Die anstößige Frage nach dem letzten ehelichen Verkehr

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 01.02.2012

Hier war mokiert worden, dass die richterliche Frage nach dem letzten ehelichen Verkehr ja wohl nicht mehr zeitgemäß sei.

Dies trifft zu für die Fälle, in denen beide geschieden werden wollen (in diesen Fällen wird die Frage abgesehen von der Trennung innerhalb der ehelichen Wohnung im Normalfall auch nicht gestellt). Von Bedeutung kann sie aber sein, wenn eine Seite die Scheidung nicht will.

 

Dazu ein illustrativer Fall des OLG Schleswig (Urteil v. 05.09.2000 - 8 UF 4/00)

Er war nach 30 Ehejahren 1998 aus der Ehewohnung ausgezogen und stellte ein Jahr später den Scheidungsantrag. Sie trat dem entgegen. Auch nach der Trennung hätten beide regelmäßig Kontakt zueinander gehabt. Dabei sei es auch immer wieder zum Geschlechtsverkehr gekommen.

Ein Scheitern der Ehe nach § 1565 Abs. 1 BGB lässt sich nicht feststellen. Das gilt einmal für das Nichtbestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft der Parteien, für die das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft nicht allein entscheidend ist. Letzteres ist allenfalls ein Indiz dafür, dass die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht (BGH NJW 1978, 1810). Wesentlich für die eheliche Lebensgemeinschaft ist die eheliche Gesinnung der Parteien, insbesondere das Maß der Gemeinsamkeiten, das sie sich noch erhalten haben. Dieser Gesichtspunkt spricht hier entscheidend gegen die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Das ergibt sich eindeutig aus der Anhörung der Ehefrau vor dem Senat. Diese hat unter Bezugnahme auf ihren Vortrag und ihre schriftlichen Aufzeichnungen über die zeitliche Abfolge der Besuchskontakte zwischen den Parteien in der Ehewohnung detailliert und glaubhaft geschildert, dass seit dem Auszug des Ehemannes ständig Kontakte zwischen den Parteien in der Ehewohnung stattgefunden haben, wobei es auch zum Geschlechtsverkehr gekommen ist. Sie hat auch glaubhaft dargestellt, dass diese Kontakte deswegen in der Regel morgens oder am Vormittag stattgefunden haben, weil die Lebensgefährtin des Ehemannes in dieser Zeit beruflich abwesend war und der Ehemann diese Gelegenheit nutzte, um den Kontakt zu ihr aufrecht zu erhalten.

Der Senat hat dem Ehemann Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen. Er hat bei seiner Anhörung erklärt, dass er dazu nichts sagen wolle, und jede weitere Erklärung abgelehnt. Aufgrund dieses Verhaltens des Ehemannes ist der Senat davon überzeugt, dass die Darstellung der Ehefrau zutreffend ist. Dann aber ist die eheliche Lebensgemeinschaft der Parteien noch nicht aufgehoben. Offenbar kann der Ehemann sich bis heute nicht entscheiden, ob er diesen Schritt endgültig vollziehen will. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass eine Lebensgemeinschaft zwischen den Parteien derzeit nicht besteht, schließt das Verhalten des Ehemannes eine Prognose, dass die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann, aus. Sein Scheidungsantrag ist jedenfalls derzeit unbegründet.

 

Neue Bedeutung hat die Frage nach dem letzten ehelichen Verkehr durch die Reform des Zugewinnausgleichs bekommen. Hier hat es der Gesetzgeber für richtig befunden, einen Auskunftsanspruch für den Zeitpunkt der Trennung neu einzuführen (§ 1379 BGB). Ist das Endvermögen dann geringer als das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung, wird vermutet, dass das Vermögen manipuliert worden ist (§ 1375 II 2 BGB).

 

Dies wird zu Streitigkeiten über den genauen Zeitpunkt der Trennung führen - und da ist sie dann wieder, die anstößige Frage

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9 Kommentare

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"Von Bedeutung kann sie aber sein, wenn eine Seite die Scheidung nicht will."

Die Frage ist das eine, die Wertung das andere - ich sehe da in der aktuellen Darstellung erhebliche Probleme, da beispielsweise das OLG Schleswig mit dieser Argumentation eine Ehe auf eine rein sexuelle Basis reduziert. Inzwischen ist es darüber hinaus heute teilweise nichts besonderes, dass sich "Paare" rein sexuell "Aktivitäten" führen, sonst aber keine Gemeinsamkeiten haben. Das OLG geht hier dabei auch noch den Weg, selbst zu erklären, dass es auf das Gesamtbild der Gemeinsamkeiten ankommt - und ist dann mit einer Gemeinsamkeit zufrieden. Das mag 1980 vielleicht noch vertretbar gewesen sein, entspricht aber heute nicht mehr dem gesellschaftlichen Zeitgeist. Wenn man sich den dargestellten Sachverhalt beim OLG durchliest, muss man vielmehr an so etwas denken: http://www.urbandictionary.com/define.php?term=fuck%20buddy - Das aber mit einem ehelichen Gemeinschaftsgeist gleichzusetzen, der für ein gemeinsames Einstehen selbst in schwierigsten Lebenslagen steht, ist doch eher abwegig.

Oder kurz: Auch regelmäßig augeübter Sex ist heute keine Ehe mehr, sondern eben einfach nur Sex.

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JF schrieb:
entspricht aber heute nicht mehr dem gesellschaftlichen Zeitgeist.

Der sog. "Zeitgeist" ist bekanntlich ein Phantom, dessen Gestalt wesentlich durch anenzephalozynische Hersteller von Illustriertenheftchen und Fernsehsendungen erzeugt wird. Demnach sicherlich keine Rechtsquelle.

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Hank van Hoyten schrieb:
Demnach sicherlich keine Rechtsquelle.

 

Schön wärs. Offensichtlich ist er doch eine Rechtsquelle. Aber nicht der Zeitgeist von heute, sondern der von 1950, der Sex und Ehe noch eng gekoppelt gesehen hat. Das hat sich mittlerweile aufgelöst. Trotzdem daran festzuhalten und dies sogar als Beweis für eine eheliche Lebensgemeinschaft zu werten, beruht auf dem Zeitgeist längst vergangener Zeiten.

"Demnach sicherlich keine Rechtsquelle."

Ich empfehle die ufangreiche Literatur und Rechtsprechung des BVerfG zum Begriff der "Ehe" im Rahmen des Art.6 GG. Danach wieder mitreden, wenn wenigstens der Hauch von Ahnung vorhanden ist.

 

Zur Ergänzung der Verweis auf BVerfG, 1 BvR 640/93

 

"Insbesondere sind hinreichende Anhaltspunkte für einen grundlegenden Wandel des Eheverständnisses in dem Sinne, daß der Geschlechtsverschiedenheit keine prägende Bedeutung mehr zukäme, nicht erkennbar."

 

Grundlegender Wandel des Eheverständnisses - man beachte, da steht keine Rechtsquelle. Unsren Hank wird das aber nicht stören, er sucht gleich im BGB die Stelle, wo steht, was die Ehe ist *augenroll*

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Wenn man was zum meckern sucht, dann findet man auch was und dann ist es egal ob es gerechtfertigt ist oder nicht. So scheinen einige hier zu antworten. Natürlich kann der Sex in einer Ehe in der die Eheleute nicht zusammenwohnen ein Hinweis sein das die Ehe noch nicht zerrüttet ist. Wenn sie es ist, werden die Eheleute aussagen sie hatten keinen selbt wenn sie welchen gehabt haben und gut ist. Wenn aber einer der Ansicht war das die Ehe noch intakt ist obwohl sie nicht zusammenleben  aber Sex hatten wird er sagen jo wir hatten Sex und das ist für ihn  Inhalt einer Ehe. Das ist also alles sehr individuell und genau deswegen müssen Richter fragen stellen.

 

 

 

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Da passen dann noch die Richter des OLG Celle dazu, das 1963 (NJW 1963, S. 406) die Auffassung vertrat, dass Sexualität ihren Platz nur in der Ehe finden könne und auch nur dem Zwecke der Fortpflanzung diene, so dass ein ehelicher Verkehr ohne Zeugungsabsicht "ungehemmter Genußsucht" diene.

 

Natürlich ganz zeitgestfrei, wie man sieht. Man müsste dann nicht nur nach dem ehelichen Verkehr fragen, sondern auch nach der Zeugungsabsicht.

Es geht nicht um zeitgemäß oder nicht es geht um ein Eherecht, das die staatliche Verpflichtung aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG ernst nimmt und die Intimsphäre der Ehegatten achtet. Es hat das FamG nicht zu interessieren, wann der letzte "eheliche Verkehr" stattfand; und wenn man die eheliche Lebensgemeinschaft als Einstands- und nicht als Sexgemeinschaft versteht, braucht das FamG diese Information auch nicht.

Die Frage ist voyeuristisch und trägt zur Sachaufklärung nichts bei.

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Der Sexualverkehr kann allenfalls ein untergeordnetes Indiz für das Bestehen der ehelichen Gemeinschaft sein. Es gibt Paare, die regelmäßig Sexualkontakte unterhalten, von denen von einer ehelichen Gemeinschaft aber schon seit längerem keine Rede mehr sein kann. Andere Paare haben schon seit Jahren keinen Sexualverkehr mehr, bewohnen eventuell nicht einmal die gleiche Wohnung, sind aber durch andere gemeinsame Aktivitäten oder über die Kinder eng miteinander verbunden.

 

Wenn man den Zeitgeist bemühen möchte, wird man feststellen können, daß seit jeher zuviel Wesen um den Sexualverkehr gemacht wurde.  Früher war es die verschämte Hingabe der Frau an den Mann (bei gleichzeitiger Lieblosigkeit und Zurücksetzung), heute zieht man am besten vor einem Millionenpublikum bei RTL2 im Swingerclub blank. Was das alles mit ehelicher Gemeinschaft zu tun hat, erschließt sich mir nicht. Ich halte die Frage nach dem letzten ehelichen Verkehr damals wie heute für ungeeignet.

 

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