Der Klassiker: Tankbetrug an der SB-Tankstelle
Gespeichert von Carsten Krumm am
Ich erinnere mich noch mit Grauen an manche Fälle im Studium, so etwa das Flaschenpfand oder auch (wie hier) das Tanken an der SB-Tankstelle unter dem Vorsatz nicht bezahlen zu wollen. Der BGH hatte gerade einmal wieder genau diesen Fall:
Der Schuldspruch des landgerichtlichen Urteils hat keinen Bestand, soweit der Angeklagte wegen Unterschlagung verurteilt wurde.
Nach den von der Strafkammer insofern getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte seinen Pkw in allen diesen Fällen mit amtlichen Kennzeichen versehen, die er zuvor entwendet hatte, "damit er unerkannt ohne zu bezahlen tanken konnte". Entsprechend dieser Absicht hat er anschließend in sechs Fäl-len getankt, wobei die Strafkammer zum ersten dieser Fälle (Tat 3) ausdrücklich mitteilt, dass nicht festgestellt werden konnte, ob die in der Tankstelle allein anwesende Kassiererin "den Vorgang bemerkt hat".
War das Bestreben des Täters - wie mithin hier - von Anfang an darauf gerichtet, das Benzin an sich zu bringen, ohne den Kaufpreis zu entrichten, so macht er sich grundsätzlich nicht des Diebstahls oder der Unterschlagung, sondern des (versuchten) Betruges schuldig. Denn indem er als Kunde auftritt und sich wie ein solcher verhält, bringt er - jedenfalls in der Regel - durch schlüssi-ges Verhalten zum Ausdruck, dass er das Benzin nach dessen Erhalt bezahlen werde. Durch diese Vortäuschung einer nicht vorhandenen Zahlungsbereit-schaft erweckt er bei dem Tankstelleninhaber oder dessen Personal einen ent-sprechenden Irrtum mit der Folge, dass ihm - sofern es sich um eine Bedie-nungstankstelle handelt - das Benzin in den Tank eingefüllt oder - falls es eine Selbstbedienungstankstelle ist - das Einfüllen gestattet wird. Aus dem äußeren Erscheinungsbild der Tathandlungen folgt bei natürlicher Betrachtungsweise, dass es sich hier um ein durch Täuschung bewirktes Geben und nicht um ein Nehmen im Sinne eines Gewahrsamsbruchs handelt. Ob mit dem Einfüllen be-reits das Eigentum an dem Benzin erlangt wird, kann dabei dahingestellt bleiben. Jedenfalls bringt der Täter durch die Täuschungshandlung das Benzin in seinen Besitz und erlangt damit einen Vermögensvorteil i. S. des § 263 StGB, dem auf Seiten der geschädigten Tankstelle ein entsprechender Vermögens-nachteil gegenüber steht.
Ein vollendeter Betrug liegt jedoch nicht vor, wenn der Täter an einer Selbstbedienungstankstelle tankt, ohne vom Tankstelleninhaber oder dessen Mitarbeiter bemerkt zu werden. In einem solchen Fall ist aber regelmäßig vom Tatbestand des versuchten Betruges auszugehen. Da der Täter schon beim Einfüllen mit dem Willen handelt, sich das Benzin zuzueignen, kommt eine Be-strafung wegen Unterschlagung schon wegen deren Subsidiarität (§ 246 Abs. 1 StGB) auch dann nicht in Betracht, wenn er durch den - versuchten oder voll-endeten - Betrug nur den Besitz und nicht bereits das Eigentum an diesem er-langt (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 5. Mai 1983 - 4 StR 121/83, NJW 1983, 2827; vgl. auch BGH, Beschluss vom 28. Juli 2009 - 4 StR 254/09, NStZ 2009, 694 jeweils mwN).
Da das Landgericht trotz umfangreicher Beweisaufnahme nicht in allen Fällen feststellen konnte, ob die Tankvorgänge von den Betreibern der Tank-stellen oder deren Mitarbeitern bemerkt wurden, geht der Senat zugunsten des Angeklagten davon aus, dass dies nicht der Fall war und ändert den Schuldspruch jeweils von Unterschlagung in versuchten Betrug ab. Eines Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO hierauf bedurfte es nicht, weil diese Taten dem (ge-ständigen) Angeklagten in der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage bereits als Betrug zur Last gelegt worden waren.
BGH, Beschluss vom 10.1.2012 - 4 StR 632/11