„Ihr verfluchten Racker, wollt ihr denn ewig leben?“ – Zurückhaltende Resonanz bei Patientenverfügungen
Gespeichert von Dr. Michaela Hermes, LL.M. am
Den in der Überschrift zitierten Ausspruch soll Friedrich der Große im Zorn seinen fliehenden Soldaten entgegen geschleudert haben. Was Friedrich der Große zur Patientenverfügung sagen würde wissen wir nicht. Aber wir wissen was 1260 Patienten, die aus den unterschiedlichsten Gründen den Arzt aufsuchten, von Patientenverfügungen halten. Sie äußerten sich in einer aktuelle Studie zu Wünschen und Befürchtungen im Hinblick auf das Abfassen einer solchen Verfügung. (Schröder, L; Hommel, G.; Sahm, S. 2016, Intricate decision making: ambivalences and barriers when fulfilling an advance directive, in: Patient Preference and Adherence, Band 10, S. 1583-1589) https://www.dovepress.com/intricate-decision-making-ambivalences-and-barriers-when-fulfilling-an-peer-reviewed-fulltext-article-PPA.
Was ist eine Patientenverfügung?
Eine Patientenverfügung wird für den Fall geschrieben, dass der Patient sich in einer bestimmten Situation nicht mehr mitteilen kann. In der Patientenverfügung legt der Patient also fest, wie er in therapeutischer oder pflegerischer Hinsicht in dem Fall behandelt werden will, dass er seinen Willen nicht mehr äußern kann. Für die Ärzte sind diese Wünsche verbindlich, wenn die in der Patientenverfügung getroffenen Festlegungen für die konkrete Lebens- und Behandlungssituation zutreffen (vgl. § 1901a BGB). Zu der Patientenverfügung hatte erst im Sommer der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 06.07.2016 – Aktenzeichen: XII ZB 61/16) http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=3a01e3fb2e2ecb7d6efa12d7136bf91c&nr=75565&pos=0&anz=1 entschieden, dass eine Patientenverfügung nur dann unmittelbare Bindungswirkung entfalte, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen zu entnehmen seien. Die Aussage, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, reiche jedenfalls für sich genommen nicht aus, um eine konkrete Behandlungsentscheidung zum Ausdruck zu bringen.
Was sagt die neue Studie?
Befragt wurden die Patienten nach Behandlungswünschen am Lebensende. Die überwiegende Zahl wollte lebenserhaltende Maßnahmen in Anspruch nehmen. Selbst für eine Chemotherapie und Dialyse stimmten noch 40 Prozent. Viele Patienten waren aber auch unsicher. Zwischen 25 und 45 Prozent lag der Anteil derer, die sich jeweils nicht festlegen konnten.
Gefragt nach den Befürchtungen, die eine Unterschrift unter eine Patientenverfügung auslösen könnte, gaben viele an, dass sie Angst davor hätten, die Existenz einer Verfügung könne sich nachteilig für sie auswirken. Ungefähr die Hälfte der Befragten hatte Bedenken, dass sie zur Unterschrift gedrängt werden könnten. Jeder Dritte misstraute den Ärzten und meinte, die Behandler könnten sich zu sehr an dem Wortlaut der Patientenverfügung orientieren, ohne dabei ihr Wissen und den medizinischen Fortschritt einfließen zu lassen. Die Bedenken richteten sich auch gegen die Angehörigen. Hier waren fast 50 Prozent der Auffassung, dass die Angehörigen auf eine Begrenzung der Behandlung drängen könnten.
Nicht überraschend sei, nach Auffassung der für die Studie verantwortlichen Mediziner, dass die Unsicherheit der Patienten dazu führe, dass bisher wenige Patientenverfügungen erstellt worden seien.
Welche rechtlichen Instrumente gibt es noch?
Nicht so drastisch aus Patientensicht ist die Vorsorgevollmacht. Hier bestimmt der Patient eine Person seines Vertrauens. Diese darf die erforderlichen Entscheidungen in Gesundheitsfragen in Notsituationen treffen. Neben den Fragen der Gesundheitssorge kann die Vorsorgevollmacht natürlich auch für andere Aufgabenkreise, wie die Vermögenssorge ausgestellt werden.
Sowohl die Patientenverfügung als auch die Vorsorgevollmacht sollen schriftlich verfasst werden. Einer notariellen Beurkundung bedarf es nicht.
Es bleibt noch die Betreuungsverfügung. Darin kann bestimmt werden, wer als gerichtlich bestellter Betreuer in Betracht kommt. Existiert keine geeignete Vollmacht oder ist kein Betreuer festgelegt, so muss für die Patienten, die sich nicht mehr äußern können, ein Betreuer bei Gericht bestellt werden. Das kann, muss aber kein Angehöriger sein.
Lösungswege?
Immer mehr Patienten beenden ihr Leben im Krankenhaus und nicht selten dort auf der Intensivstation. Der vorausdenkende Patientenwille lässt sich nur schwer passgenau an die hochkomplexen Krankheitssituationen auf einer modernen Intensivstation anpassen.
Die Autoren der Studie sehen als Lösung die Benennung von Vertretern und die Erstellung einer Vorsorgevollmacht in Gesundheitsfragen. Sie empfehlen gleichermaßen ein in der Palliativmedizin entwickeltes Konzept. Dieses Modell des sogenannten „Advance Care Planning“ ist eine dynamische Vorgehensweise, wonach der Patientenwille wiederholt abgefragt wird. Nicht zuletzt ist eine offene und ehrliche Kommunikation zwischen dem Arzt und Patient wünschenswert. Ein Zeitfaktor, der im gesetzlichen System nur im Rahmen einer Palliativversorgung vergütet wird.