Plädoyer für eine gesetzliche Regelung der Online-Durchsuchung oder was den Internet-Dschihad so gefährlich macht
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Schlagzeilen wie "Online-Durchsuchung: Bayern prescht vor" fanden sich gestern auf den Titelseiten der Tageszeitungen. Das Reizthema Online-Durchsuchung (dazu Leipold NJW-Spezial 2007, 135) hat wieder an Fahrt gewonnen.
Meinen Standpunkt in der grundsätzlichen Frage (nicht dazu, ob vor der Entscheidung des BVerfG eine landesgesetzliche Regelung sinnvoll ist) will ich nicht mit meinen richterlichen Erfahrungen, sondern - weil für Sie vielleicht überzeugender - mit dem Buch des ZDF-Terrorismusexperten Elmar Theveßen "Terroralarm. Deutschland und die islamistische Bedrohung" (2005) belegen: Das Internet ist zum wichtigsten Instrument des islamistischen Terrorismus geworden. Warum sich um eine Aufnahme in ein Trainingslager bemühen, wenn das Internet den "verdrahteten Krieger" als eine Art "Universität des Dschihad" alles bietet. Deshalb wirbt Al-Qaida im Internet wie folgt: "O Mudschaheddin-Bruder, um die großartigen Ausbildungslager zu absolvieren, musst du nicht in andere Länder reisen. Allein zu Haus oder mit einer Gruppe von Brüdern, kannst du mit dem Trainingsprogramm beginnen." (Theveßen S. 86).
Täglich schicken die Internetabteilungen diverser Organisationen neue Botschaften ins Web (vgl. Theveßen S. 98). Wer den möglichen Ernstfall vermeiden will, kann auf die Online-Durchsuchung nicht verzichten.
Auch nach den Anschlägen vom 11. September hütete Al-Qaida die legendenumwobene "Enzyklopädie des Dschihad" wie einen Schatz, bis sich im März 2002 Teile der Terrorfibel in Afghanistan fanden. Jedenfalls seit 2003 steht die komplette Enzyklopädie im Internet. Im Oktober 2005 machte gar eine elfteilige Anleitung zum Nuklearterrorismus im Internet die Runde. Indem Al-Qaida alles in das Internet einstellte, vollzog die Organisation eine entscheidende Öffnung. Sie gab die Kontrolle darüber auf, wer ihr Material lesen und auf dessen Grundlage handeln darf. Diese strategische Entscheidung hat längst ihre Früchte getragen: Die Attentäter von Madrid luden sich die Pläne für den Bau ihrer Bomben aus dem Internet herunter.
Angesichts der Bedeutung des Internets für den Terrorismus und konspirativ agierender Terrorverdächtiger sollte der Gesetzgeber alsbald eine gesetzliche Regelung der verdeckten Online-Durchsuchung finden, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (Ministervorbehalt; Zustimmung der G-10-Kommission des Landtags etc). Nach der Entscheidung des BVerfG müsste dies ohne weiteres möglich sein.