie sich noch erhalten haben. Dieser Gesichtspunkt spricht hier entscheidend gegen die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Das ergibt sich eindeutig aus der Anhörung der Ehefrau vor dem Senat. Diese hat unter Bezugnahme auf ihren Vortrag und ihre schriftlichen Aufzeichnungen über die zeitliche Abfolge der Besuchskontakte zwischen den Parteien in der Ehewohnung detailliert und glaubhaft geschildert, dass seit dem Auszug des Ehemannes ständig Kontakte zwischen den Parteien in der Ehewohnung stattgefunden haben, wobei es auch zum Geschlechtsverkehr gekommen ist. Sie hat auch glaubhaft dargestellt, dass diese Kontakte deswegen in der Regel morgens oder am Vormittag stattgefunden haben, weil die Lebensgefährtin des Ehemannes in dieser Zeit beruflich abwesend war und der Ehemann diese Gelegenheit nutzte, um den Kontakt zu ihr aufrecht zu erhalten.
Der Senat hat dem Ehemann Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen. Er hat bei seiner Anhörung erklärt, dass er dazu nichts sagen wolle, und jede weitere Erklärung abgelehnt. Aufgrund dieses Verhaltens des Ehemannes ist der Senat davon überzeugt, dass die Darstellung der Ehefrau zutreffend ist. Dann aber ist die eheliche Lebensgemeinschaft der Parteien noch nicht aufgehoben. Offenbar kann der Ehemann sich bis heute nicht entscheiden, ob er diesen Schritt endgültig vollziehen will. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass eine Lebensgemeinschaft zwischen den Parteien derzeit nicht besteht, schließt das Verhalten des Ehemannes eine Prognose, dass die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann, aus. Sein Scheidungsantrag ist jedenfalls derzeit unbegründet.
Neue Bedeutung hat die Frage nach dem letzten ehelichen Verkehr durch die Reform des Zugewinnausgleichs bekommen. Hier hat es der Gesetzgeber für richtig befunden, einen Auskunftsanspruch für den Zeitpunkt der Trennung neu einzuführen (§ 1379 BGB). Ist das Endvermögen dann geringer als das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung, wird vermutet, dass das Vermögen manipuliert worden ist (§ 1375 II 2 BGB).
Dies wird zu Streitigkeiten über den genauen Zeitpunkt der Trennung führen - und da ist sie dann wieder, die anstößige Frage