BVerwG: Schwerbehinderte Bewerberin um Richteramt erhält Entschädigung
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Öffentlichen Arbeitgeber treffen gerade im Umgang mit schwerbehinderten Stellenbewerbern besondere Pflichten, die sie für mögliche Diskriminierungsvorwürfe besonders anfällig machen. Dies verdeutlicht sehr anschaulich eine neue Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG v. 3.3.2011, 5 C 15.10 und 5 C 16.10). Folgender Sachverhalt lag ihr zugrunde: Die 1967 geborene Klägerin hatte nach längeren Zeiten der Berufstätigkeit Rechtswissenschaft studiert. Das Erste und Zweite Juristische Staatsexamen hat sie jeweils mit der Gesamtnote "befriedigend" bestanden. Im Jahr 2007 bewarb sie sich in Baden-Württemberg und Bayern erfolglos um Einstellung in den höheren Justizdienst als Richterin. Sie wurde in beiden Ländern nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, weil sie - so das Baden-Württembergische Justizministerium und das Bayerische Arbeitsministerium - mit ihren Examensnoten das Anforderungsprofil nicht erfülle. Die Klägerin forderte daraufhin eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun in letzter Instanz die klageabweisenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim sowie des Verwaltungsgerichtshofs München aufgehoben und die Verfahren zur Klärung der angemessenen Höhe einer von den beklagten Ländern zu zahlenden Entschädigung zurückverwiesen. Das Gericht verweist auf die Verpflichtung öffentliche Arbeitgeber, schwerbehinderte Menschen, die sich um eine freie Stelle bewerben, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (§ 82 Satz 2 und 3 SGB IX). Diese Einladung dürfe nach dem Gesetz nur dann unterbleiben, wenn die fachliche Eignung des schwerbehinderten Bewerbers offensichtlich fehlt. Der Dienstherr dürfe neben einer nachgewiesenen beruflichen Qualifikation auf Examensnoten nur abstellen, wenn er ein bestimmtes Notenniveau vorab und bindend in einem Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle festgelegt habe. Das war nach den Feststellungen der Verwaltungsgerichtshöfe im Jahr 2007 für Richterstellen weder in Baden-Württemberg noch in Bayern der Fall. Danach sei es rechtswidrig gewesen – so das BVerwG -, die Klägerin, die mit dem Zweiten Staatsexamen unstreitig die Befähigung zum Richteramt erworben hat, nicht zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Dies begründe nach § 22 AGG die gesetzliche Vermutung dafür, dass die Klägerin durch Vorenthaltung der gesetzlichen Besserstellung benachteiligt wurde. Diese verbotene Diskriminierung im Einstellungsverfahren verpflichtet zu einer Entschädigung auch dann, wenn die Klägerin im Ergebnis bei benachteiligungsfreier Auswahl wegen ihrer Noten nicht eingestellt worden wäre.