Wenn die Schöffin nicht deutsch spricht
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Die Angeklagten hatten einen Supermarkt überfallen. Sie bedrohten die Kassiererinnen mit einem Gasrevolver und erbeuteten 1.445 €. Die Strafkammer verurteilte zwei der Angeklagten wegen besonders schweren Raubs jeweils zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren, den dritten Angeklagten wegen hierzu geleisteter Beihilfe zu einer Strafe von einem Jahr und sechs Monaten.
Nun kommts: Die Strafkammer war mit einer russischsprachigen Schöffin besetzt, die der deutschen Sprache „kaum mächtig“ war. Für die Schöffin zog deshalb das Gericht eine Dolmetscherin hinzu, die auch an den Urteilsberatungen teilnahm.
Dass der BGH mit Entscheidung vom 26. Januar 2011 – Az 2 StR 338/10 (bislang liegt nur die Pressemitteilung vor)– das Urteil zur Neuverhandlung aufgehoben hat, verwundert keineswegs, wundern muss man sich nur darüber, dass so etwas in deutschen Gerichtssälen trotz einschlägiger verfassungsgerichtlicher und höchstrichterlicher Rechtsprechung passiert:
Die Strafkammer war mit der Schöffin nicht vorschriftsmäßig nach § 338 Nr. 1 StPO besetzt. Eine sprachunkundige Schöffin ist – ebenso wie ein blinder oder tauber Richter – jedenfalls partiell unfähig, der Verhandlung selbst zu folgen. Das Heranziehen einer nicht sprachkundigen Schöffin verstößt zudem gegen den Grundsatz, dass die Gerichtssprache gemäß § 184 S. 1 GVG deutsch ist, und verletzt zudem den im Strafprozess geltenden Unmittelbarkeitsgrundsatz. Schließlich begründet die Teilnahme einer für die Schöffin herangezogenen Dolmetscherin russischer Sprache an allen Beratungen die Strafkammer, einen Verstoß gegen das Beratungsgeheimnis des § 193 GVG.
Die Revision der Angeklagten hatte mit dem absoluten Revisionsgrund des § 331 Nr.1 StPO den verdienten Erfolg, weil das Justizgrundrecht der Angeklagten auf eine Entscheidung über Schuld oder Freispruch durch den gesetzlichen Richter verletzt wurde. Auch wenn Zeitgewinn im Rahmen einer Strafverteidigung regelmäßig ein gewichtiges Moment bildet, vermute ich, dass am Ende der erneut durchzuführenden Hauptverhandlung dasselbe Strafmaß steht. Frei nach dem Motto: Außer Spesen nichts gewesen.
Hinweis für die Strafrechtspraxis: Das GVG hat die insoweit bisher bestehende Regelungslücke durch Einfügen des seit dem 30. Juli 2010 geltenden § 33 Nr. 5 GVG geschlossen. Danach sollen Personen ohne hinreichende Sprachkenntnisse nicht zu Schöffen berufen werden und sind von der Schöffenliste zu streichen. - Allgemein zur Besetzungsrüge!