Wenn dem Richter der 8. Mai verbal entgleist
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Die Klageerwiderungsfrist war lange abgelaufen. Termin zur mündlichen Verhandlung war für den 10.05.2011 anberaumt.
Unter dem 08.05.2011 fertigte der Vertreter des Beklagten doch noch einen Schriftsatz und warf ihn wohl noch am gleichen Tage bei Gericht ein.
Der Richter kommentierte dies im Termin "mit erhobener und lauterer Stimme" mit den Worten "es sei schön, dass sich der Beklagtenvertreter noch am 08.05.2011, einem Sonntag und immerhin dem Jahrestag des Kriegsendes, die Mühe gemacht habe, einen Schriftsatz zu fertigen und diesen zum Gericht zu bringen".
Der Beklagtenvertreter wollte deshalb einen Befangenheitsantrag mündlich zu Protokoll geben, was von dem Richter mit dem Bemerken, der Befangenheitsantrag sei schriftlich zu stellen, zunächst abgelehnt wurde. Nach einigem Hin und Her nahm der Richter den Befangenheitsantrag schließlich doch auf.
Das OLG Hamm erachtete den Befangenheitsantrag für begründet:
Bereits mit dem Hinweis, die Klageerwiderung sei "noch am 08.05.2011, einem Sonntag und immerhin dem Jahrestag des Kriegsendes" gefertigt worden, hat der Richter seinen (weiten) Verhaltensspielraum verlassen. Die Herstellung eines - wie auch immer gemeinten - zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Fertigung eines Schriftsatzes im vorliegenden Rechtsstreit und dem Ende des 2. Weltkrieges, der unsäglich viel Leid hervorgerufen und Millionen Menschen das Leben gekostet hat, kann nicht mehr als ungeschickte oder auch unglückliche Formulierung verstanden, sondern muss in aller Deutlichkeit als gänzlich sachwidrige, verbale Entgleisung bezeichnet werden. Von einem Richter kann und muss auch in der Einordnung historischer Ereignisse mehr Fingerspitzengefühl erwartet werden. Dass sich der Beklagtenvertreter entgegen seiner Ankündigung über die gerichtlich gesetzte Frist hinweggesetzt und mit der Einreichung der Klageerwiderung unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2011 letztlich eine deutliche Verzögerung des Rechtsstreits herbeigeführt hat, hätte der Einzelrichter unschwer in sachlicher Art und Weise beanstanden können.
Die Befürchtung der Voreingenommenheit wird aus Sicht einer verständigen Partei dadurch bekräftigt, dass der Richter im Anschluss an seine verbale Entgleisung die Protokollierung des Befangenheitsgesuchszunächst verweigert, die Partei auf die Einreichung eines Schriftsatzes verwiesen und damit gegen Vorgaben der Zivilprozessordnung verstoßen hat….
Gerade vor dem Hintergrund der vorangegangenen verbalen Entgleisung wiegt [dieser] Verfahrensfehler besonders schwer
OLG Hamm v. 06.10.2011 - 32 W 19/11