Videoüberwachung öffentlicher Straßen zur Durchsetzung von Dieselfahrverboten?
Gespeichert von Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker am
Dennis-Kenji Kipker/Michael Walkusz
Infolge der jüngsten Urteile für Dieselfahrverbote hat das BMVI mit seinem Entwurf eines neunten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (abrufbar unter: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/Gesetze-19/entwurf-neuntes-ge... (28.11.2018)), der im Kabinett beschlossen und bereits dem Bundesrat zugeleitet wurde, einen neuen Meilenstein zur Verfolgung und Sanktionierung von Verstößen gegen Dieselfahrverbote gesetzt. Mit diesem Gesetzesentwurf sollen Eingriffsgrundlagen zur großräumigen Video-Überwachung in den Diesel-Verbotszonen zur Verfolgung von ordnungswidrig handelnden Dieselfahrern geschaffen und umgesetzt werden.
Funktionsweise und Durchführung der Überwachung
Der Entwurf sieht vor, dass die Behörden zukünftig dazu ermächtigt werden sollen, in den Diesel-Verbotszonen eine flächendeckende Kamera-Überwachung einzurichten, um hiermit Diesel-Fahrverstöße aufzuspüren und entsprechende Ordnungsmaßnahmen zu verhängen. Die Weiterverarbeitung der Daten erfolgt automatisch: Ein Algorithmus, der die Kennzeichen der Kraftfahrzeuge erkennt, soll anhand der Kennnummer das Fahrzeugmodell, die für die Berechtigung zur Teilnahme am Verkehr in Gebieten mit Verkehrsbeschränkungen erforderlichen Merkmale des Fahrzeugs, das entstandene Bild, sowie den Ort und die Zeit der Teilnahme am Straßenverkehr speichern, sodass die Daten für weitere behördliche Maßnahmen weiterverarbeitet werden können. Die Nutzung der hierdurch erhobenen personenbezogenen Daten wird auf die Verfolgung und Sanktionierung der Ordnungswidrigkeit beschränkt. Nach Feststellung der Rechtswidrigkeit des Führens des Kraftfahrzeugs in der Dieselverbotszone sollen die Daten unverzüglich gelöscht werden.
Warum ein solches Vorgehen rechtswidrig ist
Eine Überwachung und Datenspeicherung in dieser Form ist für den genannten Zweck unverhältnismäßig, wenn nicht sogar verfassungswidrig. Nicht nur, dass bereits offenkundig die Verhältnismäßigkeit der Videoüberwachung angezweifelt werden kann, wenn diese lediglich auf die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten angelegt ist. Hinzu tritt, dass die städtischen Ballungszentren eine zunehmende Ausdehnung erfahren - auch unter anderem in Anbetracht des Urteils des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, das die Fahrverbote auf Autobahnen erweitert. Dies würde, legitimiert durch das Ordnungswidrigkeitenrecht, eine noch weiter als ohnehin schon zunehmende Videoüberwachung des öffentlichen Raums zur Folge haben, und das nicht nur zur Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung, die noch ein geeignetes legitimes öffentliches Interesse abbilden können, sondern vielmehr immer stärker im Sinne einer „Gesinnungsüberwachung“. Diese Entwicklung kann nicht hingenommen werden. Nicht auszuschließen ist ferner, dass wie für nahezu alle Fälle der Videoüberwachung auch Unbeteiligte erfasst werden, wie Motorradfahrer, Radfahrer oder Passanten. Die damit verbundene Totalerfassung des öffentlichen Raumes beschränkt nicht nur die informationelle Selbstbestimmung in unzulässiger Weise, sondern auch die allgemeine Handlungsfreiheit, indem ein freies, unbeobachtetes Agieren im öffentlichen Raum immer weiter eingeengt wird. Nicht zuletzt stellt sich die übliche Frage, wie mit den einmal erhobenen Daten weiter verfahren wird. Im Entwurf ist zwar vorgesehen, dass die erhobenen Daten ausschließlich zur Erkennung und Verfolgung von ordnungswidrig handelnden Diesel-Fahrern genutzt werden, allerdings dürfte gemeinhin hinreichend bekannt sein, dass wenn einmal Datenbestände gespeichert sind, auch die Begehrlichkeiten geweckt werden, diese zukünftig zu weiteren und gesetzlich neu bestimmten Zwecken einzusetzen – der nächste Schritt zur Erstellung von Bewegungsprofilen, basierend auf innerstädtischen Videoaufzeichnungen, ist da nicht mehr weit. Nicht zuletzt muss zusätzlich noch Folgendes festgestellt werden: Wenn schon zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten keine flächendeckende Videoüberwachung eingeführt wird, so kann diese erst recht nicht die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten rechtfertigen.
Fazit
Mit seinem neuen Entwurf zur Durchführung und Überwachung von Dieselfahrverboten überschreitet das BMVI deutlich die Grenzen der Recht- und Verhältnismäßigkeit. Eine umfassende räumliche Überwachung öffentlicher Straßen und Verkehrswege greift schwerwiegend in die Privatsphäre der Bürger ein, indem jeder zum potenziellen Überwachungsziel werden kann. Zudem wird man kaum die Ahndung einer bloßen Ordnungswidrigkeit als hinreichendes legitimes Interesse heranziehen können, um öffentliche Verkehrswege in den Städten umfassend videotechnisch zu überwachen. Und über die Umsetzungskosten wurde bisher auch noch kein Wort verloren.