Sieben Zeichen für einen Kompromiss - § 219a StGB
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Seit Monaten streiten die Fraktionen des Bundestags um eine Reform des § 219a StGB. Im März hat mein Expertenkollege von Heintschel-Heinegg das Thema hier im Blog zur Diskussion gestellt. Nachdem Ärzte und Ärztinnen nur deshalb mit Strafverfolgung belastet wurden, die auf ihrer Website darüber informiert hatten, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, wurde der Ruf nach Streichung des Tatbestands laut. Dagegen haben insbesondere die Unionsparteien Stellung genommen. Sie befürchten, dass dann künftig straflos für den nach wie vor im Grundsatz strafbaren Abbruch einer Schwangerschaft regelrecht gewerblich „geworben“ werden könnte. Als die große Koalition gebildet wurde, hat die SPD ihren Gesetzesvorschlag, den § 219a StGB zu streichen, wieder zurückgezogen, um mit der Union einen Kompromiss auszuhandeln.
Aber offenbar wurden Kompromissvorschläge bislang jeweils von der Union (oder der SPD?) abgelehnt. Da möglicherweise jenseits der Koalition eine Mehrheit für die Abschaffung des § 219a StGB existiert, droht nun eine Koalitionskrise (Vgl. Bericht der Taz vom 10.12.2018 und Bericht auf Zeit-Online vom Oktober).
Es wäre ein sehr einfacher Kompromiss möglich, der es einerseits künftig auch Ärzten erlaubt, darüber zu informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, andererseits eine werbemäßige Anpreisung weiterhin unter Strafe stellt. In dem Text des § 219a Abs. 2 (siehe unten) müssten nur sechs Buchstaben und ein Leerzeichen gestrichen werden, so dass es dort statt „darüber unterrichtet werden“ hieße: „darüber unterrichten“.
Ein Kollege hat mir allerdings schon auf Twitter geantwortet, dieser Vorschlag sei bereits diskutiert und abgelehnt worden. Ich habe aber bislang eine solche Diskussion nicht gefunden, vielleicht können mir die Blogleser helfen und mir ggf. die Argumente, die gegen eine solche Lösung sprechen, nennen.
§ 219a Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft
(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise
1.
eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder
2.
Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung
anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Absatz 1 Nr. 1 gilt nicht, wenn Ärzte oder auf Grund Gesetzes anerkannte Beratungsstellen darüber unterrichtet werden, welche Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen bereit sind, einen Schwangerschaftsabbruch unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 bis 3 vorzunehmen.
(3) Absatz 1 Nr. 2 gilt nicht, wenn die Tat gegenüber Ärzten oder Personen, die zum Handel mit den in Absatz 1 Nr. 2 erwähnten Mitteln oder Gegenständen befugt sind, oder durch eine Veröffentlichung in ärztlichen oder pharmazeutischen Fachblättern begangen wird.
Update 12.12.2018: Wie der Deutschlandfunk auf Twitter meldet, sind "Eckpunkte" eines Kompromisses vorformuliert, der im Ergebnis meinem Vorschlag nahekommt (??), auch wenn er wohl gesetzestechnisch nicht auf diese einfache Weise umgesetzt werden wird. Im Papier heißt es zu der hier behandelten Strafbarkeit der Ärzte:
"Wir werden rechtlich ausformulieren, dass und wie Ärztinnen und Ärzte sowei Krankenhäuser über die Tatsache informieren können, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen..."