Der BGH und die Schönheitsreparaturen - willkommen im Richterrecht!
Gespeichert von Dr. Michael Selk am
Über mehrere Jahre musste der VIII. Zivilsenat des BGH sich nicht mehr intensiv mit Problemen der Schönheitsreparaturen beschäftigen. Zwei Urteile des LG Berlin indes führten dazu, dass sich die Rechtsprechung des Senats weiterentwickelt hat. Bislang liegt nur die Presserklärung des BGH vor (Nr. 90/2020), aber schon diese hat es in sich.
In beiden vom LG Berlin entschiedenen Fällen ging es darum, ob ein Vermieter verpflichtet ist, die unrenoviert überlassene Wohnung – bei unwirksamen Schönheitsreparaturklauseln im Vertrag – zu verschönern. Im Verfahren LG Berlin 18 S 392/16 begehrte der Mieter nach vielen Jahren Mietdauer Kostenvorschuss zur Durchführung der Malerarbeiten. Das Landgericht lehnte dies ab, nur wenn die Wohnung zwischenzeitlich „verkommen“ sei und Substanzschäden drohten, wäre ein solcher Anspruch u.U. gegeben. Im Verfahren LG Berlin 63 S 283/17 war die Situation ähnlich ; hier machte der Mieter einen Anspruch auf unmittelbare Durchführung der Schönheitsreparaturen gem. § 535 I 2 BGB geltend. Das LG meinte, grundsätzlich sei der Vermieter nur verpflichtet, den ( ohnehin schlechten) Zustand bei Einzug des Mieters wiederherzustellen, also graduell etwas aufzuwerten. Aufgrund der unwirksamen Schönheitsreparaturklauseln müsse der Vermieter sich aber spiegelbildlich am Vertrag festhalten lassen, so dass eine Renovierung geschuldet sei.
Der BGH hat beide Urteile aufgehoben und an die Kammern zurückverwiesen. Der BGH geht davon aus, dass der vertragsgemäße Zustand grundsätzlich der bei Abschluss des Mietvertrags überlassene, also unrenovierte ist, den der Vermieter nicht verbessern müsse. Den Vermieter treffe aber eine Instandsetzungspflicht, wenn sich der anfängliche Dekorationszustand wesentlich verschlechtert habe, was nach 14 bzw. 25 Jahren Mietdauer naheliege.
Interessant ist dann aber, dass der BGH meint, die Wiederherstellung des Anfangszustands sei in der Regel nicht praktikabel, wirtschaftlich nicht sinnvoll und liege „auch nicht im Interesse vernünftiger Mietvertragsparteien“. Der Vermieter müsse daher einen frisch renovierten Zustand herbeiführen. Der Grundsatz von Treu und Glauben gebiete es, einen angemessenen Ausgleich der Interessen der Vertragspartner herbeizuführen. Der Mieter könne also eine Durchführung der Malerarbeiten vom Vermieter verlangen, müsse sich aber an den Kosten beteiligen; dies sei in der Regel die Hälfte. Verlange der Mieter vom Vermieter gem. § 535 I 2 BGB die Durchführung der Arbeiten, so könne dieser die Kostenbeteiligung des Mieters „nach Art eines Zurückbehaltungsrechts“ einwenden.
Wie gesagt: man wird die Entscheidungsgründe abwarten müssen. Die Annahme einer in der Regel hälftigen Kostenbeteiligung des Mieters an den Malerarbeiten klingt durchaus nach einer interessengerechten Lösung, den wohl auch ein Tatgericht als Vergleich in einem solchen Prozess vorschlagen würde. Normativ allerdings agiert der Senat durchaus losgelöst. Der schon fast obligatorische Hinweis auf Treu und Glauben als gedankliche Krücke für die gewählte Lösung ist, um es in der Diktion des Senats zu sagen, „unbehelflich“. Eine Pflicht zur Zahlung eines in der Regel hälftigen Betrags aus Treu und Glauben abzuleiten – das ist bislang jedenfalls neu und lässt sich in den bisherigen dogmatischen „Schubladen“ und ihren Anwendungsbereichen jedenfalls nicht auf den ersten Anhieb finden. Das Bild des BGH von den „vernünftigen Mietvertragsparteien“ ist schon in der anderenorts kritisch zu erörternden Entscheidung des VIII. Zivilsenats zum „Bolzplatz II“ (29.4.2020, VIII ZR 31/18) schon missglückt.
Schließlich darf man auch gespannt darauf sein, was die Entscheidungsgründe zur „Art eines Zurückbehaltungsrechts“ hergeben werden – offenbar kann man erwarten, dass der Senat neben § 273 BGB oder § 320 BGB noch etwas Neues schaffen will. Für die Praxis bedeutet dies indes: Mieter, die lange in unrenovierten Wohnungen wohnen, müssen sich vorher überlegen, ob sie vom Vermieter Malerarbeiten verlangen. Das kann durchaus teuer werden. Der nächste Streit zwischen den „vernünftigen“ Vertragsparteien ist vorprogrammiert: wenn es um die Höhe der Kosten geht (Zahl der Kostenvoranschläge usw). Fragt man Sachverständige, ob es möglich ist, einen aktuell noch schlechteren dekorativen Zustand in einen Zustand von vor 14 Jahren, ebenfalls nicht renoviert, zu „verbessern“, erhält man Kopfschütteln als Antwort: dies sei bereits technisch gar nicht möglich und eher ein Kunstprojekt. Die Lösung der Fallgruppe hätte vielleicht also über § 275 BGB erfolgen können, so dass der Mieter auch dann leer ausgegangen wäre. Nun, nach dem BGH indes, bekommt der Mieter mehr, muss für dieses Mehr aber auch zahlen.