Die untreue Mutter, die die Pflege ihrer Kinder bezahlt haben wollte
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Die 1992 geborenen Zwillinge sind seit ihrer Geburt schwerstbehindert. Vermutliche Ursache ist ein ärztlicher Behandlungsfehler, jedenfalls zahlte die Haftpflichtversicherung des Arztes im Wege eines Vergleichs 1997 insgesamt 2.050.000 DM (= 1.048.148 €).
Die Mutter lies sich die Vergleichssumme auf ihr Girokonto auszahlen.
In der Folgezeit gab sie einen großen Teil des Geldes für alles Mögliche (Hauskauf, Unterstützung ihre anderen Verwandtschaft, Unterstützung ihres Ehemannes, der nicht der Vaters des Kindes ist, etc), jedenfalls nur zum geringen Teil (etwas mehr als 156.000 €) für die Kinder, aus.
Seit 2000 leben die Zwillinge in einem Pflegeheim, 2001 wurde der Mutter die Vermögenssorge entzogen und auf einen Ergänzungspfleger übertragen. 2003 wurde sie wegen Untreue zu einer Gesamtsfreiheitsstrafe von 10 Monaten (auf Bewährung) verurteilt.
Die Kinder (vertreten durch den Ergänzungspfleger) machen Schadensersatzansprüche (Mindeststschaden über 800.000 €) gegen ihre Mutter geltend.
Die Mutter macht (u.a) geltend, sie habe von 1992 bis zur Heimunterbringung der Kinder über 30.000 Stunden behinderungsbedingte Pflege- und Betreuungsleistungen für die Zwillinge erbracht. Insoweit hat sie die Auffassung vertreten, ihr stehe ein Vergütungsanspruch in Höhe von 450.000,-- € (30.000 Stunden x 15,-- €) zu, mit dem sie vorsorglich die Aufrechnung erklärt hat.
Dem hat das OLG Saarbrücken eine klare Absage erteilt und die antragsgemäße Verurteilung in der Berufungsinstanz aufrechterhalten.
Die Pflege und Betreuung der Kläger ist Bestandteil der von der Beklagten in dem in Rede stehenden Zeitraum ausgeübten Personensorge (§ 1631 Abs. 1 BGB). Diesbezügliche Aufwendungen fallen der Beklagten daher selbst zur Last und sind nicht gemäß § 1648 BGB erstattungsfähig. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Pflege- und Betreuungsaufwand der Beklagten für die Kläger infolge deren Behinderungen wesentlich umfangreicher war als dies bei gesunden Kindern der Fall gewesen wäre. Denn der Umfang des erforderlichen Pflege- und Betreuungsaufwands richtet sich nach dem konkreten Bedarf des Kindes. Dass der diesbezügliche Zeitaufwand nicht erstattungsfähig ist, zeigt sich auch daran, dass – wie sich im Umkehrschluss aus § 1835 Abs. 3 BGB ergibt – selbst Dienste, die ein Elternteil im Rahmen seines Berufs oder Gewerbes dem Kind erbringt (z. B. Arzt, Lehrer, Rechtsanwalt), nicht ersatzfähig sind (vgl. MünchKomm.BGB/Huber, a. a. O., § 1648 Rdnr. 5). Zudem greift für Aufwendungen, die ihrer Art nach Unterhaltsgewährung sind, aber nach den §§ 1601 ff. BGB nicht geschuldet werden, die widerlegliche Vermutung des § 685 Abs. 2 BGB ein, wonach den Eltern regelmäßig die Absicht fehlt, Ersatz zu verlangen (vgl. MünchKomm.BGB/Huber, a. a. O., § 1648 Rdnr. 6). Diese Vermutung hat die Beklagte nicht widerlegt. Vielmehr hat sie schon nicht behauptet, bei Erbringung ihrer Pflege- und Betreuungsleistungen für die Kläger die Absicht gehabt zu haben, von diesen Ersatz zu verlangen.
OLG Saarbrücken v. 26.05.2011 - 8 U 519/09