BGH entscheidet erstmals über vorbehaltene Sicherungsverwahrung bei Heranwachsenden
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Hintergrund der Entscheidung ist der Mord in der JVA Siegburg: Der heranwachsende Angeklagte belegte gemeinsam mit zwei Mitangeklagten und dem Opfer einen Haftraum. Der Idee des Hauptangeklagten folgend beschlossen die Angeklagten am 11. November 2006 , den den Angeklagten unterlegenen Mitgefangenen zu misshandeln. Während des gesamten Tages quälten und erniedrigten die Angeklagten ihr Opfer, das aus Angst keinen Widerstand leistete, und brachten ihm erhebliche Verletzungen bei. Schließlich beschlossen sie, den Geschädigten zu töten und erhängten ihn in der Tür zum Toilettenraum. Am darauf folgenden Morgen meldeten sie den Tod des Opfers und gaben vor, dieser habe sich das Leben genommen.
Zur angegriffenen Entscheidung: Das LG Bonn hat mit Urteil vom 4. Oktober 2007 - 8 KLs 16/07 - auf den Angeklagten als Heranwachsenden Erwachsenenstrafrecht angewendet, aber von der Anordnung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 106 Abs. 1 JGG abgesehen. Ob darüberhinaus ein Vorbehalt der Sicherungsverwahrung nach § 106 Abs. 3 JGG anzuordnen war, hat die Jugendkammer nicht ausdrücklich geprüft. Der heranwachsende Angeklagte wurde wegen Mordes, gefährlicher Körperverletzung in fünf Fällen, Vergewaltigung in zwei Fällen sowie besonders schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Die zwei Mitangeklagten verurteilte die Jugendkammer zu einer Gesamtzeitsstrafe von 14 Jahren bzw. einer Einheitsjugendstrafe von 10 Jahren.
BGH Urteil vom 13. August 2008 - 2 StR 240/08 (Entscheidung ist noch nicht veröffentlicht): Auf die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat der Senat das Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, soweit das LG eine lebenslange Freiheitsstrafe nicht verhängt und den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung nicht angeordnet hat, und die Sache an eine andere Jugendkammer des LG Bonn zurückverwiesen. Nach Ansicht des Senats sind die Gründe, die das LG für das Absehen von einer lebenslangen Freiheitsstrafe herangezogen hat, nicht tragfähig. Es handele sich um bloße Hoffnungen auf eine Resozialisierung des Angeklagten, die durch Tatsachen nicht belegt seien. Darüberhinaus hat es das LG auch zu Unrecht unterlassen, einen Vorbehalt der Sicherungsverwahrung zu prüfen. Die Voraussetzungen des § 106 Abs. 3 Satz 2 und 3 JGG liegen hier vor. Der Angeklagte ist wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren und wegen besonders schwere Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Vorverurteilungen sind nicht erforderlich. Auch § 106 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 JGG begründet ein solches Erfordernis nicht. Die Regelung stellt nur für den Fall, dass es nach den allgemeinen Vorschriften auf solche Vorverurteilungen ankommt, besondere Anforderungen an diese. Daher ist die vorbehaltene Sicherungsverwahrung auch bei erstmals verurteilten heranwachsenden Mehrfachtätern anwendbar.