Ist es strafbar, Flaggen zu verbrennen?
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Seit in Berlin Israel-Flaggen brandten, kam es nicht nur zu mehreren Strafanzeigen, sondern die Frage nach der Strafbarkeit wird in den Medien breit diskutiert. Die in den vergangenen Tagen viel kritisierte Rechtslage hat bislang jedoch – soweit mir bekannt – zu keiner Gesetzesinitiative geführt:
- Mit der „Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole“ befasst sich § 90a StGB. Geschütztes Rechtsgut ist dabei nicht eine „Staatsehre“ der Bundesrepublik und seiner Länder, sondern die verfassungsmäßige Ordnung weit im Vorfeld potentieller staatsgefährdender Bemühungen. Es soll sich schon gar kein Umfeld herausbilden, in dem sich eine gegen die Existenz unseres freiheitlichen demokratischen Rechtsstaats gerichtete staatsfeindliche Gesinnung etablieren kann. Die Flaggen der „Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder“ erfasst Abs. 1 Nr. 2. Nach Abs. 2 macht sich u.a. strafbar, wer „eine öffentlich gezeigte Flagge der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder“ zerstört oder beschädigt.
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Die Flaggen ausländischer Staaten schützt in Ergänzung zu § 90 a Abs. 2 StGB der enger gefasste § 104 StGB. Danach wird bestraft, „wer eine aufgrund von Rechtsvorschriften oder nach anerkanntem Brauch öffentlich gezeigte Flagge eines ausländischen Staates“ u.a. zerstört oder beschädigt. Anerkannter Brauch ist es, Flaggen bei Sportveranstaltungen oder Tagungen zu hissen. Die tatbestandliche Einschränkung schließt mangels anerkannten Brauchs z.B. solche Flaggen aus, die von Privatpersonen angefertigt werden, um sie bei einer Demonstration zu verbrennen. Wurde die Flagge aber etwa von der Botschaft des Landes entwendet (Diebstahl) und dann verbrannt, wäre eine Strafbarkeit gegeben. Voraussetzung für die Strafverfolgung ist allerdings nach § 104 a StGB, dass „Deutschland zu dem anderen Staat diplomatische Beziehungen unterhält, die Gegenseitigkeit verbürgt ist und auch zur Zeit der Tat verbürgt war, ein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegt und die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt.“
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Volksverhetzung, § 130 StGB, verlangt, dass das gegen eine bestimmte Gruppe, die Teil der Bevölkerung ist, aufgestachelt wird. Allein durch das Beschimpfen fremder Staaten sind weder die in Deutschland lebendenn Staatsangehörige angegriffen noch Teile der deutschen Bevölkerung, die sich dem anderen Staat besonders verbunden fühlen.
- Die Polizei kann das Verbrennen von Gegenständen auf Demonstrationen verbieten. Ein Verstoß kann als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden.
„Die Bedeutung einer Flagge entspringt den Gefühlen, die sie weckt“, schreibt Tim Marshall in der Einleitung seines vor kurzem erschienenen Buchs „Im Namen der Flagge. Die Macht der politischen Symbole“. Seiner Einleitung stellt er voran die US-Flagge „im Dialog“ mit dem amerikanischen Innenminister Franklin K. Lane am Flag Day 1914: „Ich bin nicht mehr als du glaubst, dass ich bin, und ich bin all das, was du glaubst, was ich sein kann.“
Der Symbolschutz inländischer wie ausländischer Hoheitssymbole ist im Licht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG zu sehen. Dieses Grundrecht ist gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen. Das Ansehen des Staates und das Recht zu seiner Kritik stehen also in einem Spannungsverhältnis, das im Einzelfall im Wege praktischer Konkordanz aufzulösen ist (BVerfG NJW 2012, 1273). Der Symbolschutz darf deshalb nicht zur Immunisierung des Staates gegen Kritik führen, um den Grundrechtsschutz zu erhalten.
Die eingangs gestellte Frage ist also nicht einfach zu beantworten.