Das neue WEG und Störungen in der Zweiergemeinschaft - ein übersehenes Problem?
Gespeichert von Dr. Michael Selk am
Zum Inkrafttreten des WEG zum 1.12.2020 ist hier an verschiedener Stelle schon etwas geschrieben worden. Eine gravierende Veränderung ist, dass dem einzelnen Wohnungseigentümer nun kein Anspruch auf Unterlassung oder Beseitigung von Störungen des Gemeinschaftseigentums (§ 1004 BGB) mehr zusteht; nunmehr kann grundsätzlich nur noch die Gemeinschaft diese Ansprüche verfolgen, § 9a II 1. Alt. WEG.
Nutzt also ein Wohnungseigentümer Teile des Gemeinschaftseigentums rechtswidrig, indem er beispielsweise ohne Vereinbarung oder Beschluss Veluxfenster in die Dachhaut seiner Wohnung einbaut oder tragende Wände einreisst, so ist es Sache der Wohnungeigentümergemeinschaft und nicht mehr auch eines einzelnen Wohnungseigentümers, dagegen ggf. gerichtliche Maßnahmen zu ergreifen. Der andere Wohnungseigentümer kann direkt grundsätzlich nicht mehr gegen den Störer vorgehen (vgl. nur Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, 3. Kapitel Rn 126f).
Für kleine Zweiergemeinschaften hat dies massive Konsequenzen. Der gestörte Eigentümer ist grundsätzlich - eine Ausnahme dürfte dann bestehen, wenn die Beeinträchtigung zugleich das Sondereigentum tangiert - gehindert, direkt beim Amtsgericht auf Unterlassung zu klagen.
Bei Stimmrechtsgleichheit - wie regelmäßig bei Zweiergemeinschaften der Fall - führt diese Konstellation gerade dann, wenn wie oft kein Verwalter bestellt ist, zu gravierenden Rechtsschutzlücken. Denn der Weg ist steinig:
Der benachteiligte Wohunungseigentümer muss zunächst versuchen, eine Beschlussfassung der WEG herbeizuführen. Stimmt der Störer nicht zu, so bedarf es weiter der Klage auf Ermächtigung zur Einberufung einer Versammlung mit dem Tagesordnungspunkt Beseitigung der Störung. Erst nach einem den benachteiligten Wohnungseigentümer begünstigenden Urteil des Amtsgerichts darf dieser, ggf. nach Rechtskraft, dann einberufen. Kommt es dann endlich zur Versammlung und stimmt der Störer mit nein, so bleibt dem Benachteiligten nur die Beschlussersetzungsklage gegen die WEG; hier hat das Gericht zudem das Ermessen der WEG, ggf. diese Maßnahme nicht zu ergreifen, zu berücksichtigen.
All diese Schritte sind viel aufwendiger als die früher mögliche Klage innerhalb des "Binnenrechts"; kosten- und zeitaufwendiger. Bis der Betroffene hier sein Ziel durchgesetzt hat, können angesichts der oft sehr überlasteten WEG-Abteilungen der Amtsgerichte Jahre vergehen - Jahre, in denen sich der Zustand des Gemeinschaftseigentums durch den unerlaubten Eingriff des störenden Eigentümers erheblich verschlechtern kann.
In den Gesetzesbegründungen findet man zu dieser Problematik nichts - es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese Konstellation nicht im Blick hatte. Ohnehin schwebte dem Gesetzgeber offenbar das Idealbild einer WEG vor, die sich an die Regeln des WEG halten wird - die Praxis zeigt aber, dass Gemeinschaften, in denen eine Stimmenmehrheit gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung agiert, durchaus häufiger vorkommen als wohl erahnt.
Vieles spricht dafür, dass der Gesetzgeber hier jedenfalls für die Zweiergemeinschaft nachbessern sollte - sofern nicht die Gerichte doch unmittelbare Ansprüche im "Binnenrecht" in diesen Sonderkonstellationen zulassen.