BAG: Benachteiligung wegen einer Schwerbehinderung
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
§ 82 SGB IX verpflichtet die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, es sei denn, dass „die fachliche Eignung offensichtlich fehlt“. Der Umstand, dass andere Bewerber ersichtlich besser qualifiziert sind, macht die Einladung nicht entbehrlich. Unterbleibt sie dennoch, indiziert dies nach § 22 AGG die Benachteiligung wegen der Behinderung.
Vor diesem Hintergrund hatte die Klage eines erfolglosen Stellenbewerbers auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg: Die Stadt Frankfurt am Main hatte Mitte 2013 die Stelle eines „Techn. Angestellte/n für die Leitung des Sachgebiets Betriebstechnik“ des von ihr unterhaltenen Komplexes „Palmengarten“ ausgeschrieben. In der Stellenausschreibung heißt es ua.: „Wir erwarten: Dipl.-Ing. (FH) oder staatl. gepr. Techniker/in oder Meister/in im Gewerk Heizungs-/Sanitär-/Elektrotechnik oder vergleichbare Qualifikation; …“. Der schwerbehinderte Kläger (GdB 50) ist ausgebildeter Zentralheizungs- und Lüftungsbauer sowie staatlich geprüfter Umweltschutztechniker im Fachbereich „Alternative Energien“. Er bewarb sich auf die Stelle, wurde aber nicht eingeladen. Die beklagte Stadt hielt dies für entbehrlich, weil er für die zu besetzende Stelle offensichtlich fachlich ungeeignet sei. Das Arbeitsgericht hat die Stadt zur Zahlung von drei Monatsgehältern Entschädigung verurteilt, das Hessische Landesarbeitsgericht hat die Höhe der Entschädigung auf ein Monatsgehalt reduziert. Die Stadt begehrt mit ihrer Revision die vollständige Abweisung der Klage.
Die Revision hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die beklagte Stadt hatte dadurch, dass sie den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hatte, die Vermutung begründet, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung aus dem Auswahlverfahren vorzeitig ausgeschieden und dadurch benachteiligt wurde. Sie war von ihrer Verpflichtung, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, auch nicht nach § 82 Satz 3 SGB IX befreit. Auf der Grundlage der Angaben des Klägers in seiner Bewerbung durfte sie nicht davon ausgehen, dass diesem die erforderliche fachliche Eignung offensichtlich fehlte.
BAG, Urt. vom 11.8.2016 - 8 AZR 375/15, Pressemitteilung hier