Bundesteilhabegesetz: Neue Hürde für die Kündigung schwerbehinderter Menschen
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
In der vergangenen Woche hat der Deutsche Bundestag das Bundesteilhabegesetz verabschiedet. Stimmt der Bundesrat erwartungsgemäß zu, tritt das Gesetz am 1.1.2017 in Kraft. Es enthält zahlreiche Änderungen des SGB IX, vornehmlich im Bereich des Sozialrechts. Für das Arbeitsrecht von Interesse ist eine Änderung, die erst im Verlaufe der Beratungen infolge der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (BT-Drucks. 18/10523, S. 15 unter nn) in das Gesetzespaket Eingang gefunden hat:
Nach § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX n.F. ist eine Kündigung, die ein Arbeitgeber ohne vorherige Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausspricht, unwirksam.
Damit erweitert das Gesetz den bisherigen § 95 SGB IX um eine individualrechtliche Sanktion. Schon bisher musste der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend unterrichten und vor einer Entscheidung anhören; er hatte ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung stellte zwar eine (selten verfolgte) Ordnungswidrigkeit dar, blieb individualrechtlich jedoch ohne Sanktion. Dies ändert sich nunmehr. Für die Wirksamkeit der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ist daher künftig
- neben der Zustimmung des Integrationsamtes (bisher § 85 SGB IX, künftig § 168 SGB IX)
- und der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats (§ 102 BetrVG)
- auch die ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (§ 178 Abs. 2 SGB IX n.F.) erforderlich.
- Einen Kündigungsgrund, der im Anwendungsbereich des KSchG die Kündigung sozial zu rechtfertigen vermag (§ 1 Abs. 2 KSchG), braucht man natürlich auch noch.
Als problematisch dürfte sich für die Praxis vor allem erweisen, dass das Verfahren zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vom Gesetz nur rudimentär ausgestaltet ist. § 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX mag man entnehmen, dass die Schwerbehindertenvertretung sieben Tage Zeit hat, sich zu äußern. Ob sich diese Frist aber z.B. (wie nach § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG) auf drei Tage verkürzt, wenn der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung auszusprechen beabsichtigt, ist unklar.