Die erste tax litigation zu § 4i EStG - FG Münster v. 31.08.2023 – 10 K 2613/20 F

von StB Dr. Martin Weiss, veröffentlicht am 03.11.2023
Rechtsgebiete: Steuerrecht|2426 Aufrufe

Steuerlicher Zinsabzug und kein Ende – derzeit gibt es eine starke Tendenz, diesen Abzug immer weiter einzuschränken. Bereits seit Langem sind Beschränkungen wie § 4 Abs. 4a EStG (bei „Überentnahmen“) und § 4h EStG („Zinsschranke“) zu beachten. Daneben ist – oberhalb eines Freibetrags von 200.000 Euro – der Zinsabzug gewerbesteuerlich restringiert (§ 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG).

Die Zinsschranke ist bezüglich ihrer konkreten Ausgestaltung nun im Rahmen des geplanten „Wachstumschancengesetzes“ erneut in der Diskussion. Neue Beschränkungen des Zinsabzugs sollen zudem durch eine „Zinshöhenschranke“ (§ 4l EStG-E) kommen. Von der eigentlichen Idee, dass Fremdkapitalzinsen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) dem Grunde nach abziehbar sind, entfernt sich das deutsche Steuerrecht damit zunehmend.

Als ob das Ganze im „Inbound-Fall“ nicht schon komplex genug gewesen wäre (man denke an BFH v. 12.10.2016 – I R 92/12, BStBl. II 2022, 123), hat der Gesetzgeber dann noch einen draufgesetzt. Bereits seit dem Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz aus dem Dezember 2016 müssen bei grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen einer Mitunternehmerschaft zusätzlich die – sehr knapp gehaltenen – Regelungen des § 4i EStG beachtet werden. Nach dessen Satz 1 dürfen Aufwendungen „nicht als Sonderbetriebsausgaben abgezogen werden, soweit sie auch die Steuerbemessungsgrundlage in einem anderen Staat mindern“. Die deutsche Besonderheit des Sonderbetriebsvermögens, hier des negativen SBV II, konnte zuvor dazu führen, dass solche Sonderbetriebsausgaben in Deutschland und zusätzlich im Ansässigkeitsstaat des Mitunternehmers geltend gemacht werden konnten („double dip“).

Dabei handelt es sich schon um den (durch das Gesetz zur Bekämpfung Steuerumgehung und zur Änderung weiterer Vorschriften (StUmgBG) v. 23.06.2017) „nachgebesserten“ Wortlaut, waren doch zunächst nur „Aufwendungen eines Gesellschafters einer Personengesellschaft“ betroffen. Damit hätte die beliebte atypisch stille Gesellschaft einen offensichtlichen Ausweg darstellen können (BeckOK EStG/Marquardsen, 16. Ed. 1.7.2023, EStG § 4i Rn. 6). Das erste FG-Verfahren zeigt nun, dass in der trotz Nachbesserung bestehenden „Kürze“ nicht immer „die Würze liegt“. Was genau ist unter einer Minderung der Steuerbemessungsgrundlage in einem anderen Staat für Zwecke des § 4i EStG zu verstehen? Wird davon auch eine Verbindlichkeit erfasst, die im Rahmen eines ausländischen Gruppenbesteuerungssystems – anders als in der deutschen ertragsteuerlichen Organschaft – „wegkonsolidiert“ wird? Das FG Münster meint in seinem Urteil vom 31.08.2023 (10 K 2613/20 F) zur niederländischen Organschaft ("fiscale eenheid") in Übereinstimmung mit vielen Stimmen im Schrifttum: Nein!

Im Vergleich zu der tatbestandlichen Weite etwa des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG – der „dual consolidated loss rule“ in der ertragsteuerlichen Organschaft – oder den komplexen Regelungen der Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG) hat der Gesetzgeber den Rechtsanwender bei § 4i EStG nicht gerade „an die Hand genommen“. Das Ergebnis ist, dass die Finanzgerichte nun die Einzelfälle bezüglich der „Minderung der Steuerbemessungsgrundlage in einem anderen Staat“ untersuchen müssen. Dass hier die Revision aufgrund grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen war, liegt nahe…  

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