Intransparente Vertragsgestaltung bei "provisionsabhängigem Fixum"
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Die Klägerin war für etwa vier Monate bei dem Beklagten als Telefonakquisiteurin beschäftigt. Sie arbeitete von zu Hause aus und konnte ihre Arbeitszeit von Montag bis Freitag frei einteilen. Im Arbeitsvertrag war vereinbart:
§ 4 Vergütung
Frau A. wird von der Firma B. für ihre Tätigkeit für diese ausschließlich auf Provisionsbasis vergütet.
Sie erhält jeweils pro Monat als Vorauszahlung zum Monatsanfang bis zum 10. des Monats ein Fixum von 750,00 Euro, welches verrechnet wird auf die gesamte monatliche Vergütung.
Frau A. erhält für ihre Tätigkeit pro Monat eine Provision in Höhe von 10% vom Netto-Ertrag ihrer Telefonie-Tätigkeit für die Firma B.
Die Monatsabrechnungen und Nachweise der erbrachten Erträge der Frau erfolgen seitens der Firma B. zum Monatsende.
Die Parteien streiten über die Zahlungsansprüche der Klägerin. Nach ihrer Auffassung kann sie für jeden (vollen) Monat ihrer Tätigkeit mindestens 750 Euro beanspruchen, unabhängig davon, wie viel Provision sie durch ihre Tätigkeit verdient hat. Der Beklagte verweist demgegenüber darauf, dass die 750 Euro lediglich als Vorschuss zu zahlen gewesen seien und die Klägerin sie nicht zu beanspruchen habe, soweit sie zu wenige Verträge vermittelt habe.
Das ArbG Nienburg hat der Klage (bis auf die geforderte Urlaubsabgeltung) stattgegeben und die auf teilweise Rückzahlung des bereits gezahlten Fixums gerichtete Widerklage abgewiesen. Die Berufung blieb beim LAG Niedersachsen ohne Erfolg (Urt. vom 05.06.2012 - 1 Sa 5/12, BeckRS 2012, 73006):
Der Arbeitsvertrag unterliege der AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Die getroffene Vergütungsregelung erweise sich als unklar und widersprüchlich (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Begriff „Fixum“ bezeichne einen monatlich feststehenden Betrag im Gegensatz zum Begriff Provision, der eine variable Vergütung kennzeichne. § 4 des geschlossenen Arbeitsvertrages erweise sich in der Verwendung des Wortes „Fixum“ in Kombination mit den Begriffen Provision, Vorauszahlung und Verrechnung als widersprüchlich. Ein monatlich feststehender Betrag als Mindestgehalt und eine voll ins Verdienen zu bringende Provision in Verrechnung einer Vorauszahlung stünden in einem unvereinbaren Widerspruch. Darin liege eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Da die Vertragsklausel teilbar sei ("blue-pencil-test"), lasse sich eine angemessene Vergütungsregelung durch Streichung des unwirksamen Teils aufrecht erhalten. Der Klägerin stünden daher die 750 Euro monatlich auch dann zu, wenn sie keine Provision in dieser Höhe erzielt habe.