EGMR: Entlassener Kirchenmusiker erhält (nur) 40.000 Euro Entschädigung
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Die Entscheidung des EGMR in der Rechtssache Schüth (NZA 2011, 279) hatte vor zwei Jahren intensive Diskussionen um die Loyalitätspflichten kirchlicher Mitarbeiter und die Sanktionsmöglichkeiten der Kirchen ausgelöst. Der Organist und Chorleiter einer katholischen Kirchengemeinde hatte sich 1994 von seiner Frau getrennt und lebte mit einer neuen Lebensgefährtin zusammen. Er hatte gegen seine Kündigung geklagt und war von deutschen Arbeitsgerichten abgewiesen worden. Auf die Individualbeschwerde des Klägers hatte der EGMR entschieden, dass Artikel 8 der EMRK, nämlich das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, verletzt sei. Die deutschen Arbeitsgerichte hätten "nicht sorgfältig genug zwischen den Rechten des Klägers und des kirchlichen Arbeitgebers abgewogen", befanden damals die Straßburger Richter. Die Arbeitsgerichte hätten lediglich die Argumentation der Kirche übernommen. Die von Herrn Schüth daraufhin erhobene Restitutionsklage blieb jedoch vor dem LAG Düsseldorf erfolglos (hier Blog-Beitrag vom 6.5.2011). Hiergegen läuft allerdings noch eine Revision vor dem Bundesarbeitsgericht. Beim EGMR ist der Fall Schüth vergangene jedenfalls wohl endgültig abgeschlossen worden. Dem Kirchenmusiker ist vom EGMR eine Entschädigung von 40.000 € zugesprochen worden (Urteil vom 28.6.2012, Az. 1620/03). Zusätzlich zu der Entschädigungszahlung stehen dem Musiker 7.600 Euro für Kosten und Ausgaben zu. Die nun von einer kleinen Kammer des Gerichts getroffene Entscheidung nannte Schüth in einem Gespräch mit AFP "völlig unverständlich und inakzeptabel". Er hatte für Gehaltsausfälle und verlorene Rentenansprüche 644.000 Euro sowie für den "moralischen Schaden" 34.000 Euro verlangt. Schüth schloss nicht aus, dass er eine erneute Prüfung durch eine große Kammer des Gerichts beantragen werde.