Enteignung von Wohnungseigentum in Berlin: Art. 15 GG und seine Freunde – alles grundgesetzwidrig?
Gespeichert von Dr. Axel Spies am
Ich möchte hier im Blog den lesenswerten FAZ-Artikel zur Diskussion stellen:
“Das sagt das Grundgesetz über Enteignungen" (Von Hendrik Wieduwilt, Berlin)
Hier ein Auszug:
„Deutlich einfacher als Enteignen ist aber das Sozialisieren – und das könnte die Initiative „Deutsche Wohnen Enteignen“ auch zum Ziel führen. Im Schatten des in der Rechtsprechung ständig gebrauchten Eigentumsschutzes in Artikel 14 steht Artikel 15, eine Art „sozialistischer Merkposten“ (Badura). „Grund und Boden (...) können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden“, heißt es da. Die Norm wurde bisher nie benutzt (lediglich einen Versuch gab es in Hessen), doch rechtlich unwirksam wird sie dadurch nicht.
Was heißt das nun konkret? Einschlägige Rechtsprechung zu Artikel 15 gibt es bislang nicht. Juristische Kommentatoren gehen überwiegend davon aus, dass die Maßstäbe der Eigentumsgarantie in Artikel 14 nicht völlig unterwandert werden dürfen. Das heißt: Der Wesensgehalt darf nicht ausgehöhlt, die einzelne Maßnahme nicht unverhältnismäßig sein. Manche Juristen – darunter auch der Verfassungsrechtler Ulrich Battis von der Humboldt-Universität in einem Gastbeitrag für die „Berliner Zeitung“ – meinen allerdings, der Gesetzgeber sei im Rahmen der Sozialisierung nicht an das Übermaßverbot gebunden. Jedenfalls braucht es für eine Vergesellschaftung (wie für eine Enteignung) ein formales Gesetz. Dieses muss zudem eine Entschädigung vorsehen, Gemeinwohlzwecke verfolgen und sich auf vergesellschaftungsfähige Güter beziehen, hier also Grund und Boden.
Die heikelste Frage betrifft die Entschädigung der Deutsche Wohnen: Es ist rechtlich nämlich nicht klar ist, ob diese sich – wie im Falle einer Enteignung – am Verkehrswert der Wohnungen orientieren muss. Der Gesetzgeber muss die Höhe wohl vorher genau festlegen. Eine pauschale Regelung („angemessene Entschädigung“) ist zumindest bei Enteignungen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unzulässig – allerdings gilt diese unmittelbar nur für Artikel 14. Wertsteigerungen, die sich erst in ferner Zukunft auswirken, beeinflussen den Verkehrswert nicht mehr. Der Rechtswissenschaftler Battis geht davon aus, dass der Spielraum bei der Sozialisierung größer ist. Die Initiative warnt sogar, dass bei Sozialisierungen auch eine „völlige Entschädigungsfreiheit“ vertreten werde“
Spontan hätte ich, einmal abgesehen von den Zuständigkeitsproblemen nach dem GG, folgende Fragen:
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Welche Rolle spielt Art. 15 GG als bloße Konkretisierung des Art. 14 GG?
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Kann eine Enteignung die Trias Geeignetheit, Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit überwinden? Oder gilt die nicht (oder nur eingeschränkt) im konkreten Fall?
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Kann eine Enteignung vor dem Gleichheitsgrundsatz Bestand haben?
Spannendes juristisches Thema. Was meinen Sie?