Ist die Tötung Osama bin Ladens der Folter zu verdanken?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Es ist aus meiner Sicht eine fast schon gespenstische Debatte, die heute in den USA geführt wird.
Noch ist nicht klar, wie die Tötung Osama bin Ladens genau geschah. Es gibt dazu widersprüchliche Berichte aus nur einer Quelle (er war "bewaffnet"/"unbewaffnet"; "Frau als Schutzschild"; "keine Frau als Schutzschild"; "nach Widerstand gegen geplante Festnahme getötet"; "in kill mission erschossen") und ob sie völkerrechtlich gerechtfertigt werden kann, wird unterschiedlich bewertet. Dass irgendjemand die Umstände der Tötung unabhängig untersuchen kann, haben die Verantwortlichen dadurch verhindert, dass sie den Leichnam in kürzester Zeit ohne Not an unbekannter Stelle im Meer versenkt haben. Die These, man habe dadurch islamischen Bräuchen genügen wollen, halte ich für wenig glaubhaft. Aber all das wird verdeckt von der "Freude", diesen Verbrecher endlich erwischt zu haben. Ein in den USA unbestrittener Erfolg insbesondere Präsident Obamas.
Aber nun meldet sich ein früherer Advokat der Bush`schen Folterpolitik aus der Versenkung und meint, es sei dieser Folterpraxis zu verdanken, dass man Osama bin Laden in Pakistan überhaupt aufgespürt habe (Quelle).
John Yoo, der vor einigen Jahren in einer öffentlichen Diskusion bestätigte, dem US-Präsidenten sei es unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, Kinder von Terroristen zu foltern (Quelle), sagt, Präsident Obama habe von der Folter profitiert:
According to anonymous government sources quoted in the press today, it was the interrogation of al-Qaeda leaders that led to the identification of the courier, who led us to bin Laden’s hiding place. Reports suggest that Khalid Sheikh Mohammed himself may have given up the identity of the courier. Imagine what would have happened if the Obama administration had been running things back in 2002–2008. It would have given Miranda warnings and lawyers to KSM and other al-Qaeda leaders. There would have been no Gitmo, no military commissions — instead civilian trials on U.S. soil with all of the Bill of Rights benefits for terrorist defendants. There would have been no enhanced-interrogation program, no terrorist-surveillance program, and hence no intelligence mosaic that could have given us the information that produced this success.
Zwei Antworten gibt es dazu:
1. Dass KSM, der fast 200mal der waterboarding-Prozedur ausgesetzt wurde, den Namen des Kuriers verraten hat, wird von anderen Informanten bestritten. Vielmehr habe er seine Vernehmer auch unter der Folter getäuscht uind kaum verwertbare Informationen geliefert . Ein anderer Report zur Vernehmung von KSM legt nahe, dass es nicht die Folter, sondern gerade Techniken des Rapport-Building waren, die den Mann zu einer begrenzten Kooperation brachten.(Quelle)
2. Yoo gibt eine falsche Alternative an, wenn er meint, statt zu foltern hätte man seitens Obama wohl "nur" einen regulären Strafprozess durchgeführt. Selbstverständlich haben Verhörexperten andere - nicht gewaltsame - Methoden der Vernehmung, die sogar wesentlich erfolgreicher sind darin, Gefangene zur Kooperation zu bringen und wahrheitsgemäße Informationen zu erhalten. Folter ist weniger dazu geeignet, Informationen zu bekommen, als vielmehr dazu, Persönlichkeiten zu brechen und "Geständnisse" zu erpressen.
Weiteres zur Debatte in der New York Times