LAG Thüringen, 03.08.2023 - 2 Sa 407/22: 3G oder Du fliegst raus?
Gespeichert von Martin Biebl am
Wollen wir hoffen, dass die Anordnung des Arbeitgebers zur Vorlage eines 3G-Nachweises in diesem Winter nicht wieder die Regel wird. Falls doch, sollten Arbeitnehmer die Anordnung befolgen, da andernfalls die außerordentliche Kündigung droht. Dies hat das LAG Thüringen in zweiter Instanz bestätigt. Es ging um folgenden Fall:
- Der Arbeitgeber ordenete im Wege des Direktionsrechts die Pflicht zur Erbringung eines 3-G-Nachweises an.
- Der Arbeitnehmer wollte das nicht wahrhaben und widersetzte sich beharrlich. Auch zwei Abmahnungen brachten ihn nicht zum Umdenken. Er legte keinen Nachweis vor.
- Der Arbeitgeber hatte genug und kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich.
- Das LAG Thüringen hielt die außerordentliche Kündigung für wirksam, denn:
"Die Anordnung zur Vorlage tagesaktueller Tests war vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt. Das Infektionsschutzgesetz a.F. bildete, in Fällen wie diesem, nach § 106 S. 2 iVm. S. 1 GewO die Grundlage des Weisungsrechts. Die Beklagte hat damit die ihr obliegenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen nach § 28b IfSG a.F. umgesetzt. [...]
Die außerordentliche Kündigung erweist sich nicht im Ergebnis der Interessenabwägung als unverhältnismäßig. Die Interessenabwägung fällt zu Ungunsten des Klägers aus. [...] Zwar ist zugunsten des Klägers neben seinem Lebensalter von 52 Jahren zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs und seiner Unterhaltspflicht insbesondere seine lange beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit von über 27 Jahren zu berücksichtigen. Gleichwohl ist der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist in Anbetracht der beharrlichen Verweigerungshaltung des Klägers und des hierdurch bewirkten Vertrauensverlustes nicht zumutbar. Der Kläger hat sich trotz zweier Abmahnungen geweigert, einen Test vorzulegen. Die Beklagte konnte nicht mehr auf eine zukünftige vertragsgerechte Erfüllung des Arbeitsverhältnisses vertrauen, zumal der Kläger ihr unmissverständlich zu erkennen gegeben hat, er sei auch zukünftig nicht zum Einlenken zu bewegen. [...] Weiterhin war zum Zeitpunkt der Kündigung nach der gegebenen Rechtslage nicht klar, dass in absehbarer Zeit eine Beschäftigung des Klägers ohne Testnachweis zulässig werden würde. Der Beklagten kann deshalb nicht vorgehalten werden, sie hätte den Kläger in zumutbarer Weise ohne Vergütungszahlung freistellen müssen. Im Ergebnis sind keine Umstände ersichtlich, die es als der Beklagten zumutbar erscheinen ließen, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist aufrechtzuerhalten. Vielmehr war es für die Beklagte, insbesondere vor dem Hintergrund der verfestigten inneren Einstellung des Klägers, nicht akzeptabel, ihn auch nur für einen begrenzten Zeitraum weiter zu beschäftigen."
(Hervorhebung durch den Verfasser)
Eine sauber begründete Entscheidung, die definitiv Zustimmung verdient. Interessant wäre gewesen, ob die Entscheidung genauso ausgefallen wäre, wenn es vorher nur eine Abmahnung des Arbeitgebers gegeben hätte. Davon ist aber bei der Beharrlichkeit der Verweigerungshaltung des Arbeitnehmers auf jeden Fall auszugehen. Wer nach der ersten gelben Karte nicht reagiert, muss mit der Kündigung rechnen.