Ran an den Speck - abgemahnt
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Juristisch ist der Fall kaum eine Pressemitteilung des BAG wert, der Sachverhalt dafür umso mehr: Der Kläger ist als Redakteur bei der "Wirtschaftswoche" beschäftigt. Wenn er Nachrichten, die ihm bei seiner Tätigkeit für den Verlag bekannt geworden sind, anderweitig verarbeiten, verwerten oder weitergeben will, bedarf er kraft Arbeits-/Tarifvertrags der schriftlichen Einwilligung seiner Chefredaktion.
2017 nahm er im Rahmen einer Dienstreise an der Eröffnung eines neuen Standorts eines deutschen Unternehmens in den USA teil. Beim abendlichen Buffet wurde er von der ausrichtenden Unternehmerin gefragt, warum er gar nichts esse. Auf seine Antwort, er habe "zu viel Speck über'm Gürtel" kniff die Unternehmerin ihm in die Hüfte. In seinem Bericht erwähnte er auch diesen Vorfall, der jedoch von der Redaktion gestrichen wurde. In einem Gespräch mit seinem Chefredakteur versuchte der Kläger, die Veröffentlichung doch noch zu erreichen, was dieser ablehnte. Auch eine Publikation in einer anderen Zeitschrift wurde ihm unter Hinweis auf das vertragliche Konkurrenzverbot untersagt. Das hielt ihn aber nicht davon ab, den Beitrag gleichwohl in der "taz" zu veröffentlichen (wo er hier bis heute online verfügbar ist).
Die Arbeitgeberin zeigte sich not amused und mahnte den Kläger ab. Seine auf Entfernung der Abmahnung gerichtete Klage blieb in allen drei Instanzen ohne Erfolg.
Die Verpflichtung eines Redakteurs, den Verlag vor der anderweitigen Veröffentlichung einer ihm während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht um Erlaubnis zu ersuchen, verstößt weder gegen Verfassungs- noch gegen Konventionsrecht. Im Rahmen der Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen von Redakteur und Verlag ist zu berücksichtigen, dass Letzterer erst durch die Anzeige der beabsichtigten Nebentätigkeit in die Lage versetzt wird zu überprüfen, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt werden. Dahinter muss das Interesse des Arbeitnehmers, die Nachricht ohne vorherige Einbindung des Verlags zu veröffentlichen, regelmäßig zurücktreten.
BAG, Urt. vom 15.6.2021 - 9 AZR 413/19, Pressemitteilung hier