BAG lockert die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Durch ein regelmäßiges, gleichförmiges und vorbehaltloses Verhalten des Arbeitgebers kann eine betriebliche Übung entstehen, die den Arbeitgeber auch für die Zukunft verpflichtet, die in der Vergangenheit gewährten Leistungen weiterhin zu erbringen.
Nach der bisherigen Rechtsprechung konnte ein gleichförmiges Verhalten des Arbeitgebers nur angenommen werden, wenn nach dem objektiven Empfängerhorizont der Eindruck entstehen konnte, der Arbeitgeber habe sich selbst eine Regel gesetzt und an diese auch gehalten. Daran fehlte es, wenn die Leistungsgewährung jeweils (objektiv erkennbar) auf einem neuen Willensentschluss des Arbeitgebers beruhte (BAG, Urt. vom 28.2.1996 - 10 AZR 516/95, NZA 1996, 758, 759). Gewährte der Arbeitgeber eine Leistung zwar regelmäßig, aber z.B. abhängig vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens im abgelaufenen Jahr in jeweils unterschiedlicher Höhe, fehlte es schon am objektiv geäußerten Verpflichtungswillen, die Leistung in gleicher Weise auch in der Zukunft zu gewähren (vgl. BAG, Urt. vom 16.4.1997 - 10 AZR 705/96, NZA 1998, 423, 423 f.). Ebenso wurde die Entstehung einer Betriebsübung verhindert, wenn die Maßnahme von Jahr zu Jahr neu unter dem Vorbehalt angekündigt wird, dass diese Regelung nur für das laufende Jahr gölte (BAG, Urt. vom 6.9.1994 - 9 AZR 672/92, NZA 1995, 418, 419).
Daran hält der Zehnte Senat des BAG jetzt nicht mehr fest und bestätigt zugleich seine Auffassung aus dem Urteil vom 13.11.2013 (10 AZR 848/12, NZA 2014, 368), dass ein Arbeitnehmer auch dann (zeitanteilig) Anspruch auf die Sonderleistung habe, wenn er vor deren Fälligkeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide:
1. Hat der Arbeitgeber über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg vorbehaltlos jeweils zum Jahresende eine als "Sonderzahlung" bezeichnete Leistung in unterschiedlicher Höhe an einen Arbeitnehmer erbracht, darf der Arbeitnehmer daraus auf ein verbindliches Angebot i.S. von § 145 BGB auf Leistung einer jährlichen Sonderzahlung schließen, deren Höhe der Arbeitgeber einseitig nach billigem Ermessen festsetzt.
2. Soweit der Senat - im Kontext einer betrieblichen Übung - in der Entscheidung vom 28. Februar 1996 (- 10 AZR 516/95 -) vertreten hat, bei der Leistung einer Zuwendung in jährlich individuell unterschiedlicher Höhe fehle es bereits an einer regelmäßigen gleichförmigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen und es komme darin lediglich der Wille des Arbeitgebers zum Ausdruck, in jedem Jahr neu "nach Gutdünken" über die Zuwendung zu entscheiden, hält der Senat daran nicht fest.
3. Eine Sonderzahlung, die (auch) Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, kann nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt innerhalb oder außerhalb des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Bei unterjährigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ergibt sich zum Fälligkeitszeitpunkt ein zeitanteiliger Anspruch auf die Sonderzahlung.
BAG, Urt. vom 13.5.2015 - 10 AZR 266/14, BeckRS 2015, 70359