Hauptverhandlung in Zeiten von Corona II: Ausschluss der Öffentlichkeit?
Gespeichert von Carsten Krumm am
Vorgestern hatte ich ja schon einen Beitrag zum Thema "Hauptverhandlung/Corona". Die große Frage: Wie geht man in einer Hauptverhandlung mit der Angst vor Ansteckung um? Sollte die Anwesenheit von Personen in der Hauptverhandlung nicht auf das nötige Mindesmaß beschränkt werden? Das stell sich dann auch gleich die Frage: Wie sieht dies mit der Öffentlichkeit aus? Kann man diese eventuell ausschließen?
§ 172 GVG regelt diese Frage:
§ 172Das Gericht kann für die Verhandlung oder für einen Teil davon die Öffentlichkeit ausschließen, wenn
1. eine Gefährdung der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu besorgen ist,
1a. eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit eines Zeugen oder einer anderen Person zu besorgen ist,
2. ein wichtiges Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnis zur Sprache kommt, durch dessen öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden,
3. ein privates Geheimnis erörtert wird, dessen unbefugte Offenbarung durch den Zeugen oder Sachverständigen mit Strafe bedroht ist,
4. eine Person unter 18 Jahren vernommen wird.
Einschlägig könnte hier tatsächlich Nr. 1a sein. Die Vorschrift war eingentlich zum Schutz aus anderen Gründen gedacht. Natürlich ist der Klassiker der Anwendung der Zeuge aus dem Umfeld organisierter Kriminalität, der sich durch seine Aussage einer möglichen "Rache" aussetzen könnte. Die Norm schützt aber nicht nur Zeugen, sondern auch "andere Personen". Schaut man in die Kommentierung etwa im Mayer/Goßner/Schmitt, so finden sich zwei kurze Randnummern zu dieser Ausschließung. Dass die Gefährdung durch die Anwesenheit der Öffentlichkeit sich u.U. aus übertragbaren Krankheiten ergeben könnte, ist daraus natürlich nicht zu entnehmen. Das Interessante ist, dass die befürchtete Gefährdung im gerade dargestellen Musterfall zwar drastischer sein kann, gleichzeitig aber tatsächlich viel weiter weg vom Gerichtssaal angesiedelt ist. Die Gefahr im Gerichtssaal durch anwesende Menschen in Pandemiezeiten ist da deutlich "gerichtsnäher". Und in Zeiten einer ausgerufenen Pandemie und sogar hierdurch erfolgter Gesetzesänderungen liegt es m.E. durchaus nahe, die Vorschrift auch "coronakonform" auszulegen, zumal die Coranoagefahr nicht nur eine abstrakte ist. Was denken die Blogleser dazu?