Sieben Zeichen für einen Kompromiss - § 219a StGB

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 10.12.2018
Rechtsgebiete: StrafrechtKriminologieMaterielles Strafrecht30|17484 Aufrufe

Seit Monaten streiten die Fraktionen des Bundestags um eine Reform des § 219a StGB. Im März hat mein Expertenkollege von Heintschel-Heinegg das Thema hier im Blog zur Diskussion gestellt. Nachdem Ärzte und Ärztinnen nur deshalb mit Strafverfolgung belastet wurden, die auf ihrer Website darüber informiert hatten, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, wurde der Ruf nach Streichung des Tatbestands laut. Dagegen haben insbesondere die Unionsparteien Stellung genommen. Sie befürchten, dass dann künftig straflos für den nach wie vor im Grundsatz strafbaren Abbruch einer Schwangerschaft regelrecht gewerblich „geworben“ werden könnte.  Als die große Koalition gebildet wurde, hat die SPD ihren Gesetzesvorschlag, den § 219a StGB zu streichen, wieder zurückgezogen, um mit der Union einen Kompromiss auszuhandeln.

Aber offenbar wurden Kompromissvorschläge bislang jeweils von der Union (oder der SPD?) abgelehnt. Da möglicherweise jenseits der Koalition eine Mehrheit für die Abschaffung des § 219a StGB existiert, droht nun eine Koalitionskrise (Vgl. Bericht der Taz vom 10.12.2018 und Bericht auf Zeit-Online vom Oktober).

Es wäre ein sehr einfacher Kompromiss möglich, der es einerseits künftig auch Ärzten erlaubt, darüber zu informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, andererseits eine werbemäßige Anpreisung weiterhin unter Strafe stellt. In dem Text des § 219a Abs. 2 (siehe unten) müssten nur sechs Buchstaben und ein Leerzeichen gestrichen werden, so dass es dort statt „darüber unterrichtet werden“ hieße: „darüber unterrichten“.

Ein Kollege hat mir allerdings schon auf Twitter geantwortet, dieser Vorschlag sei bereits diskutiert und abgelehnt worden. Ich habe aber bislang eine solche Diskussion nicht gefunden, vielleicht können mir die Blogleser helfen und mir ggf. die Argumente, die gegen eine solche Lösung sprechen, nennen.

§ 219a Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft

(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise

1.

eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder

2.

Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung

anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Absatz 1 Nr. 1 gilt nicht, wenn Ärzte oder auf Grund Gesetzes anerkannte Beratungsstellen darüber unterrichtet werden, welche Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen bereit sind, einen Schwangerschaftsabbruch unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 bis 3 vorzunehmen.

(3) Absatz 1 Nr. 2 gilt nicht, wenn die Tat gegenüber Ärzten oder Personen, die zum Handel mit den in Absatz 1 Nr. 2 erwähnten Mitteln oder Gegenständen befugt sind, oder durch eine Veröffentlichung in ärztlichen oder pharmazeutischen Fachblättern begangen wird.

Update 12.12.2018: Wie der Deutschlandfunk auf Twitter meldet, sind "Eckpunkte" eines Kompromisses vorformuliert, der im Ergebnis meinem Vorschlag nahekommt (??), auch wenn er wohl gesetzestechnisch nicht auf diese einfache Weise umgesetzt werden wird. Im Papier heißt es zu der hier behandelten Strafbarkeit der Ärzte:

"Wir werden rechtlich ausformulieren, dass und wie Ärztinnen und Ärzte sowei Krankenhäuser über die Tatsache informieren können, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen..."

 

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30 Kommentare

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Hier ist ja die Diskussion über diesen Kompromissvorschlag noch nicht in Gang gekommen, aber die gegensätzlichen Reaktionen auf Twitter ("mit religiösen Fanatikern kann man keine Kompromisse machen" einerseits und "Wollen Sie etwa zulassen, dass abtreibende Ärzte auf ihren eigenen Websites  Abtreibung in "normalen" Kontexten als gewöhnliche Dienstleistung darstellen?") zeigen mir, dass ich mit dem Vorschlag ziemlich in der Mitte liege.

Laut LTO 12.3.2018: "SPD-Fraktionsvize Eva Högl hatte betont, dass ..............: "Uns ist
wichtig, dass wir am Ende eine Lösung haben, die es Ärztinnen und Ärzten ermöglicht,
objektiv über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren, nicht mehr und nicht weniger." -
Zitat Ende. Wenn das so sei, ist völlig unverständlich, warum dann mit dem SPD-Entwurf
gleich, glatt und total der ganze § 219 a StGB aufgehoben werden sollte. Mit dieser
Zielrichtung würde nämlich präzise, trennscharf und zielführend zu regeln sein: in § 219 a
StGB nach "seines Vermögensvorteils wegen" einen Zusatz einfügen: "- nicht jedoch
approbierte Ärzte -", oder eine ähnliche in § 219 a StGB einzubauende, ggf. in einem
separaten Satz auszudrückende entsprechende Formulierung. Wenn "die" SPD-Fraktion
gleichwohl einen nach behaupteter öffentlich deklarierter Zielsetzung maßlos weit darüber
hinausgehenden Entwurf vorgelegt hat , so offenbart dies. a) entweder grenzenlose juristische
Inkompetenz und Dummheit b) oder das taktische Spielchen, einfach mal den
Koalitionspartnern "einen auf die Fresse" zu geben, um Macht zu zeigen c) und/oder so
zugleich in aa) eigener Partei-Reihe bb) und/oder in Öffentlichkeit zu "punkten" d) oder es
werden versteckt und verdeckt ganz andere, ideologisch weitergehende Ziele verfolgt. -

Frau Hänel hat zwischenzeitlich verlautbart, es ginge ihr nicht um ärztliche Interessen, sondern nur um die der Information suchenden Frauen. Sollte das ehrlich gesagt gewesen sein, so wäre das von Herrn Prof. Müller berichtete Konzept defizitär. Von Interesse der Ärzte her gesehen soll es ja laut FrauHänel (vormals) nicht getragen sein. Von derWarte der Frauen aus - sollen die sich durch eine Vielzahl von Praxisseiten  durchklicken, um irgendwo zu finden, wer eigene Bereitschaft dartut? Sinnvoll und zweckentsprechend ist eigentlich präzise hierzu der Vorschlag des Ärztekammerpräsidenten Montgomery: öfentlichstaatlch, am besten buneesweit,eine im Internet eingestellte Liste mit Namn und Kontakthinweisen ( Adressen, Telephon), wer zur Leistungserbringung bereit ist. ( Eingetragen wrd nur, wer  - Datenschutz, Persönlichkeitsschutz -  sich dazu bereiterklärt, genannt zu werden. Damit würde zugleich das in der Debatte genannte Problem bereingt, dass lokal schwer jemand zu finden sei. Oder auch, dass gerade Interesse an  ärztlicher Behandlung "weiter weg" bestehe. Dies steht nur länderbasierten Verzeichnissen entgegen. Diese sind insoweit defizitär, als sie Kunde suchenden Frauen nur im Lande, nicht aber jenseits der ggf. naheliegenden Landesgrenze im Nachbarbundesland geben. 

Bei der politischen Debatte wird sorgsam zu betrachten sein, wer lügt zu den in Wahrheit verfolgten Interessen und wer ehrlich vorträgt. Frau Dr. Högl klingt wie eingangs zitiert, so , als wäre sie Ärztefunktionärin von Abtreibungswerbewilligen. 

Was Frau Hänel jünst in diesen Tagen vernehmen  lässt, erstaunt doch sehr. Due Kirche hat die "Spätbeseelungslehre" aus dem Mittelalter vor Jahrzehnten überwunden - und jetzt taucht sie im neuen Gewande putzigerweise wieder auf. Systematischer Einbindung ihres Weistums lässt sie auch insoweit vermissen, als genmanipulierte Embryonen dann ja wohl auch der "Menschenwürde" entbehren müssten - Hirn haben sie noch nicht ausgebildet, und Empfinden auch nicht. Genmanipulation mit Genschere vor Befruchtung hätte dann schon und erst recht gar nichts mehr mit Menschenwürde zu tun. Dass bei einer solchen Ärztin Hänel dem Tode sich nähernde Menschen auch nicht mehr recht Behandlung wegen und mit "Würde" erwarten dürften, wäre weitere Konsequenz. Wenn nur akut wirkendes Hirn und Empfinden "geborener" Menschen   relevant sein sollten, dann wäre auch schwerlich zu erkennen, warum dann Besorgnisse entfaltet werden für genetisch bedingte Auswirkungen in weiterer Stammfolge zu noch längst nicht gezeugten zukünftigen Generationen. 

Sehr geehrter Herr Professor Müller, Sie legen einen recht guten  Vorschlag vor. Ich würde ihn ergänzen dadurch, dass der Staat auf Bundesebene solch ein Verzeichnis aktualisiert veröffentlicht. Wenn es denn wahrheitsgemäß auf die Informationsinteressen der suchenden Frauen ankommt, so ist dem vollumfänglich gedient.

Wem das nicht génug ( wofür?) ist, möge dann bitte sagen, was mehr er denn begehren will. Auf den madizinisch-naturwissenschftlichen  Vorgag bezigene , in solchem Sinne "schbezigene", Informationen stehe nuetral bereits üppig zr Verfügung. An Stelle von proFamilie wäre ich beleidigt, mir sagen zu lassen, das wäre nicht sachbezogen. 

Ab der ersten Kontaktaufnahme steht jeder Frau ja gerade der ausgewählte Arzt bereit. Sie mag ihn ragenwas sie zu wissen begehrt, er wrd (hffentlich) antworten und informieren. Das persönliche Arztgespräch ist doch durch nichts zu ersetzen - momentane Debatten erwecken den Eindruck, als wollten gewisse Debattenteilnehmer das Arztgespräch gar nicht. Sobald der rzt angegangen ist, sei es auch telephonischoder per mail, so hindert ihn nichts, auf Fragen zu antworten - bis hin zu den Fragen nach stationärem Verbleib, Bargeld mitbringen usw. Denn das - ja höchstpersönliche - Arzt-Patientengespräch wird in nichts durch den bestehenden § 219 a StGB beeinträchtigt oder gar verboten. Von mir jedenfalls wird man nicht die -ehrenrührige - Unterstellung hören, zum Eingriff bereite Ärzte täten das fließbandmäßig, und/oder hätten zu dem rechtlich wie auch berufstethisch gebotenen Patientengespräch keine Zeit oder keine Bereitschaft. Meinen die Befürworter einer Totalabschaffung des § 219a StGB etwa derartiges? Und wenn ja - wollten sie das billigen  oder gar fördern?

 

 

Sehr geehrter Herr Peus,

mein Vorschlag bezieht sich auf das Strafrecht. Öffentliche Internetverzeichnisse  können jederzeit zusätzlich ins Netz gestellt werden. Aber das hat rein gar nichts mit dem Strafrecht zu tun. Im Strafrecht geht es nicht darum, was man sinnvollerweise machen kann oder tun sollte, sondern ob ein bestimmtes Verhalten strafwürdig ist bzw. ob es ein wichtiges Rechtsgut verletzt (ultima ratio - Funktion). Und ich meine, dass die bloße Information von Ärzten auf der Praxiswebsite, dass sie legal Schwangerschaftsabbrüche durchführen, kein strafwürdiges Verhalten darstellt, ganz unabhängig davon, ob es diese Information auch woanders gibt. Die ganze Debatte ist doch nicht durch besonders sittenwidriges verächtliches Verhalten ausgelöst worden, sondern dadurch, dass sich ein Einzelner dazu berufen sah, Ärzte, die solche Informationen im Netz bereitgestellt haben, reihenweise anzuzeigen. Man merkte ja förmlich bei einigen Strafverfolgungsbehörden und Gerichten, dass sie die dem Gesetzeswortlaut entsprechende Kriminalisierung der betr. Ärzte auch nicht für sinnvoll hielten.

Der Kompromiss muss übrigens nicht zwischen Frau Hänel und anderen geschlossen werden, sondern zwischen den Koalitionsfraktionen.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Herr Professor Müller, daher habe ich Ihrem Voschlag ja auch zugestimmt. Freilich ergänzt um die bundestaatlich-behördliche Personeninformtion. Das war ein Thema in mir beknntgewordener Debatte. Es wäre mir neu, dass der Bundestag außerstande wäre, bei einer komplexen Sachmaterie etwa in einem Artikelgesetz auch Regelungen zu formal außerstrafrechtlichen Gesetzen anzuordnen bzw. ggf. neue Gesetze zu impementieren. Ihr Vorschlag ist jedenfalls hinnehmbar. 

Absatz 1 Nr. 1 gilt nicht, wenn Ärzte oder auf Grund Gesetzes anerkannte Beratungsstellen darüber unterrichtet werden, welche Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen bereit sind, einen Schwangerschaftsabbruch unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 bis 3 vorzunehmen.

Ich verstehe den Vorschlag nicht so richtig. Soll der Vorschlag bedeuten, dass Ärzte etc. damit Abtreibungskliniken (incl. sich selbst) benennen und bewerben dürfen? Für Abtreibungsgegner dürfte ein solcher "Kompromiss" kaum gangbar sein...

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Sehr geehrter Gast,

warum "kaum gangbar"? Das Gesetz unterscheidet zwischen den in Absatz 1 genutzten Begriffen ("seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise anbieten, ankündigen, anpreisen") und in Absatz 2 "unterrichten". Nur letzteres soll nach dem vorgeschlagenen Kompromiss nicht nur über den Umweg "Beratungsstellen" erlaubt sein, sondern auch den Ärzten unmittelbar.

Die bloße Information darüber, dass ein Arzt Schwangerschaftsabbrüche (legal) durchführt ("unterrichten") ist - wohl nach überwiegender Ansicht der Strafrechtswissenschaft - nicht strafwürdig. Das werberische Anpreisen verbietet den Ärzten ohnehin das Standesrecht, würde aber auch vom Begriff "unterrichten" nicht mehr erfasst, bliebe also weiterhin nach Absatz 1 strafbar.

Wenn Sie meinen, jegliche Änderung (selbst diese minimale) sei für Abteibungsgegener nicht gangbar, dann sind diese wohl überhaupt nicht kompromissfähig. Im Übrigen denke ich, dass Ärzte keineswegs künftig verbreitet diese Information zur Verfügung stellen werden. Das hindert schon das (teilweise sehr aggressive) Auftreten einiger Abtreibungsgegner.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

 

 

 

Sehr geehrte Herren Professor Müller und "Gast",

Frau Dr. Barley appelliert mit gutem Grund und Recht , den "Rechtsstaat" hochzuhalten und besonders auch Gerichtsentscheidungen zu achten, zu beachten.  Dann ist eine Kategorisierung von Rechtsgenossen als "Abtreibungsgegner" eine seltsame Einordnung. Mit einigem Grund ist nämlich das BVerfG dann auch als "Abtrebungsgegner" zu qualifizieren, wie die Tenorsätze vom 28. Mai 1993 deutlich erkennen lassen. Ich erwähne wegen des "allgemeinen Bewusstseins" gerade im rechtsstaatlich-demokratischen Volk etwa Leitsatz 10. Des Verfassungsgerichts Ableitung aus dem Grundgesetz, insbesondere Art. 1 und 2 GG, scheint mir unüberholt. Denn eine Einschränkung des Schutzbereichs von "Menschenwürde" in der normativen Geltung von Art. 1 GG scheint mir seither nicht Platz gegriffen zu haben. Und die Natur, die Qualifikation des "menschlichen Lebens", die Zuordnung des zur Ausreifung befähigten Lebendigen spätestens ab Nidation zum Schutzgegegenstand des Art. 1 GG hat sich seit 1993 nicht verändert, die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse auch nicht, eher ist noch deutlicher geworden, dass eine irgendwie logisch überzeugende Zäsur zwischen Irrelevanz und Schutzwürdigkeit nicht besteht.  Die Kategorisierung einiger Kreise als "Abtreibungsgegner" würde logisch bedeuten, dass deren Kontrahenten denn also wohl "Abtreibungsbefürworter" wären. Diese wären dann wohl dem Rechtsstaat avers. 

Es geht um Abwägung, wie das BVerfG deutlich gezeigt hat. Konkret-individuell um Grundrechtsverfestigte Positionen von schwangerer Frau und dem in ihr in einer naturgegeben einzigartigen Symbiose existent gewordenen menschlichen Leben, das mit dem ihren nicht identisch ist. Im Studium sehr früh haben wir gelernt, und sollten dem im Rechtsstaat weiterhin verpflichtet sein, dass das menschliche Leben, jeder einzelne Mensch, ein absoluter Höchstwert ist. Seine Existenz als naturgegeben als erforderliche Basis für weitere Grundrechte willkürlich zu beenden, was man auch Tötung nennt - und diesen Begriff verwendet das BVerfG in jenem Urteil genau und ebenso und exakt und zutreffend für den Schwangerschaftsabbruch! - kann eine verfassungs und menschenrechtsorientierte und - verpflichtete Rechtsordnung nicht um wertungsmäßig minderrangiger Interessen willen hinnehmen oder gar rechtfertigen. 

Welche Wertungen pflegen wir generell in Bezug auf die Tötung menschlichen Lebens für richtig zu halten? Ich sehe da etwa und insbesondere:

1. Schutz des eigenen Lebens des Eingreifenden / Tötenden. Bzw. Drittschutz . Also Notwehr /Nothilfe. Von "Schuld" des "Angreifers" unabhängig. Der Embryo ist gewiss schuldlos. Allerdings setzt grundsätzlich Notwehr/Nothilfe eine "rechtswidrigen" Angrff voraus. Das liegt bei einem Embryo gewiss nicht vor. Dennoch erscheint - jedenfalls mir -  eine Wertung angemessen und auch menschenwürdebezogen-verfassungsmäßig akzeptabel, der Besonderheit der für die Frau intrakorporalen Symbiose dadurch Rechnung zu tragen, dass sie nicht verpflichtet wird, eigenen Lebensverlust hinzunehmen. Dadurch übrigens wird das menschliche Leben nicht verfassungswidrig schutzlos gestellt. Zum einen ist es äußerstenfalls der eigenen Entscheidung der Frau anheimgestellt, über die Alternative Tötung des Kindes / Schutz des eigenen Lebens zu befinden. Sie hat damit die Freiheit, gar das Recht, auch "rechtlich überobligationsmäßig" ( etwa schroffere, ggf. religiös induzierten Moralvorstellungen zu entsprechen, was wegen Art. 4 GG durchaus grundrechtsrelevant sein  kann) ihre eigene Existenz preiszugeben. Zum anderen ist jedem anderen Rechtssubjekt und Rechtsgenossen verwehrt, an ihrer Stelle etwa für die Tötung des Kindes zu befinden.

2. Schutz nachrangiger Interessen: Notwehr und Nothilfe werden eingeräumt auch zur Abwehr ( allerdings nur rechtswidriger ) Angriffe auf sonstige, wertungsmäßig unterhalb des Lebens und der Existenz rangierender Rechtsgüter. Mangels “Rechtswidrigkeit“ des „Angriffs“ – der nur in der biologischen Entwicklung der Leibesfrucht gesehen werden könnte – geht die geltende staatlich-rechtliche Rechtfertigung der Tötung des vorgeburtlichen menschlichen Lebens  bereits darüber hinaus. Rechtfertigung wird schon dann vorgesehen, wenn die Schwangerschaft abgebrochen wird, um die „Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.“ Das ist schon ein weites Feld. Darin steckt schon für die praktische Anwendung ein weiter Beurteilungsspielraum, namentlich was denn eine „schwerwiegende“ Beeinträchtigung sei, gar des „seelischen“ Gesundheitszustandes, und ob etwa Befindlichkeit nach der Niederkunft und im weiteren Leben hierfür von relevantem Belang sein sollen. Um so wichtiger ist hier, wenn denn schon niederrangigere Schutzgüter wertungsgleich dem Leben und seiner Existenz entgegengesetzt werden sollen, die Erforderlichkeitsklausel (nicht anders abzuwenden).

3. Vorsatz oder Fahrlässigkeit? Nun, bei Sachbeschädigung  differenziert das Strafrecht genau hiernach, bei Tötung hingegen nicht, nicht einmal dem Grunde nach bei Körperverletzung. . Außerdem – die Tötung des vorgeburtlichen menschlichen Lebens soll in casu ja vorsätzlich geschehen.

4. Differenzierung nach der Erfolgswahrscheinlichkeit. Das berührt sich mit den Fragen der Zurechnung und Kausalität, auch: zwischen bewusstem Risiko/bedingtem Vorsatz und Fahrlässigkeit. Direkter und sicherer als bei einem Schwangerschaftsabbruch wird Tötung menschlichen Lebens nicht herbeigeführt. Unendlich viel sicherer als die Tötung bei einem verabredeten Autorennen, zu dem der Gesetzgeber jüngst gar den Fall ohne (!!) Gefährdung von Leben oder auch nur Sachen ( vgl. arg e contr. zu Absatz 2 ) in § 315 d Abs. 1 StGB unter gezielte Strafandrohung zu stellen für richtig gehalten hat.

5. Und dennoch: Nicht alles „muss“ unter Strafe gestellt werden. Wenn aber schon fahrlässige Körperverletzung unter Strafe gestellt wird und um des Menschenlebens willen Autorennen ohne (!!) Gefahr – dann kann aus Gründen der unmittelbaren Rechtsgüterabwägung wohl kaum – meines Erachtens unmöglich – bei nicht wie oben dargelegt durch Rechtsgüterabwägung ermittelte Rechtfertigung von Strafe abgesehen werden.

Wenn der Gesetzgeber es dennoch tut mit der sog. „Beratungsregelung“ und in ihrem Rahmen, so überzeugen mich hierzu zwei Aspekte: a) Die Intimität der durch die Natur aufgegebenen Symbiose bis zur Geburt. b) Die vom BVerfG ebenso vorgenommene kriminal- oder, wenn man will, gesamtgesellschaftlich-politische Einschätzung: Das Gesamtkonzept soll realistische Chancen bieten, im Blick auf die „große Zahl“ ( also nicht Rechtsgüterabwägung im Einzelfall), die Tötung vorgeburtlichen menschlichen Lebens möglichst gering zu halten. Da kann man an Details viel debattieren, auch mehr oder weniger sachlich kritisieren (zB etwas polemisch: dass die zwölf Wochen doch wieder der mittelalterlichen Spätbeseelungslehre ähneln). Aber ich selbst und viele halten das Schutzkonzept des BVerfG für tauglich.

Übrigens hierzu: Auf einer Internetseite von Engagierten, die wohl von anderen Manchen als „radikale Lebensschützer“ bezeichnet werden, fand ich Wiedergabe und Verweis auf eine EU-basierte Statistik. Danach war die “Quote“ ( nach meiner Erinnerung bezogen auf Abtreibungen / Frauen im gebärfähigen Alter) für Deutschland im Vergleich zu einer großen Anzahl europäischer Länder recht gering ( also relativ wenige Schwangerschaftsabbrüche). Wieweit solche Statistik valide ist, kann ich nicht prüfen. Anwaltlicher Kunde liegt nahe, einem Gegner – wollte man ihn hier so sehen – erst einmal seine „eigene“ Argumentation und Darlegung vorzuhalten. Diese Statistik spricht also für einen „Erfolg“ der vom BVerfG akzeptierten Gesamtregelung. Das könnte die vom BVerfG , mittlerweile auch parteipolitisch, eingeforderte Erfolgskontrolle umsetzen.

Zu Frau Dr. Barleys Appell an Rechtsstaat und Treue zu Gerichtsentscheidungen gehört nun aber auch Leitsatz 10 vom 28. Mai 1993. Das „allgemeine Bewusstsein“ der grundsätzlichen Rechtswidrigkeit – auch von nicht unter Strafandrohung gestellten – Tötungen muss gehalten und, wenn notwendig, belebt werden. Letzteres scheint mindestens nach den Debatten der letzten Monate dringend geboten. Geradezu dem kontraproduktiv wäre es aber, die Tötung durch Schwangerschaftsabbruch positiv zu bewerben, gar wie eine landläufig banale medizinische Behandlung darzustellen. Dies sogar hat der Gesetzgeber ausdrücklich bedacht, und zwar im Jahre 1974  ( nach einem gewissen gedanklichen Schubs haben sogar „Strafrechtsprofessoren“ eines „Kriminalpolitischen Kreises“ erkannt, wie die Zählung einer Bundestagsdrucksache „7/1981“zu verstehen ist – da war kein Gesetzgeber im Jahre 1981 hierzu tätig! Interdisziplinäre Befassung hilft bisweilen.). Der Gesetzgeber hat das in mehreren Angängen der Rechtsänderung so belassen. Die allgemeine Herabwürdigung, der Gesetzgeber denke sich ja ohnehin stets nichts bei etwas, teile ich hierzu nicht . Warum irgendwer bei den Gesamt-Attacken gegen § 219 a StGB bisheriger Fassung die zweite Begehensvariante, nämlich Darstellung „in grob anstößiger Weise“, dermaßen gut findet, dass sie gleich auch straflos gestellt werden soll, leuchtet mir nicht ein. Eine hierzu spezifizierte Begründung finde ich auch in keiner (!!) „Begründung“ irgendeiner relevanten BT-Drucksache. Den Redner im Plenum des Deutschen Bundestages, er trete ein „für Information in grob anstößiger Weise“ ,  „möchte“ ich erst einmal hören. Gewiss auf Dauer protokollierungsreif, sodann zitatfähig ( „faktencheck“) und auf Dauer vorhaltefähig. Die Vollstreichung des § 219 a StGB würde übrigens ja auch Nichtärzten, etwa geweblichen Kliniken einschlägiger Art, Information "in grob anstößiger Weise" eröffnen. Etwas erstaunlich , was die politischen Kreise diverser einschlägiger Gesetzesanträge so alles an freier Marktwirtschaft kräftig befeuern möchten!

Zur ersten Variante , „seines Vermögensvorteils wegen“, sollte man meines Erachtens rechtssystematisch folgendes bedenken: Wir haben mehrere lebensbezogene Handlungsbereiche, die im geltenden Recht weitgehend gleichsam extra commercium  gestellt sind. Ich erwähne Beihilfe zur Selbsttötung, Organtransplantation und Organ-„Handel“, - hier geht es nicht einmal um, erst recht gar vorsätzliche, Tötung von menschlichem Leben, gar im Gegenteil! - , und Adoption (-svermittlung). Wer boshaft ist, könnte Erstaunen darüber äußern, welche politische Strömungen momentan plötzlich so sehr auf die marktwirtschaftliche, intra commercium, gewünschte „Berufsfreiheit“ und darin implizierte „Werbefreiheit“ von gewissen ärztlichen Leistungsanbietern Wert legt. Das lässt nicht erkennen, ob das wertungsmäßig abgeglichen ist mit einer allgemeinen bisweilen von eben dort so genannten liberalen Marktradikalität oder auch den Grenzen der Kommerzialisierung etwa bei Organhandel oder den weiter genannten Bereichen.

Akzeptiert man aber, dass etwa in genannten Bereichen Handlungen extra commercium gestellt werden, so kann es nicht wertungswidersprüchlich oder gar gegen Art. 12 GG verstoßend angesehen werden, wenn dies bei Schwangerschaftsabbruch/Tötung vorgeburtlichen menschlichen Lebens auch so geregelt wird. Erst recht dann nicht, wenn zwar die Tätigkeit als solche nicht extra commercium gestellt wird ( vielmehr regulär vergütet wird, was nach dem System zu einer rechtlichen Anerkennung und Behandlung der Tätigkeit als rechtmäßig führt ), aber die allgemein durchaus aus Art. 12 Abs.1 Satz 1 GG folgende Werbefreiheit auch von Freiberuflern eingeschränkt oder auch ausgeschlossen wird. Oder platter gesagt: Nimmt die Rechtsordnung nach dem System des BVerfG schon die Tötung und die Bezahlung der durchführenden Ärzte im gesetzlichen Rahmen ( immerhin ca. 100.000 Fälle pro Jahr) hin, so müssen die leistungsbereiten Ärzte auch nicht gerade noch  diejenigen sein, die „wegen Berufsfreiheit"  dafür werben dürfen. Eine verfassungsrechtliche Beanstandung ex iure medicorum scheitert daran, jedenfalls soweit sie über die Bereitschaftserklärung NUR zu gerechtfertigten Schwangerschaftsabbrüchen hinausgeht. Insoweit könnte eine auch aus verfassungsrechtlichen Gründen angezeigte, eventuell gebotene Einschränkung des Verbots der Variante 1 („seines Vermögensvorteils wegen“ in der bisher üblichen Auslegung die auch dem Werbebegriff der anwaltsgerichtlichen Rechtsprechung entspricht) sorgsam zu bedenken sein.

Tragfähiger und belangvoll erscheint mir die Zuordnung zum Eigenrecht der Frau. Wenn das Schutzkonzept, das das BVerfG für notwendig, aber auch angemessen hält, der Frau die faktische Letztentscheidung vorbehält, so muss sie in der Tat informiert sein. Wer nicht der Auffassung ist, Abbrüche fänden fließbandmäßig statt oder das sei gar wünschenswert oder auch nur akzeptabel, muss den Kern der letztintimen Informationsgewinnung im höchstpersönlichen Arzt-Patientin-Gespräch ansiedeln, mit dem, dem sich die Frau anvertraut, gleichsam „ausliefert“. Hat sie die Freiheit zur höchstpersönlichen Letztentscheidung, so kann systemgerecht und sinnvollerweise damit nur das Gespräch mit dem leistungsbereiten Arzt gemeint sein. Ein solcher muss gefunden werden. Dies ist der überzeugende Ansatz mancher Argumentationen. Denn die allgemeine „sachliche Information“ „zur Sache“ ist ohnehin etwa sogar im Internet durch beispielsweise proFamilia greifbar, die konkrete individuelle letztlich nur im persönlichen Gespräch. Es erstaunt etwas, dass gerade auch politische Kreise, die dem Sozialschutz Bedrängter sich besonders verpflichtet geben, gerade auch im Gesundheitssystem, ausgerechnet hier mit dem Verweis auf Internet und sonstige Globaldarstellungen, etwa durch Flyer und manches sonst,  in der Debatte und Argumentation das höchstpersönliche Arztgespräch quasi ausblenden. Übrigens – sobald das  Arzt-Patienten-Verhältnis konkret und individuell begründet ist – was auch per mail oder Telephon geschehen kann, sehe ich in § 219 a StGB keinerlei Verbot, dass nunmehr der Arzt auch mit den etwa elektronischen Hilfsmitteln der von der Patientin (!!) gewünschten der bewilligten Art informiert, auch „zur Sache“, bis zu Bargeld. Selbst nicht in der Phase der Anbahnung, vorvertragliches Verhältnisde Prüfung eines Vertragsabschkusses, also auch dann nicht, wenn die Frau  sich "gegen" den konkret kontaktierten Arzt entscheidet.

Es bleibt also die schiere Information darüber, wer leistungsbereit ist. Prof. Müllers Vorschlag scheint mir vertretbar. Ganz sicher bin ich mir nicht dazu, ob damit das verfassungsrechtliche Bedenken dagegen sicher ausgeräumt ist, vgl. auch BR-DrS 7/1981, der Schwangerschaftsabbruch dürfe  nicht im allgemeinen Bewusstsein wie eine Allerweltsleistung des Arztes wirken. Das könnte drohen, wenn dieses Leistungsangebot in einer Art Katalog so einfach „mit drin“ angegeben würde. Dasselbe könnte aber auch drohen, wenn etwa staatlich, zB bundesweit , eine Adressliste von leistungsbereiten Ärzten veröffentlicht würde. Das wäre freilich ohnehin vorzuziehen, wenn man die in der Debatte vorgetragenen Schwierigkeiten von Frauen für wahr hält und dann ernst nimmt, es mache regional Probleme, überhaupt leistungsbereite Ärzte zu finden. Mehr noch: zur Freiheit der Frau gehört auch, Vorstellungen der Besorgnisse zu entfalten, im “näheren Umfeld“ einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen. So kann das Informationsinteresse auch nachvollziehbar , erst recht in Landesgrenzzonen , über das eigene Wohnsitzbundesland hinausgehen.

Mir scheint, auch die letzteren Erwägungen legen dringend nahe, jene andere vom BVerfG gestellte Aufgabe, vor der mit gerade Frau Dr. Barley Respekt und Befolgung rechtsstaatlich geboten ist, aufzugreifen: das “allgemeine Bewusstsein“ verfassungsgemäß zu beleben. Ist die Thematik der Information im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbruch ohnehin auf dem gesetzgeberischen Tablett vorgelegt, so passt es genau in die Aufgabe der „Information“, eben auch die Rechtsinformation zu verbessern und zu „beleben“. Ein schlichtes „Wir ändern nix“ ist da zu wenig. Ich möchte doch nicht hoffen, dass Frau Bundesjustizministerin Dr. Barley Rechtsstaat und Respekt vor Gerichtsentscheidungen nur nach politischer eigener Willkür und eigenem gusto verlangt, zu Leitsatz 10 des Urteils vom 28. Mai 1993 aber plötzlich nicht.  

 

Weil auch hier konkret der Begriff "Kompromiss" auftaucht - er wird verwendet im größeren Zusammenhang einer Debatte zur angemessenen "Demokratie" , und es sei bedenklich, so wird oft anderweitig pauschal gesagt , zu Kompromissen nicht bereit zu sein. Das sehe ich anders. Nur weil eine Seite eine Begehren erhebt, braucht man dazu nicht kompromissweise stets einen Teil zu bewilligen. Kleiner Test:

1. Mit Frau Dr. Barley historisch in einschlägige Zeit gehend: Der Arierparagraph muss - in Kirche und /oder Beamtenschaft - eingeführt und beachtet werden Ja? Nein?  

2. Mit Frau Dr. Barley erneut in einschlägige Zeit: Die Regierungs- und Staatsführungmuss ermächtgt werden, entgegen §§ 211, 212 StGB Ärzten die Befugnis zu verleihen, den Gnadentod zu geben. Ja? Nein?

3. Mit Frau Dr. Barley noch einmal in jene Zeit: Die Betriebsführung wie in Auschwitz ud Birkenau wird gemäß Handhabung Himmler und Heydrich gesetzlich anerkannt auch für die Zukunft. Ja? Nein?

4. Seitwärts von Frau Dr. Barley auch einmal in Hilde Benjamins "Rechts"-System blickend: Strafprozessführung wie in Waldheim um 1950 wird als Regelfall angeordnet. Art.102 GG wird aufgehoben. Ja? Nein?

5. Behauptungsweise heutzeitig begehrt, jedenfalls solches Begehren manchen behauptungsweise zugeschrieben:  Neuer Art. 4 Abs. 4 GG: Absätze 1 und 2 gelten nicht für den Islam. Ja? Nein?

6. Die allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkung in geschlossenen Ortschaften wird aufgehoben . ( Das war ca 1954 schon einmal so). Ja? Nein? Zwingt demokratietheoretisch das Begehren allein schon zu einem Kompromiss von mehr als 50 km/h?

Und  nunmehr alle Apostel der kompromisszwangsdefinierten "Demokratie" an die Front: Wenn denn stets Zwang zu Kompromissen - wie werden sie in diesen Fällen erwogen? Ist ein kompromissunwilliges Nein stets demokratiewidrig? Seltsam denn auch , was durchgängig mit Parlamentsanträgen der AfD und ähnlich permanent auch der Linken geschieht. Ist das alles demokratiewidrig? 

Sehr geehrter Herr Peus,

zu Ihrem ersten Kommentar (11:46 Uhr): Die Frage, ob Schwangerschaftsabbruch/Abtreibung rechtlich erlaubt werden soll oder (grds.) verboten bleiben soll, steht derzeit gar nicht zur Debatte. Im Übrigen handelt es sich bei der derzeitigen gesetzlichen Lösung offenkundig um einen Kompromiss zwischen den beiden in Deutschland stark vertretenen Linien. Was Viele (auch Sie) völlig unbeachtet lassen, ist die Funktion des Strafrechts in diesem Zusammenhang. Ich halte es - mit wohl der Mehrheit meiner Kollegen - für nicht strafwürdig, wenn Ärzte auf ihren Websites schlicht darüber informieren, dass sie Abbrüche durchführen. "Werbung" im anpreisenden Sinne ist ihnen ohnehin nach Standesrecht untersagt.  Ob Frauen eine solche Information benötigen oder sie woanders auch bekommen können, ist für die Frage des Strafrechts hier völlig irrelevant. Ob es den Ärzten tatsächlich wirtschaftlich nützt, wenn sie eine solche Info bereitstellen, erscheint mir ohnehin fraglich, denn möglicherweise werden Patientinnen einen Arzt/eine Ärztin ja meiden, wenn solche Leistungen (auch noch öffentlich) angeboten werden. Aber auch darum geht es nicht. Es geht allein darum, ob man hier per Strafrecht in die Freiheit des Arztes eingreifen muss oder sollte, über seine (legalen) Leistungen zu informieren. Wer bestraft, trägt die Argumentationslast, nicht wer das Strafrecht hier sinnvoll begrenzen will.

Zu ihrem zweiten Kommentar (12:37 Uhr):  Es wird von mir Kompromissfähigkeit innerhalb einer regierenden Koalition angemahnt zu einer Frage, in denen beide Parteien grundgesetzgemäße, aber miteinander unvereinbare Positionen vertreten. Dazu sind Ihre Beispiele eins bis fünf schlicht absurd. Im Fall sechs könnte, falls eine große Partei ein solches Begehren im Einklang mit ihren Wählern formuliert, eine Diskussion stattfinden und falls diese große Partei in einer Koalitionsregierung ist, könnte auch die Forderung nach einem Kompromiss entstehen (z.B. statt allg. Begrenzung abgestufte Geschwinidgkeitsbegrenzungen zw. 30 und 70 km/h innerhalb von Ortschaften, das ist ja faktisch jetzt auch schon fast so). Unsere derzeitige Regelung auf Autobahnen wird übrigens in den meisten Staaten der Welt als "absurd" angesehen.

Einen allgemeinen "Zwang" zum Kompromiss, sobald irgendjemand ein "Begehren" formuliert, habe jedenfalls ich mit meiner Forderung bzw. mit meiner Kritik nicht verbunden. Selbstverständlich darf es in einer Demokratie auch ein kompromissunwilliges "Nein" geben. In einer Demokratie darf man aber eben auch sagen und kritisieren: Die Union ist in dieser Frage kompromissunwillig bzw. -fähig, was in einer Koalitionsregierung ein Problem darstellen kann. Insbesondere könnte die Ablehnung eines Kompromisses mit der SPD sogar dazu führen, dass eine Bundestagsmehrheit den § 219a StGB völlig streicht, was sicherlich für die Union aus zweifachem Grund nicht wünschenswert wäre.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Lieber Prof. Müller,

zum Zweck und zur Bedeutung des § 219a StGB hat Thomas Fischer Lesenswertes geschrieben und die Abschaffungskampagne kommentiert:

https://www.zeit.de/gesellschaft/2017-12/schwangerschaftsabbruch-werbung-abtreibung-gesetzesaenderung/komplettansicht

http://www.spiegel.de/panorama/thomas-fischer-zu-karl-marx-219a-gewalt-a-1207274.html

Ich finde die Position von Fischer recht überzeugend, bin aber weder in die eine noch die andere Richtung besonders engagiert.

Geht man von Fischers Charakterisierung von § 219a StGB aus, dann stimmt bereits Ihre Prämisse nicht: Einleitend klingt es zumindest so ("Nachdem Ärzte und Ärztinnen nur deshalb mit Strafverfolgung belastet wurden, die auf ihrer Website darüber informiert hatten"), als wären Ärzte in den Strahl eines Straftatbestands geraten, der eigentlich für andere Fälle gedacht ist. Als ginge es um eine Streuungsunschärfe, die einfach durch eine bessere Fokussierung korrigiert werden könnte.
Wie man bei Fischer, aber auch bei andere Kommentatoren nachlesen kann (BeckOK StGB/Eschelbach StGB § 219a Einl.: "Zweck der Strafdrohung ist es zu verhindern, dass der Schwangerschaftsabbruch als kommerzialisierbare Dienstleistung dargestellt und von der Allgemeinheit als normales Verhalten eingeschätzt wird."), ist aber das Verhalten von Ärtzin Hänel und der einigen wenigen Ärzte, die in den letzten 25 Jahren nach § 219a StGB verurteilt wurden, genau dasjenige, um das es bei der Norm geht.

Ich kann deshalb, ebenso wie schon "Gast", nicht erkennen, daß es sich bei Ihrem Vorschlag überhaupt um einen Kompromiß handelt. Sie nehmen nicht die Streuung aus der Norm heraus, sondern den Kernschatten. Kann man natürlich machen, nur sollte man dann nicht von einem Kompromiß reden. Ich war zunächst, wie "Gast", verwirrt und habe mir gedacht, daß ich vielleicht etwas mißverstanden habe. Aber mit Ihrer Antwort an ihn sagen Sie es ja noch einmal deutlich: Sie wollen das Verbot des § 219a StGB beschränken auf das, was ohnehin schon standesrechtlich verboten ist. Dieser Vorschlag ist nun einmal keine "minimale" Änderung, sondern verändert den Schutzzweck der Norm im Kern, verwandelt sie quasi in einen neuen Tatbestand, der eher im Bereich des ärztlichen Standesrechts liegt als aus dem Schutzkonzept der §§ 218 ff. StGB ("rechtswidrig, aber nicht strafbar") entwickelt ist (nochmal: ich bin leidenschaftslos, was Änderungen in diesem Bereich betrifft; mir geht es hier nur um die Etikettierung).

Dies schlägt sich - nebenbei - auch darin nieder, daß die "Sieben-Zeichen-Lösung" ein Beispiel schlechter Gesetzgebungstechnik wäre: Die in Ihrem Absatz 2 (nun aktivisch statt passivisch) genannten Beratungsstellen, die von Absatz 1 Nr. 1 ausgenommen werden, unterfallen von vornherein nicht Absatz 1 Nr. 1, denn naturgemäß fehlt bei ihnen das subjektive Tatbestandsmerkmal "ihres Vermögensvorteils wegen". Die Regelung läuft insoweit also leer.

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Sehr geehrter Herr OG,

ich meine, mein Vorschlag ist sehr wohl ein Kompromiss, nämlich zwischen der Linie, den § 219a StGB abzuschaffen und damit alle in Absatz 1 genannten Verhaltensweisen straffrei zu stellen (so immerhin die Tendenz von drei Oppositionsfraktionen und wesentlicher Teile der SPD) und der Linie, den § 219a StGB so zu erhalten, wie er ist (Tendenz der Union). Herr Fischer und andere Kommentatoren stellen (sicherlich nicht falsch) den derzeitigen Zustand dar, nach dem die Ärztin zutreffend verurteilt wurde. Aber sie berücksichtigen unzureichend, dass es in der Diskussion um eine Veränderung geht, also um eine Frage de lege ferenda. Ob und inwieweit es derzeit noch der Meinung der Gesellschaft/der Bundestagsmehrheit entspricht, dass Ärzte wegen solcher Informationen zu bestrafen sind, ist doch gerade eine Frage, die mit dem Hinweis auf de lege lata-Kommentierungen nicht hinreichend beantwortet werden kann. Im Übrigen habe ich mit meiner Eingangssentenz keineswegs schon argumentieren wollen, sondern einfach den Anlass der derzeitigen Diskussion (neutral) zu schildern versucht. Ihre Argumentation mit "Kernschatten" und "Streuung" trifft mich daher nicht. Natürlich geht es um die Sache selbst, nicht um irgendwelche nichtssagenden Korrekturen. Gerade darum geht es doch auch in der Diskussion. Ich werfe den Koalitionsparteien auch nicht vor, es gehe um eine Nichtigkeit.

Natürlich verschiebt sich auch der Schutzzweck der Norm, wenn ein Teil des kriminalisierten Verhaltens entfallen soll. Merkwürdigerweise wird aber von Entkriminalisierungsbefürwortern regelmäßig verlangt, dass Schutzzwecke (komplett) erhalten bzw. weiterverfolgt werden. Mit meinem Vorschlag wollte ich denjenigen, die den Schutzzweck des § 219a StGB nicht völlig obsolet finden, eine Möglichkeit geben, den § 219a StGB zu erhalten, aber die m.E. fragliche Kriminalisierung von Ärzten (die v.a. auf Anzeigeerstattungen durch eine einzelne Person zurückgeht) künftig zu unterbinden.

Mein Kompromissvorschlag  geht deshalb dahin, die "Unterrichtung" über die Tatsache der (eigenen und fremden) Bereitschaft Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen,  auch Ärzten zu erlauben (obwohl sie Gebühren für den Abbruch verlangen). Dieses Ansinnen entspricht im Ergebnis offenbar (??)  auch den Verhandlern in der Koalition, siehe  verlinkte Meldung des Deutschlandfunks .

Die Gesetzgebungstechnik ist dabei nicht so schlecht wie Sie annehmen, denn mein Vorschlag rekurriert auf den schon vorhandenen Begriff "unterrichten", der sich eben abhebt von den Verhaltensweisen, die bisher nach Absatz 1 unter Strafe stehen. Ein anderer, aber ergebnisgleicher Kompromiss (wie er jetzt offenbar glücklicherweise doch gefunden wurde!) muss nun zwischen Information und Werbung differenzieren, also innerhalb des § 219a StGB oder durch Anhang (§ 219b ?) neue Begriffe einführen bzw. neu definieren. Aber gut, letztlich ist es mir nicht wichtig WIE der Kompromiss formuliert wird. Und letztlich würde ich gern von Ihnen einen Gesetzesvorschlag lesen, der den Kompromiss der Koalition umsetzt, ohne "schlechte Gesetzestechnik". Ist nämlich gar nicht so leicht, aber ich lasse mich gern überzeugen von einem besseren Vorschlag.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

20181212neu

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

zu12.12.2018 13:52 Uhr erster Tel: Ich bin mir nicht sicher, ob Sie genügend deutlich wahrgenommen haben, dass ich ja gerade Ihren Vorschlag für einigermaßen gangbar halte und insoweit mit Vorbehalt zustimme. Eine darauf spezifizierte Stellungnahme , dass solch ein Selbstangebot eigener Leistung im Sinne der Erwägungen aus BT-DrS 7/1981 und BVerfG eine - verfassungsrechtlich hinnehmbare? - Gefahr  der Einschätzung im "allgemeinen Bewusstsein" dahin verursachen  könnte,  es handle sich um eine "quasi ganz normale ärztliche Leistung", vermochte ich Ihren Darlegungen bisher nicht zu entnehmen.

Ich möchte vorsorglich einer etwaigen Gefahr vorbeugen, sich nur im intrapoenaljuristischen Bereich zu bewegen. Übrigens legt ja gerade das BVerfG nahe, das Strafrecht im allerdringendsten Zusammenhang mit unserer Verfassung zu sehen.  Das tun Sie insoweit ja auch, als Sie qua "Argumentationslast" den Ausspruch strafrechtlicher Drohung an das Verfassungsprinzip der Erforderlichkeit wie auch Verhältnismäßigkeit knüpfen. Dann bitte ich aber um Verständnis dafür, dass ich eine venia generalis academica loquendi et argumenta producendi in Anspruch nehme. Gerade auch wegen der verfassungsrechtlichen Bezüge, die das BVerfG hervorhebt, mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung, , ja geradezu Unterwerfung einfachen Rechts unter Verfassungsgebote ( vgl. BVerfG ), einschließlich Frau Dr. Barleys Appell, den Rechtsstaat zu wahren  als auch Leitsatz 10 des Spruchs des BVerfG vom 28. Mai 1993.  Insbesondere:

  1. Demokratietheoretisch: Den Abbruch als solchen zuzulassen steht nicht zur Debatte? Nur weil es momentan (noch?) keinen Gesetzesantrag dazu im Bundestag gibt? Das BVerfG begreift Presse- und Demonstrationsfreiheit als wesentliches Element der Demokratie. Folglich sind auch dortige Regungen wahrzunehmen. Ich verweise etwa auf Stokowski, Spiegel 28.11.2017 (Kombination eigener Pressefreiheit wie auch bildliche Darstellung von Demonstration); dieselbe Dame im Spiegel 27.2.2018: „Nun gibt es in Deutschland wieder eine Debatte um das Abtreibungsrecht, das immer noch beachtlich unzeitgemäß ist. Schwangerschaftsabbrüche sind rechtswidrig, aber unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Das allein ist absurd.“ Zitat Ende. Ich hielte es für auch demokratietheoretisch,  erst recht –praktisch verfehlt, außer Betracht zu lassen, was ausdrücklich thematisiert wird, etwa laut Welt 6. Dez. 2018 seitens Wortführern von Jusos: „Die Jusos wollen Schwangerschaftsabbrüche komplett legalisieren. Im Interview erklärt die Vize-Vorsitzende Katharina Andres, warum sie sich eine Änderung wünscht – …“. Was immer demokratietheoretisch und –praktisch ein „Themenpaper der  …“  (Bundestags-!!) „Fraktion“ der Linken  sei, im Internet ist dazu zu lesen: „Diese Situation ist für uns nicht ausreichend. Jede schwangere Frau sollte das Recht haben, allein und ohne staatliche Bevormundung oder Belehrungsversuche über sich und ihren Körper zu entscheiden.“
  • Wir wollen die ersatzlose Streichung des §218.
  • Wir wollen ebenso den §219 StGB abschaffen, in dem ein sogenanntes Werbeverbot festgeschrieben ist, bei dem es sich jedoch eigentlich um ein Informationsverbot handelt.“ Zitat Ende. Man sollte die Relevanz solcher Äußerung nicht deshalb unterschätzen, weil das exakte Zitat der Gesetzesvorschrift misslungen ist ( gemeint wohl § 219 a StGB. Sachbezogene Äußerungen von immerhin  KriK-Professoren wurden auch nicht etwa deswegen pauschal verworfen, weil zunächst aus einer Zählung einer BT-DrS 7/1981 die vierstellige Zahl als „Jahreszahl“ gedeutet wurde. ).
  1. Verfassungsrecht wird ausdrücklich in Argumentationen gerade zu § 219a StGB eingebracht, etwa TAZ 29. August 2018: „Deshalb ist auch das Ziel des Prozesses klar: „Freispruch“ fordert ihr Verteidiger Knuth Pfeiffer gleich zu Beginn. Der Paragraf 219a sei mehrfach verfassungswidrig: Er verletze die Grundrechte auf Berufs- und Informationsfreiheit, das Grundrecht des Patientinnenselbstbestimmungsrechts und das Gebot der Gleichberechtigung.“ Zitat Ende.
  2. Dann liegt nahe, sowohl verfassungsrechtlich systematisch vorzugehen, wie auch wertungsvergleichbare  (nicht notwendig gleichzuwertende ) auch strafrechtliche Regelungsgegenstände in Betracht zu ziehen. In Leitsatz 10 v 28.5.1993 hat das BVerfG sogar ausdrücklich eine Verbindung zwischen Schwangerschaftsabbruch und Information angeordnet. Dann wäre verfehlt, sich auf formal nur eine Information „über Abtreibung“ zu beziehen. Vielmehr steht zu erörtern, was es denn sei, über das und zu dem Information oder auch Werbung in Rede stehen, zugelassen sein soll oder eben nicht. Ein isoliertes , völlig argumentloses „Mehrheit der Kollegen (?? Welcher? Nur aus dem Strafrecht??) …“hält „nicht für strafwürdig“ ist mir wesentlich zu dünn. Allein schon ein bewertender Vergleich zu teilweise sogar jüngst erst geregelten Rechtsbereichen, in denen theoretisch durchaus wirtschaftsfähige Maßnahmen eben extra commercium gestellt werden, fehlt. Eine Position zu dem Hinweis, dass im Vergleich dazu der Eingriff in Art. 12 GG, nur sog. „Werbung“, also Eigendarstellung, zu verbieten, noch geringer sei, vermisse ich. Folglich auch dazu, ob überhaupt ex iure medicorum ein Verbot eigenanbietender Information unzulässig sei.
  3. Die in das Verfassungsrecht einbeziehende und hineinreichende systematische Betrachtung eben inklusive der  Einordnung nach der grundrechtlichen und grundgesetzlichen Bewertung des beworbenen Aktes wäre nicht einmal überflüssig, wenn nunmehr irgendeine Regelung gesetzgeberisch getroffen würde. Denn „beide Seiten“ nehmen für die eigene Position angeblichen Verfassungsverstoß je nach abweichender Regelung an, abgesehen davon, dass die in zwei Instanzen wegen Straftat verurteilte Ärztin – was ihr gutes Recht ist – alle weiteren Instanzen auszuschöpfen gedenkt nach Erklärung.
  4. Ferner ist der ausdrückliche Auftrag des BVerfG umzusetzen, das „allgemeine Bewusstsein“ geeignet wenigstens zu beleben.

 

Das alles trägt mE auch ein unverändertes Informationsverbot für die, die selbst die fragliche Leistung erbringen, äußerstenfalls mit Ausnahme auf eine strikt auf rechtmäßige Schwangerschaftsabbrüche beschränkten Bereitschaftsmitteilung.

Ein Verweis auf Standesrecht dürfte wenig geeignet sein, auf dem Rang eines verfassungsrechtlich geschützten Höchstwertes und seines Schutzes – gemäß BVerfG zwingend grundsätzlich als rechtswidrig anzusehen und sogar nur mit Kautelen der Strafbarkeit entzogen, ansonsten aus verfassungsrechtlichen Gründen strafbar! – dem Parlament entzogen über Rahmen zulässiger Information zu bestimmen. Was der auch allerjüngste Gesetzgeber als erforderlich für Lebensschutz auch im Vorfeldbereich angesehen hat, belegt  etwa § 315 d StGB. Überdies den bundes-, nämlich verfassungsrechtlich gebotenen Schutz dezentral regionalen Kammerrechten zu überantworten, ist schon wegen der Zuordnung zum Bundesrecht mehr als bedenklich. Sollte meine Auswertung zutreffen, dass Rechtspositionen ex iure medicorum bei Ausschluss von Mitteilung von Eigendargebot gar nicht relevant sind, so wären die Kammern erst recht nicht berufen.

Jedenfalls dann, wenn Frauen die durchaus notwendigen Informationen über Adressen Leistungsbereiter auch anderweitig erhalten können, so wäre das für die auch strafrechtliche Wertung der Strafwürdigkeit durchaus relevant. Hält man nämlich das Verbot für durchaus tauglich im Gesamtkonzept, auch Fehlvorstellungen über den Charakter einer mehr der minder Routinemaßnahme entgegenzuwirken, so wäre die verfassungsrechtliche Abwägung, ob ein solches Verbot auch unter Strafandrohung „verhältnismäßig“ wäre, durchaus von Interesse und mE keineswegs „völlig irrelevant“. Dies erst recht, wenn sogar das bei der Frau ansetzende Informationsinteresse durch punktuell zugelassene einzelne Selbstangabe des Leistungsbereiten äußerstenfalls höchst defizitär und bei Durchklicken höchstens punktuell befriedigt würde im Vergleich zu der u.a. von Montgomery vorgeschlagenen bundesweiten Veröffentlichung. So gesehen besteht dann erst recht kein Grund dagegen,  eigene Leistungsdarbietung wenigstens in Bezug auf öffentlche Eigendarstellung extra commercium zu stellen.

Was immer nun die Koalition nach ihren Eckpunkten konkretisiert vorschlagen wird – aus genannten Gründen bleibt eine umfassende wertende Einbindung mindestens in die von mir aufgeführten Aspekte von akutem Belang.

Wie stehen Sie zu der Aufgabe nach Leitsatz 10 des BVerfG vom 28. Mai 1993?

 

 

Sehr geehrter Herr Professor Müller, man könnte  Ihre Worte: "Ob und inwieweit es derzeit noch der Meinung der Gesellschaft/der Bundestagsmehrheit entspricht, dass Ärzte wegen solcher Informationen zu bestrafen sind, ist doch gerade eine Frage",12.12.,22:02Uhr, so verstehen, dass jene Meinung "der Gesellschaft" ( vgl. Leitsatz 10 des BVerfG vom 28.5.1993) oder auch irgendeiner "Mehrheit" im Bundestag mit den verfassungsrechtlichen Geboten zur grundsätzlichen Rechtswidrigkeit des Abbruchs als solchen nicht abgeglichen wäre.

Sehr geehrter Herr Peus, ein paar Anmerkungen noch: Es besteht innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen durchaus ein Spielraum, den der Gesetzgeber relativ frei bestimmen kann, siehe BVerfG  vom 26. Februar 2008 - 2 BvR 392/07 -, Rn. 38:

"Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, den Bereich strafbaren Handelns unter Berücksichtigung der jeweiligen Lage festzulegen. Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich darüber zu wachen, dass die Strafvorschrift materiell in Einklang mit den Bestimmungen der Verfassung steht und den ungeschriebenen Verfassungsgrundsätzen sowie Grundentscheidungen des Grundgesetzes entspricht (vgl. BVerfGE 27, 18 <30>; 80, 244 <255> m.w.N.; 90, 145 <173>; 96, 10 <25 f.>)." 

Selbst in der von Ihnen zitierten Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch hat das BVerfG ausgeführt, das Strafrecht soll nur als "ultima ratio" des Schutzes eingesetzt werden, nämlich wenn ein Verhalten über sein Verbotensein hinaus "in besonderer Weise sozialschädlich, für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich und seine Verhinderung daher besonders dringlich" ist. Der Leitsatz 10 ist deshalb gerade nicht als Aufforderung zu einer gerade strafrechtlichen Regelung wie § 219a StGB zu sehen.

 

Sehr geehrter Herr Professor Müller, Leitsatz 10 habe ich nicht als Aufforderung zu einer Regelung wie §219a StGB deklariert, sondern vor allem als anstehenden Appell, wenn schn über "nformation" geredetwird,denn schin - eben Rechtsonformation. Allerdings trüge einer Verbreiterung der Darstellungsmöglichkeit eine solcher Bekebung des allgemeinen Bewustsseins tendenziell  konträre Wirkung nach sich. Droht jedenfalls. - Dass Strafandrohung als schärfste Waffe der Missbiligung durch den Staat besonders hohen Zulässigkeitsanforderungen unterliegt, habe ich nicht bestritten. Aber zu "Grundentscheidungen" des Grundgesetzes und "inbesondererWeuse sozialschdlich"sollte, solange ernsthaft Rechtsstaat in Rede steht, die Tötung menschlichen Lebens ja doch immer noch gehören. Und selbst hierbe hat ja BVerfG 28.5.993 eben nicht die druchgängige Strafandrohung für erforderlich gehalten.Freilich doch so einiges abgewogen. Auch ich habe recht detailliert die bei vergleichender Betrachtung  die üblicherweise herangezogenen Umstände zur Strafbarkeit  ( Vorsatz/Fahrlässigkeit, Abwehr rechtswidrigen Angriffs, Sicherheit des Erfolgseintritts usw.) genannt und bewertet. Gerade auch, dass der Gesetzgeber, sogar der ganz moderne, geradezu eine Fülle von strafrechtlichem Schutz im Vorfeld des unmittelbaren Schutzguts und seiner direkten Beeinträchtigung anordnet. Beispiel § 315 d Abs. 1 StGB (ohne Gefährdung!!). Debatte um Erweiterung der Strafbarkeit für pädophile Kontaktufnahmen ( sogar für das gleichsam Delikt am untauglichen Subjekt - der Adressat ist investigativer Kriminalbeamter). Es ist selten,war hier aber doch so , dass das BVerfG 1993 hier ein Untermaßverbot ausspricht. Wegen des berührten Schutzgutes ist die Entscheidung 26.2.2008 durchus von Interesse - obwohl nicht einmal Tötung eines Menschen inRede stand, durchaus Strafbarkeitvom BVrfG nicht beanstandet. Vor allem aber gibt dort Tn 36 in der Tat Aufschluss: weiter Beurteilungsspielraum, falls der Gesetzgeber Strafbarkeitausspricht. Dies erst einmal spricht gegen Verfassungswidrigkeit des bisherigen§ 219 a StGB. Am ehesten noch wird von interessierter Seite auf BVerfG Beschluss 1 BvR 1060/02 vom 24.5.2006, dort besonders Rn. 36, verwiesen. "Der Kläger hat dem Beschwerdeführer keinen Anlass gegeben, aus der Gruppe der Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, gerade ihn herauszustellen und ihn gezielt bei Dritten anzuprangern. Ein solcher Anlass folgt hier nicht schon aus dem Umstand, dass der Kläger seine Bereitschaft zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen öffentlich hatte erkennen lassen. Wenn die Rechtsordnung Wege zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Ärzte eröffnet, muss es dem Arzt auch ohne negative Folgen für ihn möglich sein, darauf hinzuweisen, dass Patientinnen seine Dienste in Anspruch nehmen können." Dem isolierten Wortlaut nach stark. ImSinne:wenn schon keine nachteiligen Folgen, so erst recht keine Bestrafung. Ich nicht allein bezweifele allerdings solche Ausdeutung. Abwägung war vorzunehmen mit der Befugnis, im Wege öffentlicher abträglicher Meinungsäußerung mit Persönlichkeitsrechtsverletzung die Position des Arztes. Dunkel und unklar ist schon, was als Handlung sein soll:  hatte "seine Bereitschaft ...öffentlich ... erkennen lassen". Anlass der Prüfung ist "nur" die Frage, ob gegen eine mit fälschlicher (inhaltlich angeblich zu erstehen) straftatvorwerfender Aussge getätigte ehrabschneidende Anprangerung gerechtfertigt werden kann, der Angeprangerte habe sich ja selbst öffentlich zu Abbrüchen erboten. Jedenfalls legt nahe, dass mit den "negativen Folgen" fallorientiert nur die konkrete ERduldung erabchneidender Äußerungen einer Privatperson gemeint sind. Nicht nur die mindere formale-rangmäßige Dignität eines Kammerbeschlussesgegenber einer Senatsentscheidung mit Grundsatz´charketr spricht gegen ein overruling oder Stellungnahme zu § 219 a StGB. Vor allem vielmehr auch, dass der Kammerbeschluss jede Erwägung zur Sache mit dem gesamten Schutzkonzept des Senats vom 28.5.1993 vermissen lässt. - BVerfG 28.5.1993 hat zwar, soweit bei Durchsicht zu erkennen, nicht ein Werbeverbot wie nach § 219 a StGB verlangt. Es fallen aber auf Passagen wie Rn. 328 f.:

"Jedoch muß umgekehrt, wie auch der Sachverständige Prof. Dr. Schulin (Gutachten S. 97) ausführt, die Gewährung solcher Leistungen für Sachverhalte, die nicht dem normalen Versicherungsrisiko zuzuordnen sind, in der Bevölkerung den Eindruck erwecken, als handele es sich dabei um einen dem üblichen Risiko gleichkommenden und in diesem Sinne alltäglichen, also der Normalität entsprechenden Vorgang.

328

Hierbei kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Leistungstatbestände der Sozialversicherung für etwa 90 vom Hundert der Bevölkerung Bedeutung erlangen (vgl. Schulin, a.a.O., S. 2). Wegen ihrer Auswirkungen auf den persönlichen Lebensbereich werden sie von der Solidargemeinschaft der Versicherten mit besonderem Interesse wahrgenommen und sind damit durchaus geeignet, mit Wertungen, die in ihnen zum Ausdruck kommen, die Vorstellungen der Bevölkerung zu prägen." Verwerflich wäre schon, im öffentlichen Meinungsbild die(Fehl-) Vorstellung eines gleichsam normalen routinemäßigen Vorgangs  zu erwecken. Das ist i der Sache idetnsich mitden Erwägungendes Bundesgesetzgebers inder T-DrS 7/1981 zur Motivation, den gesetgeberischen Zweck des (heutigen) §219a StGB. "Geeignet", Vorstellungen zu erwecken, Etwa, wenn in einem Lestngskatalog einer Praxis an welcher Steke auch immer eben auch "Schwangerschaftsabbruch" auftauchte. Ergebnis BVerf 28.5.1993: von Verfassungs wegen (!!) Gewährung von Sozialversicherungsleistungen ausgeschlossen. Das stützt die gesetzgeberische Regelungsmotivation und Zielsetzung laut BT-DrS 7/1981.

Wenn man allzu oft den Begrif "ultima ratio" wälzt und wendet, sodroht, dass mit damit so ziemlich fest jede Strafvorschrift dem Grunde und Tatbestand nach, ganz gewiss aber die Höhe der Strafandrohung . Was denn zwang zu § 315 d StGB OHNE Gefährdung? Was denn "zwang" zu § 299 a StGB? Hätten's bittschön besonders für Ärzte Kammerregelungen nicht auch getan? Oder eine OWi-Vorschrift? Vor llem: Hier geht es auch um das Untermaßverbot. Warum denn eigentlich darf man Organhandel nicht gewerbsmäßig betreiben? Oder als Hilfe für arme Familien in der dritten Welt gewerblichen Kinderhandel? § 236 Avs.2, Abs, 4 StGB. Da wir doch funktionierende Jugendämter haben, lässt sich als milderes Mittel das Wohl der Kinder doch gewiss so absichern, milder für den Händler. Man kann dazu viele Beispiele bilden. Umweltstrafrecht - ein weites Feld!

   

 

Sehr geehrter Herr Professor Müller, die Tatsache, dass wegen des (in concreto in zwei Instanzen betsötigten)Verdachts einer Straftat Anzeigenerstattet werden, ist bisher rechtspolitisch ein orginelles und wenig anerkanntes "Argument". Augenscheinlich werden auch wegen § 130 StGB serienweise Strafanzeigen erstattet. Soll das nun zu einer Abschaffung dieser Strafnorm führen? Unter dem gesichtspunt des Art. 3 GG überzeigt auchwenig, gerade Akademiker wie Ärzte deshalb straffrei zu stellen, weil gerade sie angezeigt werden. Man hört von vielen strafrechtsprofessoralen Strafanzeigen wegen katholischer Kleriker. Spricht auch hier die Tatsache der regen Anzeigenerstattung für Aufhebung der relevanten Strafnorm? Erst recht dann, wenn die Strafanzeigen berechtigt sein sollten? Ich würde das Vorbringen dieses "Arguments" als Jurist revozieren und der zweck-und wirtschaftsorientierten Propaganda zuordnen.

Sehr geehrter Herr Professor Müller, zu Ihren Daregungen 12.12. , 13:52 Uhr, zweiter Teil: wegen der Kompromissfähigkeit beziehen Sie sich jedenfalls nun ausdrücklich auf die Koalition. Das geht an. Ich hatte vorsorglich auf den Gesamtbereich der Debatte zur "Demokratie" verwiesen. Es wird ja manchen ganz grundsätzlich Demokratietauglichkeit abgesprochen, weil sie die angeblich in einer Demokratie stets erforderliche Kompromissbereitschaft verfehlten. Hierzu bleibe ich bei meinen testenden  Vorhalten. Folglich also nicht "Ihnen gegenüber" , wohl aber in der Gesamtdebatte zur Demokratie. Die heute auftauchende Frau Dr. Barley tummelt sich ja darin emsig. - Ihnen folge ich darin, dass Ihr Vorschlag keineswegs den Kernschatten ruiniert, sondern eine vielleicht nicht verfassungsrechtlich verbotene Selbstmitteilung eigener einschlägiger Leistungsbereitschaft aus dem Verbot mit Strafandrohung herausnimmt. Ganz wesentliche Teile des Verbots nach § 219 a StGB und damit als Teil des vom BVerfG vorgesehehen und geforderten Schutzkonzepts blieben erhalten. - Eine Kompromissfähigkeit in einer Koalition hätte auch den Vorteil, einen virulent gewordenen Streit mglichst glimpflich zu beenden. Den Frage, ob Leitsatz 10 des BVerfG vom 28.5.1993 nachgekommen wird,  wäre damit freilich nicht beantwortet. - Ginge man aber schon parteipolitisch und koalitionstaktisch an eine solche Sache heran - gibt dann nur einer den Rahmen und eine Änderungstendenz an, wer als erster die zackigste  Forderung aufstellt im Vergleich zum Bestehenden? Man könnte ja auch erwägen, wenn denn schon thematisiert, die Erfüllung des Leitsatzes 10 vom 28.5.1993 konkret aufzugreifen. Ist auch "Information", und zwar Rechtsinformation. Intensive öffentliche Schulung, mit Frau Hänels Begehren nach evidence based medicine videos ( ultraschall) von dem, was tatsächlich geschieht,  fertigen, für Schule und Fernsehen (wie vormals "Der siebte Sinn"). Intrauterin während der Schwangerschaft im Regelfall, gestaffelt differenziert nach Dauer und damit Reife des Kindes; intrauterin in actus momento des Abbruchs ( je nach dem: Absaugen, Kürettage), auch wieder dfferenzert nach Entwicklungsstadium, Photos von dem , was post actum im Freien zu sehen ist.  Willy Brandt genderistisch aktualisiert dürfte doch auch "die  mündige Bürgerin" im Auge gehabt haben. Alle Geschlechter, auch neben der eigenen Betroffenheit die wirkenden Personen des gesellschaftlichen Umfelds, sollten doch gut wissen und klar sehen, was in Rede steht. Manche Darstellungen gibt es ja. Was spräche gegen eine staatlich organisierte Faktenaufklärung, gerade in unserem visuellen Zeitalter? Das kann auch verbal gestützt werden durch die Darlegung der Vitalfunktionen. Wie auch durch Vrtrag der Ausführungen des BVerfG dazu, dass sich ab Einnistung keine plausible Grenzziehung für eine qualitative Abgrenzung des Lebens als menschliches Leben und damit Schutzbedürftigkeit finden lässt. Der Bundestag weiß schon,  wie er einen Komplex in mehreren Gesetzen durch ein Sammelgesetz regeln kann.

"Union und SPD hatten sich am Mittwochabend nach monatelangem Streit über das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche auf einen Kompromiss geeinigt. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) sagte nach mehrstündigen Beratungen der zuständigen Bundesminister in Berlin, eine rechtliche Neuregelung solle festlegen, dass und wie Ärzte und Krankenhäuser künftig darüber informieren können, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.

Werbung dafür dürfe es aber auch künftig nicht geben. Wie die künftige Regelung genau aussehen soll, blieb zunächst offen."

https://www.tagesspiegel.de/politik/paragraf-219a-groko-findet-kompromiss-bei-werbeverbot-fuer-schwangerschaftsabbrueche/23753942.html

Es soll also beim strafbaren Werbeverbot bleiben. Die Neuregelung soll lediglich die straffreie Information neu formulieren. Klingt so, als hätte man den Kompromissvorschlag von Professor Müller aufgegriffen. Wäre jedenfalls naheliegend.

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Vorschläge zu einem Ergebnis ähnlich und im Kern zu § 219 a StGB wie dem jetzt anscheinend so in etwa getroffenen sind schon vor weitaus längerer Zeit vorgetragen worden. So etwa - an der verlinkten Stelle auch S. 22-27 mit weiteren begründenden Erwägungen: 

Seite 26 von 27 4.) Als Synthese dieser Gedanken wird zur Erwägung gestellt: Der Gesetzgeber darf mindestens – und sollte, wenn man die oben geschilderten Wertungen übernimmt – Skepsis gegenüber den aktiv mit Abtreibung tätigen Ärzten ( ebenso wie Gesellschaften, Praxisgemeinschaften, Kliniken oder Institute) dahingehend formalisieren, als gerade und gezielt sie nicht dazu berufen sind, und nicht sein sollen, in – auch sachlicher – „Information“ letztlich und erstens eben doch „Werbung“ für ihre ganz konkrete Praxis durchzuführen. Das kann man mit gutem Grund als eine im Vorfeld wirkende Begrenzung zum Schutz des menschlichen Lebens ansehen. Angrenzende kasuistische Prüfungen , die besonders wegen des eben durchaus gegebenen Erwerbsinteresses hier besonders naheliegen, würden erübrigt. Statt dessen wären verlässliche Kontaktinformationen, mindestens ebenso schnell, auch per Internet greifbar, durch am ehesten staatliche Stellen gewiss möglich und voll für das Informationsinteresse der interessierten Schwangeren tauglich und geeignet."  http://eap.peus.info/dateien/Recht/20180121162850/20180121163121.pdf   Der Bundesärztekammerpräident Montgomery hat noch im Dezeber 2017 öffentlich Sonderprivilegien für Standesgenossen "Ärzte" begehrt, Ärzteblatt 6. Dez. 2017. Dann aber tagesspiegel 19.April 2018:Montgomery  "Kammerpräsident Frank Ulrich Montgomery schlage vor, eine „zentrale Liste“ mit jenen Ärzten zu erstellen, die Abtreibungen vornähmen,............Verantwortlich für eine solche Liste könnten die dem Gesundheitsministerium unterstellte Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder auch die Landesärztekammern sein, sagte der Ärztepräsident" Zitat Ende. - Man kann auch die Wirkung öffentlicher oder weiterverbreiteter Debatte prüfen. In der voranstehend verlinkten Rezension wurden S. 4/5 gewisse Unstimmigkeiten dargetan. Wie sich heutigen Darstellungen entnehmen lässt, sind sie auf fruchtbaren Boden gefallen:  Gewisse Schreibungen bei dem "KriK" sind korrigiert; in der mittlerweile lesbaren Fassung jener "Stellungnahme" von 23 KriK-Strafrechtsprofessoren steht nunmehr ein "Gesetzgeber von 1974". Vormals war es anders, nämlich im Dezember 2017. Was dieser Kriminalpolutische kreis heute veröffentlicht, datiert sich im Kopf zwar immer noch mit "Dezember 2017". Eigenschaften dieser pdf-Datei erweisen aber, dass diese Fassung vom 15. Januar 2018 stammt. Eben. Heute lautet  es im Text S.1 :"Gesetzgeber von 1974". Vormals war es anders. 

Sehr geehrter Herr Professor Müller, neben Fragen einer Koalitionstaktik und Durchsetzungstaktik - die Sie überzeugend darlegen,so etwa: was würde den "C"-Parteien - oder auch solchen Abgeordneten , die etwa in anderen Fraktionen hierzu ähnlich denken, wie etwa auch bei SPD, Grünen und ggf. auch Linke -  "drohen", wenn kein Koalitions-"Kompromiss" zustandekäme, was letztlich immer noch offen ist und angesichts jüngster Veröffentlichung im"Spiegel" "kommentierender" Art noch erhebliche Debatten viel weiter reichender Tendenz eröfnen könnte - , erwähnen Sie auch den Aspekt: Es könnte/kann ja sein, dass leistungsbereite Ärzte gar nicht als leistungsbereit Dritten erkennbar sein möchten. In der Tat. Was Sie nennen, ist besorgte heutzeitige Behandlung, näherhin:

a) die Sorge, mit wüsten ehrabschneidenden Attacken (halb-) öffentlich angegriffen zu werden, über Grenzen zivilrechtlicher Hinnahmepflicht oder gar strfafrechtliche Grenzen hinaus, eine BVerfG-Entscheidung zu dieser Thematik haben Sie ja vorgetragen,

b) allerdings auch die Sorge, an gesellschaftlicher Reputation in Kreisen zu verlieren, die still und demonstrationslos vor sich hin denken, ggf. strenger als das staatliche Recht; eine Frau als potentielle Patientin; Eltern, die sich überlegen ,ob in einem zur Auswahl stehenden Krankenhaus neben der Assistenz bei einer Niederkunft  wohl "nebenan" und ggf. von denselben Ärzten und Schwestern Vitalreste herausgeholt und entsorgt werden - selbstredend seuchenhygienisch "ordnungsgemäß" als Bio-Abfall,

c) bisher hier nicht erwähnt wurden Erwägungen, die vor einiger Zeit von Ärzten auf einer Konferenz, auch einem Chefarzt einer Gynäkologie eines nichtkirchlichen, sondern im RUhrgebiet  domizilierenden städtischen Krankenhauses  ausdrücklich als im Kollegenkreis waltend vorgetragen wurden. Mindestens die Generation der um 1979 praktizierende Ärzte hatten noch in Erinnerung, was Kollegen , die sich in staatlich eingeräumten  Freiräumen bewegt hatten , am 20.  August 1947 in Nürnberg und ggf. sehr konkret am  2. Juni 1948 in Landsberg widerfahren ist. Man wolle ggf. persönliche Risiken solcher Art minimieren.

vgl. http://eap.peus.info/dateien/Recht/20180121162850/20180121163121.pdf

dort S. 20 Fn. 31.

Das ist nun 39 Jahre her. Allerdings fragt sich, ob Frau Dr. Barleys Appell, stets in Deutschlands einschlägige Zeit zu blicken, eventuell auch bei jüngeren Ärzten wirkt. 

 

Kompromisse sind auch Mitelpositionen zwischen Extrempositionenin weiterer Debatte. In der FAZ 13.Dez. 2018 und einer obigen Zuschrift wird auch eine Frau Hänel erwähnt. Das wird ausgewertet:

§219aStGB20181216Peus

Zu: FAZ 13. Dezember 2018

Von Egon Peus

Kim Björn Becker, wurde am 5. September 1986 in Trier geboren, fachlich geadelt durch Magisterexamen in den Fächern Politikwissenschaft, Kunstgeschichte und Italienisch – so laut FAZ Redaktionsbeschreibung. Er erhält in FAZ 13. Dez. 2018, S. 3, 6 Spalten Platz, ca. dreivierteilseitig abzüglich ein Photo, um darzutun, was ihm zum „Deutungskampf ums Leben“ im  Geiste und vor Ort zuteil wurde. In edler Bescheidenheit unterlässt er es, gezielt aus dem Bereich seiner italienisch-studischen  Erkenntnisse dem Leser das Wort „sicario“ vorzustellen, seine Bedeutung, den zeitaktuellen Sprachusus dazu. Soweit Recht von Bedeutung ist, hält er es eher mit Thomas Fischer , der bei journalistischen Weistumskündern in diesem Bereich eher die Befähigung wahrnimmt, Schnürsenkel binden zu können  ( vgl. „Die Zeit“ 11. Aug. 2015). Er hat aber auch „Politikwissenschaft“ studiert – und so mag man hierzu eine gewisse, wenngleich eventuell begrenzte oder sich und dem Leser Grenzen der neutralen Beobachtung und Wiedergabe setzende Basalbefähigung zu sinnhafter Berichterstattung zubilligen.

 

Es lohnt sich, hervorzuheben:

  1. In Spalte 5 ist der „Doppelschlag“ des Bedeutsamen. Wer alternative facts scheut und ablehnt, hingegen faktencheck betreibt, sieht zwei klare Tatsachenaussagen:
  1. „In einer Umfrage vor zwei Jahren gaben 84 Prozent der Befragten an, dass Abtreibungen vollkommen oder unter Auflagen legal sein sollten, nur sechs Prozent traten für ein weitreichendes Verbot ein.“

 

Ja, wer wollte dieser Faktenaussage in dem selbsternannten „Qualitäts“-Blatt der „Qualitätspresse“ widersprechen?

 

Nun, dann binden wir „eben den Schuh zu“ – mit Schnürsenkeln: Der Tatbestand defizitären „allgemeinen Bewusstseins“ über die aus Verfassungs- und Grundrechtsgründen folgende Rechtswidrigkeit des sich als Tötung menschlichen Lebens realisierendenSchwangerschaftsabbruchs ist damit in real-tatsächlicher Hinsicht belegt und bewiesen. Die Pflicht nach Leitsatz 10 des BVerfG-Urteils vom 28. Mai 1993 ist also akut, dieses Bewusstsein wieder zu „beleben“.

 

  1. Kampagne, die darauf ziele , „die Beratungslösung ‚jetzt schnell abzuschaffen‘  und Abbrüche insgesamt freizugeben – so wie es die Jusos kürzlich auf ihrem Bundeskongress gefordert hatten“.

 

Ah, so hat der Master Kim Beckerdas also verstanden. Viele auch – und damit besser, jedenfalls aber anders , als es in der Bundestagsdebatte am 13. November 2018 von nicht mehr so jungen SPD-lingen-Abgeordnetendargestellt wurde. „Abbrüche insgesamt freizugeben“ – inhaltlich identischmit etwas differierendem Sprachgebrauch an Deutlichkeit Abg. v. Storch ( Protokoll 8256 f.), Winkelmeier-Becker (S. 8257 f.), Helling-Plahr („

 

Als SPD-Lauterbach kann man natürlich sagen ( Protokoll S. 8260): „Ich bin ebenfalls im Inhalt nicht der Meinung des Ju­sos-Antrags. Als Arzt sage ich: Abtreibung im achten Monat ohne medizinische Indikation würde ich persön­lich ablehnen. Trotzdem ist das Anliegen der Jusos ein nobles Anliegen.“ Das kommt rechtsstaatlich gesehen nahe an die öffentliche mündliche Urteilsbegründung eines deutschen, dem deutschen Rechtsstaat verpflichteten oder genauer: verpflichtet sein sollenden, Gießener Strafkammervorsitzenden, der der soeben durch genau ihn und seine Kammer in der Berufungsinstanz erneut verurteilten Straftäterin zuruft, sie möge das Urteil ( wonach sie eine Straftat begangen hat und deswegen verurteilt ist !) wie einen “Ehrenschild“ tragen. Dieser SPDist Lauterbach ruft den Verfechtern für die Umsetzung des BVerfG-Urteils vom 28. Mai 1993 zu: „Sie tun hier, als wenn es eine Entscheidung wäre, die mit Mord und Totschlag gleichzusetzen ist. Das ist schäbig,…“ ( S. 8261 ). Er knüpft an „Abtreibungen“ an. Nun, er ist dem Papst nicht verpflichtet – der also ist vielleichtund jedenfalls redet „schäbig“, wenn er „sicario“ sagt. Hierzu bemerkt eine Abgeordnete S. 8264: „Ich verstehe, Herr Kollege Lauterbach, dass Sie ver­suchen, die eigene Jugendorganisation zu schützen und deswegen ein bisschen drumrum argumentiert haben; das würden wir vielleicht auch so machen.“Eine Frau Abgeordnete sagt S. 8262: „Übrigens freue ich mich sehr, dass auch die Jugendor­ganisation der Linken, Solid, und der Studierendenver­band SDS genauso gute Beschlüsse gefasst haben wie die Jusos.“ S. 8261 sagte dieselbe: „Vermutlich ist es leider verschwendete Lebenszeit, erneut zu erklären, dass auch Frauen vernunftbegabte Wesen sind.“ In der Tat, manche Versuche scheitern schon im Ansatz mangels jeder Erfolgsaussicht, hier zwar keineswegs bezüglich aller Frauen, aber doch eventuell der Rednerin – sollte sie als Abgeordnete des Deutschen Bundestags sich als inhabil erweisen, das Urteil des BVerfG vom 28. Mai 1993 zu lesen und/oder zu verstehen. Anderenfalls läge zwar nicht Vernunftdefizit, wohl aber ebenso bedenkliche Verfassungsfeindschaft vor. Eine Grüne sagt, S. 8262: „Es ist kein Skandal, dass die Jusos auf ihrem Parteitag ein gesellschaftlich wichtiges Thema, nämlich einen An­trag auf straffreien Schwangerschaftsabbruch von Frau­en, debattieren und über den Antrag abstimmen.“ Aha, auch sie hat den Juso-Beschluss so verstanden. Skandal sei das aber nicht.

 

Immerhin ist auch im Bundestag Gelegenheit zu einem Talmud-Zitat durch einen Abgeordneten:

                         „Ich schließe mit dem Talmud – da werden Sie mich wohl nicht unterbrechen –:

Wer ein Menschenleben rettet, dem wird es ange­rechnet, als würde er die ganze Welt retten. Und wer ein Menschenleben zu Unrecht auslöscht, dem wird es angerechnet, als hätte er die ganze Welt zerstört.“( S. 8266 ).

 

Dem Stand heutzeitiger Demokratur entspricht es, wenn direkt anschließend eine SPDisse dazu sagt: „auch wenn Sie  Ihre kruden Argumente in den Saal brüllen,…“. Dazu passt  ins Bild, wenn eine SPD-Abgeordnete, promovierte Volljuristin und wie Maas nach ihrer selbstvorgestellten vita ohne jede, ohne auch nur einen Tag üblicher volljuristischer Tätigkeit im Leben – außerhalb des Parlaments in einem social medium – von ihr sogenannte „Lebensschützer“ als „widerlich“, „widerliche Lebensschützer“ bezeichnet ( Master Kim a.a.O.).

  1. Ein weitere Sternstunde relativ korrekter Darstellung greift ebenfalls in Spalte 5 der Darlegungen des Masters Kim Becker Platz. Zur sogenannten Beratungslösung, also der komplexhaften Regelung geltenden Gesetzes heißt es: „Demnach ist eine Abtreibung grundsätzlich gesetzeswidrig, aber straffrei, wenn die Schwangere sich beraten lässt und der Abbruch bis zur zwölften Woche ( scil: der Schwangerschaft) stattfindet.“ So ist es. Oder anders ausgedrückt in meinen Worten: RECHTSWIDRIG ABER NICHT STRAFBAR.

 

Relativ zutreffend ist auch die anschließende Zahlenangabe „101 200“ bundesweit „im vergangenen Jahr“ , davon fast alle nach der Beratungslösung. Nun – wenn man schon die Zahl in sechs Ziffern angibt, so könnte man – je nach „Qualität“ des „Qualitäts“-Blattes - 101.209 schreiben. Immerhin – die Zahl ist dem Master Kim Becker schreibenswert. Ihm ist auch schreibenswert, Spalte 4, dass ein Herr Annen auf einer website „Abtreibungen mit dem Holocaust“ „vergleicht“. Was für „Gegner der Lebensschützer“ Anlass, sei „klarmachen“ zu „wollen“, „wie radikal undverschroben die Abtreibungsgegner seien“. Master Kim Becker des Qualitätsblattes webt in seine Betrachtungen also ein: a) wie gesagt eine sechsstellige Zahlb) den durch NS-Herrschaft organisierten Massenmord an Juden, propagandistisch seit einiger Zeit auch „holocaust“ genanntc) Blicke in die Geschichte und Vergangenes, so Spalte 2 mit dem Bericht über die „Bewegung“ ( der „Abtreibungsgegner“ , in Kassel versammelt, Netzwerk „TCLG“, „Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen“), die es seit den sechziger Jahren gebe. Binden wir dies zusammen , blicken wir mit Dr. Barley / SPD aus den „Rechtsstaat“und die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 130 StGB, wonach die Leugnung oder Bagatellisierung gewisser Zahlen gerade zum holocaust, gar strafbar ist, und nehmen den ebenfalls von Frau Dr. Barley vorgetragenen Appell ernst, nun auch wirklich stets in die deutsche dunkle Geschichtsepoche zu blicken ( was ja auch Herr Annen tut), so setzen wir noch eins hinzu: In Spalte 1 nennt Master „Qualitätsblatt“- Kim Becker es einen „Deutungskampf“, „zwischen Gegnern und Befürwortern von Abtreibungen“, ob man sage „Schwangerschaft von einem Arzt beenden zu lassen“ oder „das Kind zu töten“. Unerwähnt lässt Master Kim Becker, dass den Begriff „Tötung“ auch das Bundesverfassungsgericht ( BVerfG) verwendet insbesondere im Urteil vom 28. Mai 1993, und auch Tötung „menschlichen Lebens“. So bleibt bei Master Kim Becker , der freilich der Rechtsdarlegung weniger durch Fachausbildung denn eher nach Thomas Fischer durch Schnürsenkelbinden verbunden ist, unklar, ob er etwa deswegen das BVerfG der Gruppe der „Lebensschützer“ zuordnen möchte.

 

Aber schon des Masters angeschnittene Aspekte verdienen es, zusammengebunden zu werden: Zahl, Tötung, Drittes Reich. Als Zeuge berichtete ein hoher Ministerialbeamter ( Zusammenarbeit ab 1944 mit Ludwig Erhard im Reichswirtschaftsministerium zur marktmäßigen Neuordnung der deutschen Wirtschaft nach Kriegsende, vgl. Brackmann, „Der Tag X“ in : Handelsblatt vom 25. Juni 2006 )im Hauptprozess in Nürnberg, dass unter seinem Kommando während seiner Abordnung und Einsatz als Chef der Einsatzgruppe D ( Südukraine/Kaukasus) 1941/42 ca. 90.000 Menschen getötet wurden, was auch – mangels irgendeinen gerichtlichen Schuldspruchs – landläufig als „Mord“ bezeichnet wird. Dafür wurde er selbst später zum Tode verurteilt und am 7. Juni 1951 in Landsberg vollstreckungshalber gehängt. Nach dem deutschen Rechtsstaat können Zahlen also rechtserhebliche Bedeutung haben. Um Tötung geht es jeweils, laut Annen und BVerfG, jedenfalls Tötung menschlichen Lebens. Rechtswidriges Handeln wird keinem der dann getöteten menschlichen Lebewesen vorzuwerfen sein – für Ungeborene vor der Geburt ist derartiges mW absolut niemandem zu behaupten eingefallen, auch soweit Kader der KPdSU und etwaige Politruks der Sowjetarmee ermordet wurden, war jedenfalls bei ihnen kein rechtswidriges Verhalten ordnungsgemäß geprüft oder festgestellt worden, bei den aus rassischer Zuordnung ausgewählten zu Tötenden erst recht nicht. Es bleibt die Zahl. 90.000 – einmal , Hängen am Strick. 101.209 – in einem Jahr !! – nun, was? Jährlich ca. 90.000 – nun was?

 

  1. Master Becker versucht Gruppenbeschreibung. Sie liegt einem Politologen natürlich nahe, geht auch im Prinzip in Ordnung, sonst kann man politisch wirksame Gruppierungsmächte in Gesellschaft oder Gesamtbevölkerung nicht erfassen, was nur und einzig bei Zuordnung  zum Islam als political incorrecte „Pauschalierung“ nach Meinung mancher Zeitgeistoiden verwerflich sein soll.

 

Becker sieht zwei Gruppen. „Gegner und Befürworter von Abtreibungen“ (Spalte 1). Es seien zwei „Lager“ in der Politik. Abtreibungsgegner bekommen das Epitheton „Szene“ und werden genannt, angeblich weitgehend Selbstbezeichnungen: „Lebensschützer“ oder „Lebensrechtler“. Bald sind sie auch „sogenannte Lebensschützer“ ( Spalte 1). Wer sich hierzu engagiert öffentlich äußert, bekommt dann auch das Epitheton „Lobbyist“ ( Spalte 3), einer ist dann „Größe der Szene“ (Spalte 3 unten). Insgesamt gesehen wirkt der Artikel des Masters als eine einigermaßen faktenorientierte Darstellung einer Veranstaltung und des gesamtgesellschaftlichen Umfeldes. Man kann die Positionen und deren Begründung nachvollziehen. Allerdings rutscht bei einigen Darlegungen doch heraus, dass der Master ungut wirkende Epitheta doch nur dem einen Lager, der einen Gruppe zuweist. Etwa das hübsche Wort „angebliche“ in Spalte 6 ganz am Schluss. Des genannten RednersKampf richte sich gegen „angebliche Angriffe auf das ungeborene Leben“. BVerfG „Tötung menschlichen Lebens“, Statistisches Bundesamt: in 2017 201.209 solcher Tötungen. Was ist da„angeblich“?

 

Man muss allerdings auch die Kategorisierung und Bezeichnung jener anderen Gruppe, wäre sie überhaupt eine homogene Einheit, „Befürworter von Abtreibungen “ ( Becker Sp. 1) beanstanden. Geht man - was regelmäßig so sein sollte – von Ehrlichkeit von Aussagen und ausgedrückten Wertungen aus, so lassen nicht einmal die exzessivsten Debatteurinnen im Bundestag am 13. Dezember 2018 erkennen, sie „befürworteten“ Abtreibungen generell oder gar um ihrer selbst willen. Selbst gewisse Demonstrant_#*Innen sagen das so kaum – richtig wäre, solcher „Gruppe“ eine bis zur Veralberung und Negierung von menschlichem Leben gehende abschätzige Wertung menschlichen Lebens vor der Geburt und hypertrophierende allein relevante „Selbstbestimmung“ der schwangeren Frau zuzuordnen.

 

Wie weit das Begehren jener anderen Gruppe, auch als “Lebensschützer“bezeichnet insgesamt oder in Teileinheiten gehen soll, wird allgemein und im fraglichen Artikel nicht ganz deutlich. Wenn „Leben“ zu schützen ist- was sagt man dort zur Rechtfertigung eines Aborts zur Abwendung von Lebensgefahr für die schwangere Frau?

 

Solche freilich subtileren Erwägungen liegen selbstredend auch dem Master Becker fern, da er im Recht oder Jura nicht ausgebildet ist, aber mit juristischen Fachtermini nurso um sich wirft.

 

  1. Defizite in Fachkunde können bei journalistischem Bemühen  üble Folgen haben.

„Mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entsteht neues menschliches Leben“. Laut Master Becker „meint“ ein „Lobbyist“ das , Spalte 3. Das sei „das wesentliche Argument fast aller Abtreibungsgegner: Der Mensch werde nicht erst während der Schwangerschaft zum Menschen, er sei es von Anfang an.“ Laut Spalte 6 „teilt“ ein Arzt „ziemlich in der Mitte der Lebensschützer-Szene“ „die Auffassung, dass der Mensch von der Befruchtung an existiere…“.

 

Wer teilt sie noch , und vor allem lehnt ab, erst „während“ der Schwangerschaft „werde“ jemand Mensch? Vielleicht nicht nur „Szene-Lobbyisten“, sondern das BVerfG? Das ist dem Master beim Schnürsenkelbinden wohl entgangen.

 

Es sind zwar nicht sechs Spalten. Aus den Leitsätzen des BVerfG vom 28. Mai 1993 ist aber doch zitierenswert:

 

1. Das Grundgesetz verpflichtet den Staat, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen. Diese Schutzpflicht hat ihren Grund in Art. 1 Abs. 1 GG; ihr Gegenstand und - von ihm her - ihr Maß werden durch Art. 2 Abs. 2 GG näher bestimmt. Menschenwürde kommt schon dem ungeborenen menschlichen Leben zu. Die Rechtsordnung muß die rechtlichen Voraussetzungen seiner Entfaltung im Sinne eines eigenen Lebensrechts des Ungeborenen gewährleisten. Dieses Lebensrecht wird nicht erst durch die Annahme seitens der Mutter begründet.

2. Die Schutzpflicht für das ungeborene Leben ist bezogen auf das einzelne Leben, nicht nur auf menschliches Leben allgemein.

3. Rechtlicher Schutz gebührt dem Ungeborenen auch gegenüber seiner Mutter. Ein solcher Schutz ist nur möglich, wenn der Gesetzgeber ihr einen Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich verbietet und ihr damit die grundsätzliche Rechtspflicht auferlegt, das Kind auszutragen. Das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs und die grundsätzliche Pflicht zum Austragen des Kindes sind zwei untrennbar verbundene Elemente des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes.

4. Der Schwangerschaftsabbruch muß für die ganze Dauer der Schwangerschaft grundsätzlich als Unrecht angesehen und demgemäß rechtlich verboten sein. Das Lebensrecht des Ungeborenen darf nicht, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit, der freien, rechtlich nicht gebundenen Entscheidung eines Dritten, und sei es selbst der Mutter, überantwortet werden.

Zum Sprachgebrauch in der Debatte, auch politischen, ist daraus  - und den weiteren Gründen des Gerichts – festzuhalten: Von „Kind“ spricht es selten, immerhin in Leitsatz 11: „…Beratung der schwangeren Frau legt, um sie für das Austragen des Kindes zu gewinnen „.Das Gericht nennt den Träger des Lebensrechts auch nicht „Mensch“. Andererseits steht in Art.  1 Abs.  Satz 1 GG nun einmal „Mensch“. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Was  diesem menschlichen Leben durch Schwangerschaftsabbruch widerfährt, nennt des BVerfG in den Gründen wiederholt „Tötung“. Für die ganze Zeit – grundsätzlich Unrecht und „verboten“. Bei der Behandlung darf der Staat auch nicht allzu zimperlich sein, etwa das allerschärfste Schwert der Missbilligung anzuwenden, nämlich das Strafrecht. Denn  Leitsatz 8 lautet: „8. Das Untermaßverbot läßt es nicht zu, auf den Einsatz auch des Strafrechts und die davon ausgehende Schutzwirkung für das menschliche Leben frei zu verzichten.“.

Dabei lässt das BVerfG auch eigenes Recht, auch „Lebensrecht“ der schwangeren  Frau, keineswegs außer Betracht, wie in Leitsatz 5 zu lesen ist: „Anspruch der schwangeren Frau auf Schutz und Achtung ihrer Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) vor allem ihr Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie ihr Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) in Betracht“. Mit dem „Persönlichkeitsrecht“ ist gemeint, was die öffentliche Debatte gern „Selbstbestimmungsrecht“ nennt.

Die Begründung des BVerfG beginnt so:

Gründe:

D.I. 1. Das Grundgesetz verpflichtet den Staat, menschliches Leben zu schützen. Zum menschlichen Leben gehört auch das ungeborene. Auch ihm gebührt der Schutz des Staates. Die Verfassung untersagt nicht nur unmittelbare staatliche Eingriffe in das ungeborene Leben, sie gebietet dem Staat auch, sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen, d.h. vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von seiten anderer zu bewahren (vgl. BVerfGE 39, 1 [42]). Ihren Grund hat diese Schutzpflicht in Art. 1 Abs. 1 GG, der den Staat ausdrücklich zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde verpflichtet; ihr Gegenstand und - von ihm her -ihr Maß werden durch Art. 2 Abs. 2 GG näher bestimmt.

a) Menschenwürde kommt schon dem ungeborenen menschlichen Leben zu, nicht erst dem menschlichen Leben nach der Geburt oder bei ausgebildeter Personalität (vgl. bereits § 10 I 1 ALR: "Die allgemeinen Rechte der Menschheit gebühren auch den noch ungeborenen Kindern, schon von der Zeit ihrer Empfängnis."). […] Gegenstand der angegriffenen Vorschriften ist der Schwangerschaftsabbruch, vor allem die strafrechtliche Regelung; entscheidungserheblich ist daher nur der Zeitraum der Schwangerschaft. Dieser reicht nach den - von den Antragstellern unbeanstandeten und verfassungsrechtlich unbedenklichen - Bestimmungen des Strafgesetzbuches vom Abschluß der Einnistung des befruchteten Eis in der Gebärmutter (Nidation; vgl. § 218 Abs. 1 Satz 2 StGB in der Fassung des Art. 13 Nr. 1 SFHG) bis zum Beginn der Geburt (vgl. § 217 StGB und dazu BGHSt 32, 194 ff.). Jedenfalls in der so bestimmten Zeit der Schwangerschaft handelt es sich bei dem Ungeborenen um individuelles, in seiner genetischen Identität und damit in seiner Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit bereits festgelegtes, nicht mehr teilbares Leben, das im Prozeß des Wachsens und Sich-Entfaltens sich nicht erst zum Menschen, sondern als Mensch entwickelt (vgl. BVerfGE 39, 1). Wie immer die verschiedenen Phasen des vorgeburtlichen Lebensprozesses unter biologischen, philosophischen, auch theologischen Gesichtspunkten gedeutet werden mögen und in der Geschichte beurteilt worden sind, es handelt sich jedenfalls um unabdingbare Stufen der Entwicklung eines individuellen Menschseins. Wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Menschenwürde zu (vgl. BVerfGE 39, 1).

Diese Würde des Menschseins liegt auch für das ungeborene Leben im Dasein um seiner selbst willen. Es zu achten und zu schützen bedingt, daß die Rechtsordnung die rechtlichen Voraussetzungen seiner Entfaltung im Sinne eines eigenen Lebensrechts des Ungeborenen gewährleistet (vgl. auch BVerfGE 39, 1). Dieses Lebensrecht, das nicht erst durch die Annahme seitens der Mutter begründet wird, sondern dem Ungeborenen schon aufgrund seiner Existenz zusteht, ist das elementare und unveräußerliche Recht, das von der Würde des Menschen ausgeht; es gilt unabhängig von bestimmten religiösen oder philosophischen Überzeugungen, über die der Rechtsordnung eines religiös-weltanschaulich neutralen Staates kein Urteil zusteht.

  1. Die Schutzpflicht für das ungeborene Leben ist bezogen auf das einzelne Leben, nicht nur auf menschliches Leben allgemein. Ihre Erfüllung ist eine Grundbedingung geordneten Zusammenlebens im Staat. Sie obliegt aller staatlichen Gewalt (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG), d.h. dem Staat in allen seinen Funktionen, auch und gerade der gesetzgebenden Gewalt……“

Zeitraum der „Schwangerschaft“? Nidation bis Geburt. Den verfassungsrechtlichen Schutz als menschliches Leben gewinnt dieses also keineswegs erst „während der Schwangerschaft“.

Sofern man dem Appell der Frau Bundesjustizministerin Dr. Barley zustimmt, den Rechtsstaat zu wertzuschätzen und insbesondere Gerichtsentscheidungen voll und ganz zu achten, sollte man auch als „Qualitäts“-Blatt Journalist im Rahmen einer scheinbaren Sachdarstellung den rechtlichen Schutz nicht negierende oder zeitlich einschränkende Positionen nicht pauschal als Sonder-Position einer Sondergruppe wie „Lebensschützer“ oder „Lebensrechtler“ zuordnen.

Immerhin sagt das BVerfG auch: „Es bedarf

im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, ob, wie es Erkenntnisse der

medizinischen Anthropologie nahelegen, menschliches Leben bereits mit der

Verschmelzung von Ei und Samenzelle entsteht. Gegenstand der angegriffenen

Vorschriften ist der Schwangerschaftsabbruch, vor allem die strafrechtliche

Regelung; entscheidungserheblich ist daher nur der Zeitraum der Schwangerschaft.“

 

Es mag also eine Sonderposition sein, definitiv den vollen Rechtsschutz auch für die Zeit ab Zellverschmelzung zu begehren. Fernliegend ist diese Position dem BVerfG nicht, im Gegenteil: nach seiner Bemerkung und Tatsachenauswertung von evidence based medicine ( Sprachgebrauch und Begehren einer Dame Hänel ) , sofern man Erkenntnisse der medizinischen Anthropologie dazuzählt. „…wie es Erkenntnisse der medizinischen Anthropologie nahelegen…“. Nun hat der „Qualitätsblatt“-Journalist Becker nicht nur nicht Jura, sondern auch nicht Medizin studiert. Irgendein Argument dazu, dass das deutsche Bundesverfassungsgericht fehlerhafte Erkenntnisse der medizinischen Anthropologie zugrundegelegt oder solche Erkenntnisse unzutreffend verstanden hätte, nennt der Qualitätsblatt-Journalist Becker nicht. Übrigens – wie ein Überblick auf die jetztzeitige öffentliche Debatte zeigt – auch niemand sonst.

 

  1. Dass der Qualitätsblatt-Nichtjurist-Journalist die Problematik der Begriffe „Werbung“ und „Information“, auch „sachliche Information“ nicht irgendwie näher aufgreift, mag verständlich sein. Denn von Gesetzgeber, Parlamentariern, Strafrechtsordinarien bis zu Debatteuren der vielfältigsten Art und Niveaus  ist diese rechtlich vertrackte Zuordnung selten durchschaut. Die notwendige ausziselierte juristische Debatte war dort im Artikel nicht am Platze, und kann es nicht einmal hier sein. Momentan daher hier nur kurz: „Werbung“ ist als solches nicht Unanständiges, auch nicht – wie vormals ehrpusselige Standesvertreter freier Berufe meinten – bei Freien Berufen wie Ärzten oder Rechtsanwälten ( anders eventuell  Linke und mindestens Teile von SPD und Grünen, wenn sie von ihnen so genannten „Marktradikalismus“ bekämpfen und solchem Markt auch „Werbung“ zuordnen sollten.). Es gibt auch sachliche Werbung. Sie steht sogar grundsätzlich Trägern freier Berufe zu, grundrechtlich , Art. 12 Abs. 1 GG. Das hat unter der Verfassungsrichterin Jäger wohl  als Berichterstatterin das BVerfG erfrischend deutlich gemacht. Aber – der Gesetzgeber kann und darf diesen Teil der Berufsausübungsfreiheit gesetzlich beschränken. Er darf sogar gewisse menschenlebensbezogene Aktivitäten völlig vom Verdienst- und Geschäftsverkehr ausschließen. Das hat er bei Organhandel und Adoptionsvermittlung beispielsweise ja auch getan, und von niemandem, auch nicht Frau Hänel oder SPD, Linken, Grünen oder FDP wird dies beanstandet, auch nicht in der Journaille diversester Niveaustufen. Milder ist es dann unter dem Gesichtspunkt der Berufsausübungsfreiheit, zwar Ärzten Abbruchtätigkeit zu erlauben, sogar gegen Entgelt -  aber ihnen zu verwehren, dann selbst (!!) darauf aufmerksam zu machen. Das ist 1974 sorgsam erwogen worden und  bei allen späteren Änderungen des Komplexes der §§ 218 ff StGB beibehalten worden. Und „Werbung“ ist eben alles, mit dem ein Verdienstinteressierter seine berufliche Tätigkeit vorstellt, so dass Dritte dadurch neu erfahren können, was sie eventuell bisher nicht wussten: Dort kann man die Leistung bekommen.

 

Das bisweilen vorgetragene Schlagwort der „Rechtssicherheit“, das es bis in die angebliche Koalitionsvereinbarung vom 12. Dez. 2018 gebracht hat, hat folgenden Zusammenhang: In der Bundestagsdrucksache7/1981 , S. 17/18 steht zum vorgeschlagenen und dann auch beschlossenen § 219 a StGB:: „Diese Vorschrift ver-bietet u. a. Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche gegen Entgelt durchführen, ihre Dienste in der erwähnten Art bekanntzugeben.“ Und was soll die „erwähnte Art“ sein? S. 17 sagt es: „Nummer 1 nennt als Gegenstand der verbotenen Werbung eigene oder fremde Dienste zur Vornahme von (rechtmäßigen und rechtswidrigen) Schwangerschaftsabbrüchen allgemein.“ Und dem als Grundlage noch vorausliegend, S. 17: „Die Vorschrift entspricht inhaltlich weitgehend den geltenden §§ 219, 220 StGB. Sie will verhindern, daß der Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit als etwas Normales dargestellt und kommerzialisiert wird. Andererseits muß die Unterrichtung der Öffentlichkeit (durch Behörden, Ärzte, Beraterstellen) darüber, wo zulässige Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, möglich sein.

Aus dieser Zielsetzung ergibt sich die in Absatz 1 gewählte Umschreibung. Sie untersagt die echte oder

als Information getarnte Werbung (d. h. Angebot, Ankündigung, Anpreisung und Abgabe entsprechender

Erklärungen) dann, wenn der Täter sie seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger

Weise betreibt.“

 

Also: Ärzte u.a. dürfen die Öffentlichkeit informieren auch dazu, so zulässige Abbrüche durchgeführt werden  - Ärzte, die Abbrüche selbst gegen Entgelt durchführen, nicht. Ist doch klar, nicht wahr? Ist doch einfach zu verstehen, oder? 1974 war noch gar nicht der Begriff „in einfacher Sprache“ im Schwange. Die Aussagen entsprechen ihm aber. Wer nicht einmal Aussagen auf diesem einfachen Niveau versteht, sollte vielleicht , statt selber zu schreiben, sich  auf das Schnürsenkelbinden beschränken und vielleicht auch keine ärztliche Approbation erhalten. Ob es für eine Mitgliedschaft im Bundestag genügen soll, das entscheidet der Wähler.

 

  1. Mit der öffentlichen Darstellung von Positionen befasst sich der „Qualitätsblatt“-Master-Journalist an zwei Stellen:

 

Am Schluss, wenn er es „Rechtspopulisten“ zuordnet, dass  man zur Meinungskundgabe auch mit Hilfe des Internets „seine eigenen Strukturen schaffen“ wolle und das „mit neuen Ideen“. In der Tat, ein amtierender Bundesminister rief  in der „Zeit“ vom 2. Sept. 2018 aus: „Da müssen wir dann auch mal vom Sofa hochkommen und den Mund aufmachen. Die Jahre des diskursiven Wachkomas müssen ein Ende haben.“

Die andere Stelle findet sich in Spalte 4. Erwähnt wird, dass ein regelmäßig ein „Marsch ür das Leben“ veranstaltet wird, zuletzt in Berlin mit ca. 5.000 Teilnehmern. “Fast immer werden die Märsche von Gegendemonstrationen begleitet“. Man kann das Verhalten der „Gegen-„Vertreter natürlich in einem „Qualitäts“-Blatt ohne nähere Darstellung selbstredend als „Demonstration“ bezeichnen. Auch das Wort „begleitet“ wirkt hübsch. Photos, Filme und Polizeiberichte über solche „Begleitung“ wären es wert, in einem “Qualitäts“-Blatt verglichen zu werden mit dem, was die FAZ 1.Dez. 2018 mit demselben Begriff bezeichnet: „Anstatt Freitagmorgen kam die Kanzlerin erst am Abend in Begleitung von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in der Maschine der spanischen Fluggesellschaft Iberia in Buenos Aires an.“

Der Jurist denkt auch an anderweitigen klugen Rat, dessen verfassungsrechtliche Dignität freilich bisher nicht gesichert ist: Eine Professorin für „Gender im Recht“ gibt als Weistum bekannt, Prof. Lembke  in LTO 23. Nov. 2017: „Die Gegner können dagegen auch anderswo im öffentlichen Raum ihrer (religiösen) Überzeugung Ausdruck verleihen. Die Belästigung können sie aber weder mit der Religions- noch Meinungsfreiheit rechtfertigen.“ Zitat Ende. Der Klammerzusatz sowie die Variante „Religionsfreiheit“ lassen  ahnen, welche Gegner von wem sie „meint“. Hält man aber den verbissenen Kampf gegen Rechtsstaat und Bundesverfassungsgericht für “religiös“,  so „passt“ das Begehren sogar wörtlich. Man beachte das also. Sinnvollerweise auch in einem „Qualitäts“-Blatt.

Man kann ergänzen zu FAZ 13.Dez.2018:

7.Schließlich gibt es da noch Masters Wühlen im „Hobby“. Nämlich eines bisher anscheinend namentlich nicht bekannten Menschen, der von sich sagt, er sei Student aus Kleve, er habe bis zu 70 Ärzte wegen des Verdachts von Straftaten in den letzten drei Jahren angezeigt, auch Frau Hänel. In eine Interview mit der taz soll er, wörtlich vom Master Becker zitiert , gesagt haben: „Das ist halt so mein Hobby.“

 

Political correcte Empö wallt sogar bei Herrn Professor Dr. Cullen auf, dem ansonsten als Vorsitzendem des Vereins „Ärzte für das Leben“  eine Position „ziemlich in der Mitte der Lebensschützer-Szene“ vom „Qualitätsblatt“- Master zugewiesen wird. Hobby? Dieser Satz? Cullen wörtlich zitiert: „Der geht gar nicht.“. Nimmt man zunächst dies, so mag  ein eher gutbürgerlich-ärztliches Zartgefühl eine Rolle spielen, sich vom Regierungsmitglieder-Jargon wie „Pack“, „Ab morgen eines auf die Fresse“ oder auch einem „Vogelschiss“ vornehm abzusetzen. Da der „Qualitäts“-FAZ-Master Prof. Cullen eine bedachte und kluge Öffentlichkeitsansprache und Medienwirkung zuspricht, strategisch ( also prima) , und zwar wie „Rechtspopulisten“ ( aha, daher weht Masters Wind, also mies), könnte man schließen, dass Cullen den part des wuchtigeren Auftretens bereits genügend abgedeckt sieht und statt dessen eher vornehm-zartgesittete, dennoch rot-grün-liberal gefährdete Gutmenschen vor gedanklichen Gefahren bewahren möchte. D’accord – auch die biser klassischen Parteienmachen das so – vornehm die Spitze, nüchtern und nur manchmal bissig-schlagfertig der niedere Oberbau und Mittelbau, und dann hat man noch Wadenbeißer – Fremdplakate abreißen, Prügelattacken , „begleitende“ Gegen-„Demonstrationen“ gegen Missliebige, gern mal „Deutschland Du Stück Scheiße“ oder „Deutschland verrecke“ brüllend, was dann ältliche Damen mit geschwächtem Gehör leider nicht hören, wenn auf ihrer Demo vorgetragen ( vgl. https://www.bz-berlin.de/deutschland/ich-muss-mich-nicht-distanzieren-nur-weil-die-afd-das-will ) . Jeder muss seine strategischen Überlegungen selbst vertreten. In der Sache hat ja Cullen mehr als Recht. ( O weh – unsere liebe deutsche Sprache! Man muss argwöhnen, dass sich ganz viele Rechtstaatler nachts selbst vor Wut beißen, dass es in Art. 20 Abs. 3 GG heißt, da seien Exekutive und Judikative an das „Recht“ gebunden. Und noch viel katastrophaler Art. 28 GG: „Rechtsstaat“. Ja geht’s denn noch? „Rechts“ – „das geht gar nicht“. Rechts ist von Übel. Die blöden Trottel von 1949 haben verabsäumt, das “Linksstaat“ zu nennen. Jetzt haben wir die Misere: Alles geht total durcheinander ( vgl. auch Ockenfels , Die Neue Ordnung 2017, S.82,83 ). Fürchterlich – da muss eine SPD-Bundesjustizministerin engagiert den „Rechtsstaat“ verteidigen. Gut so – das tut Cullen auch. Vor allem den treuen Gehorsam zum Bundesverfassungsgericht, wenn ich recht sehe, jedenfalls als Minimalbegehren.

 

Wenn man es schafft, sich von schöngeistigen Gemütswallungen über vornehmen Stil wie bei „Hobby“ zu lösen, sondern sachbezogen prüft, so meine ich:

 

„Hobby“ wirkt wie spielerisch, meint im Kern: nicht bezahlt, nicht per Posten und formaler Amtsaufgabe, nicht beruflich – nein: eben frei, autonom. So etwa wie Willy Brandts „Mündiger Bürger“, der auch und laut Herrn Assessor Maas endlich mal vom Sofa hochkommt, sich engagiert. Nur wenn solches freies politisches Engagement gemäß Wünschen der SPD-Brandt-Maas-Befürworter gewissen Anderen-#*Innen nicht genehm ist, so nennen sie es  - wie etwa eine Journaille-Zugehörige in idea gelegentlich – dann „selbsternannte“.  Die Dümmlinge der Politjournaille bemerken nicht einmal, dass sie mit dem Versuch einer solchen als abschätzig eingeschätzten Etikettierung also zu meinen scheinen: nix ohne Ernennung – durch wen? Die Obrigkeit wohl gut preußisch. Master Becker ist da klüger -  er verwendet dieses Etikett , wenn ich nichts überlesen habe, jedenfalls am 13. Dez.2018 nicht.

 

Anzeige erstatten – ja geht’s denn noch? Nun, zunächst scheint ja der anonyme Hobbybetreiber Sachverhalte präzise zu ermitteln und tatsachen-und wahrheitsgemäße sachdienliche Anzeigen über – klar, selbstredend bis zur Verurteilung: Verdacht von – Straftaten einzureichen. Im Fall Hänel haben zwei Strafgerichtsinstanzen seine Rechtsauffassung gebilligt und geteilt.

 

Anzeigen machen aber lustig und emsig auch andere, ohne dass Amtspflicht oder „Ernennung“ hierzu wahrzunehmen wäre. Vor allem auch ins Blaue, zur rechtlichen Beurteilung, ferner auch sich selbst als bedeutend einschätzende Persönlichkeiten wie Thomas Fischer oder Strafrechtsprofessor Holm Putzke , nebst angeblich weiteren Strafrechtsprofessoren. Immerhin freilich – wer einen Lehrauftrag hat, ist dem ( na ja, wie dargetan, leider ) Rechtsstaat verpflichtet. Die Professur verpflichtet zwar dennoch nicht dazu, deutschlandweit Strafanzeigen in den Territorien sämtlicher katholischen Bistümer  zu streuen, gleich mit Handlungsempfehlung – mit der Praxisnähe von Hochschullehrstühlen  an die eher praxisfernen Staatsanwaltschaften - ,  doch bittschön gleich zu durchsuchen. Eher gehört allerdings zur Amtspflicht von Jura-Lehrstuhlinhabern qua öffentlichen Amtes, in Vorlesungen und Übungen bei Dienstausübung strikte Treue zu Urteilen und wegen Rechtsstaats auch zur Beachtung von Gerichtsurteilen zu propagieren. Nicht werden wir uns erkühnen, den Anzeigeerstattern zu unterstellen, sie ließen da etwa bei Präsentation von BVerfG vom 28.Mai 1993 es an irgendetwas fehlen. Für Studenten wäre es sogar dann nicht nur Hobby, sondern praxisorientierte Studienleistung, sich der Aufgabe zu widmen: a) ( da ja elektronische schulische und universitäre Ausbildung vonnöten ist ) gewisse Gynäkologie-Praxisseiten zu durchmustern und b) bei entsprechendem Rechercheergebnis den Entwurf geeigneter Strafanzeigen zu verfertigen. Man will ja nicht nur kritisieren im Sinne von bekämpfen, sondern auch positiv, auf Neudeutsch konstruktiv, oder noch besser proaktiv gutes Neues anregen.

 

Soll man überhaupt anzeigen? Dazu besteht für den Zivilbürger selten Verpflichtung, bei wahrnehmbar Vielen aber Drang. Das geht auch in verschiedener Weise – so etwa, wenn Fernsehreporter gezielt gewisse Handlungen filmen , die strafbar sein können oder es auch sind. Immerhin  - das Lob des Herrn Assessors Maas ist allen gewiss. Sie kommen vom Sofa hoch. Auch Graf v. Galen in Münster hat 1941 Anzeigen erstattet wegen Tötungen.

 

Solange wir keinen Linksstaat haben , sondern der Rechtsstaat funktioniert, sollten wir also das als Teil der Freiheit wertschätzen. Dabei wissen wir mit Cullen – nicht von jeder Freiheit muss man Gebrach machen.

 

8. Das allerdings Allerletzte – hier jetzt in der Rezension und vielleicht auch wertend, im Master-FAZ-Artikel gleich in Spalte 1 – ist des Masters Kim Becker Bericht über die Präsenz bei der Veranstaltung, über die er berichtet: ca. 100 Menschen, viele „offenkundig jenseits der 60 Jahre“, Frauen dürften in der Minderheit sein“. Und dann im separaten Folgesatz: „die Zahl junger Frauen im Raum … ist äußerst gering“.  Und kaum zufällig an der voransehend gekennzeichneten Auslassungsstelle per Interjektion eingeschoben: „- also jene, für die das Thema noch eine unmittelbare Bedeutung haben kann – „      

 

Nur für jene? Nun ja – wenn er auf Biologie ( die ja auch dem BVerfG bekanntlich wichtig ist , siehe oben !), so ist da was dran. Freilich – potentiell Schwangere können je nach Vorgehen in Begehungsgefahr geraten. Daher verstehen wir „Qualitäts“-Presse-Master so, dass bei Debatten über rechtspolitische Erwägungen einschlägiger Bereiche in Debattenkreisen stets vor allem Antifasten oder umgekehrt auch breitflächig und zahlenmäßig stark Mitglieder von AfD-Parteischiedsgerichten oder Pegida-Aktivisten oder –vereinsmitgliedern präsent sein sollten.

 

Könnte da für noch jemand anderen die Sache „unmittelbare Bedeutung haben“? Eventuell tödliche?

 

Da sie nicht am Tisch sitzen können, kann es sich bei den Versammlungsteilnehmern nur um Menschen handeln, die sich fremdnützig engagieren. Oder brutal konfrontiert mit der auch anderweitig heutzeitig von Gewissen gestellten Frage: „Und,  seid Ihr betroffen?“ Oder: „Und welchen Nachteil habt Ihr davon?“. Ach nein, würde demütig der liebe gute arische Deutsche 1941 ff., sagen, der von Wegschaffung von Mitbürgern und deren Enteignung keine „eigenen“ Nachteile hatte, eher nach  Götz Aly’s Darlegung  sogar Vorteile. Propst Lichtenberg und viele, die Verfolgten halfen, Deutsche und etwa auch Polen, und gegen Verfolgung eintraten – in deren Interesse, wegen Verfolgungsgefahr sogar schroff gegen „eigenes“ Interesse“ – die sollen nach „Qualitätsblättlischem“ Gusto des Masters nun irrelevant und engagementunwürdig sein?

 

Der Realist der politischen Menschen weiß, dass meist um eigener Interessen willen gekämpft wird. Willy Brandt , Assessor Maas wie auch viele meine aber nicht nur dies, wenn sie  - in den zackigen Worten des Assessors Maas – dem mündigen Bürger nahelegen, sogar appellieren: “Vom Sofa hoch.“ Westfälisch  noch drastischer wäre: „Hoch den Hintern!“.

 

Verfasser muss schamvoll gestehen, dass er weit dahinter zurückbleibt. Denn  solche Texte werden im Sitzen gefertigt.

 

 

 

 

Man wundert sich, was so alles Anlass für oder wenigstens initiierendes Begleitgetöse bei Gesetzesänderung(skampagn)en wird:

- der wenigstens mittelgradig auffällige Frauenverprügler Mollath als Ikone der Psychiatriekritiker

- die Lügnerin GinaLisa Lohfink  (mit ministeriellem Twittersegen) zur Ikone der neinheisstneinBewegung

- Leute, deren Biografie nahelegt, dass sie hinter Gittern besser aufgehoben sind als in Freiheit schaffen es, dass der EGMR anders als das BVerfG die Sicherungsverwahrung kippt. Man sollte die Entscheidung des EGMR  und die dort genannten  kriminelle Biografie ("M. v. Germany") und die in BVerfG 2 BvR  2365/09  wirklich mal lesen; warum die SV gerade wegen dieser Beschwerdeführer (Mörder und Vergewaltiger...) gekippt wurde und nicht wegen der VB eines Serienbetrügers oder -einbrechers (die konnten nach damaliger Rechtslage auch in die SV geraten! ) ist schon erstaunlich.

- eine Ärztin, zu deren finanziellen Interessen Thomas Fischer alles Notwendige gesagt hat, wird zur Befreierin der Frauen vor Unterjochung (Die Angeklagte ist nicht „Frauenärztin“ und war es auch noch nie. Sie hat daher keine Kassenzulassung für Abtreibungen. Sie wurde auch nicht verurteilt, weil sie „über Schwangerschaftsabbrüche informiert“ hatte. Sondern deshalb, weil sie für sich selbst mit Abtreibungs-Angeboten geworben hatte: „Mitzubringen: Kostenübernahmeerklärung oder Bargeld“.)

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