Cannabismedizin – ein Wundermittel?
Gespeichert von Dr. Jörn Patzak am
Seit Inkrafttreten der 25. BtMÄndV am 18.5.2011 können Cannabiszubereitungen, die als Fertigarzneimittel zugelassen sind, als verschreibungsfähige Betäubungsmittel von Ärzten verordnet werden. Am 1.7.2011 wurde mit dem THC-haltigen Mundspray Sativex ein erstes Cannabisfertigarzneimittel in Deutschland zugelassen. Es wird als Zusatzbehandlung zur Verbesserung von Symptomen bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Spastik aufgrund einer Multiplen Sklerose angewendet.
An die Cannabismedizin sollten jedoch nicht zu hohe Erwartungen geknüpft werden. Cannabinoide sind nämlich laut Prof. Hans-Georg Kress, Präsident des Europäischen Dachverbands der Schmerzgesellschaften EFIC, keine Wundermittel, da sie keine guten Substanzen seien, um akute Schmerzen zu behandeln (Quelle: http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/23/0,3672,8353335,00.html). Cannabinoide eigneten sich nur zur Behandlung bestimmter chronischer Schmerzerkrankungen, z.B. bei bestimmten Aids-Patienten.
Die Verschreibung von Cannabispräparaten ist dabei nicht neu. Bereits seit vielen Jahren ist Dronabinol als verschreibungsfähiges Betäubungsmittel eingestuft (Anl. III zum BtMG). In den USA ist Dronabinol seit 1986 unter dem Handelsnamen Marinol zugelassen. Probleme von Dronabinol sind die Verfügbarkeit und der hohe Preis. Marinol kann zurzeit nicht aus den USA importiert werden. In Deutschland kann Dronabinol zwar von Apothekern als Rezeptursubstanz von verschiedenen Firmen bezogen und zu Tropfen oder Hartgelatinekapseln verarbeitet werden. Die Kosten für 100 Kapseln zu je 2,5 mg liegen jedoch bei 256,45 Euro und werden von den Krankenkassen in der Regel nicht übernommen. Ein weiteres nach dem BtMG verschreibungsfähiges Cannabinoid ist Nabilon, das 1983 auch in Deutschland zugelassen, aber nie auf den Pharmamarkt gebracht wurde. Es ist zurzeit nur in Großbritannien verfügbar.
Was viele nicht wissen: Die 25. BtMÄndV führt insoweit zu einer leichteren Beschaffung von Cannabisfertigarzneimitteln im Ausland. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 BtMG dürfen in Anl. III bezeichnete Betäubungsmittel aufgrund ärztlicher Verschreibung im Inland wie im Ausland erworben werden. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 BtMG können diese Betäubungsmittel auch ein- und ausgeführt werden, soweit es sich um eine Menge handelt, die dem Reisebedarf dient. Damit mal wieder nicht genug: Soweit bei jeder legalen Einfuhr auch eine Einzelgenehmigung nach § 11 Abs. 1 BtMG erforderlich ist, sieht § 15 BtMAHV (Betäubungsmittel-Außenhandelsverordnung) wiederum eine Ausnahme vor, wenn es um ärztlich verschriebene Cannabisfertigarzneimittel geht, die in angemessenen Mengen für den eigenen Bedarf mitgeführt werden. Damit ich nicht falsch verstanden werde: das gilt nur für vom Arzt verschriebene Cannabisfertigarzneimittel und – selbstverständlich – nicht für Haschisch und Marihuana.
Aus staatsanwaltschaftlicher Sicht ist es spannend zu beobachten, ob Cannabisfertigarzneimittel wie Sativex auch in der illegalen Drogenszene ein Thema werden.
Noch eine Anmerkung am Rande: Es zeigen sich erste Probleme bei der Umsetzung der 25. BtMÄndV. Da Sativex das bislang einzige kühlpflichtige Betäubungsmittel ist, muss es in Kühlschränken in besonders gesicherten Räumen aufbewahrt werden. Den dafür erforderlichen Umbau scheuen aber viele Großhändler (Quelle: http://www.apotheke-adhoc.de/Nachrichten/Apothekenpraxis/16498.html).