Keine Abmahnung wegen Verweigerung eines Personalgesprächs
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
In manchen Unternehmen herrschen eigentümliche Praktiken: Die Arbeitgeberin, Trägerin einer Altenpflegeeinrichtung, befand sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und wollte daher die Personalkosten senken. Bei einem (Gruppen-)Personalgespräch verweigerten die Pflegerinnen aber ihre Zustimmung zu der erbetenen Reduzierung des Weihnachtsgeldes. Daraufhin entschloss die Arbeitgeberin sich, es in Einzelgesprächen ein zweites Mal zu versuchen. Die Klägerin erschien zwar im Büro des Personalleiters, erklärte jedoch, nur zu einem gemeinsamen Gespräch in Anwesenheit der übrigen Mitarbeiterinnen bereit zu sein. Das lehnte die Arbeitgeberin ab und erteilte der Klägerin eine Abmahnung. Darin rügte sie das Verhalten der Klägerin und vertrat die Auffassung, dass im Wiederholungsfalle der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei.
Die Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte war jetzt beim BAG erfolgreich (Urt. vom 23.6.2009 - 2 AZR 606/08). Das Direktionsrecht des § 106 GewO umfasst nicht das Recht, den Arbeitnehmer ein weiteres Mal zu einem Personalgespräch mit dem Ziel einer Vertragsänderung zu bitten, wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot des Arbeitgebers bereits abgelehnt hat. Dementsprechend habe die Klägerin auch ihre Vertragspflichten nicht verletzt.
Man fragt sich, warum ein solcher Fall durch alle drei Instanzen getrieben wird. Dass ein Arbeitnehmer seine Vertragspflichten nicht verletzt, wenn er eine Vertragsänderung ablehnt, ist doch wohl selbstverständlich. Und dass dann auch die Weigerung, sich in einem individuellen Personalgespräch dem Druck des Personalchefs auszusetzen, nicht abmahnungsfähig ist, sollte ebenso klar sein.