Diskriminierung im Staatsexamen?
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Spiegel Online hat vor wenigen Tagen auf eine Studie aufmerksam gemacht, die eine Diskriminierung von Frauen und Prüflingen mit Migrationshintergrund in der Ersten juristischen Staatsprüfung (genauer: dem staatlichen Teil der Ersten Prüfung) für möglich hält. Ausgewertet wurden Daten des Justizprüfungsamts beim Oberlandesgericht in Hamm aus den Jahren 2007 bis 2010, die Kandidatinnen und Kandidaten kommen mit wenigen Ausnahmen von den Universitäten in Bielefeld, Bochum und Münster.
Die Studie schließt mit einem "Ergebnis", das keines ist:
Sowohl bei dem Geschlechts- als auch bei dem Herkunftseffekt können wir eine Diskriminierung weder mit der notwendigen Gewissheit ausschließen noch sie nachweisen. Vielmehr scheinen hier weitere empirische Untersuchungen lohnend, weil sie interessante und praktisch relevante Einsichten erwarten lassen.
Einige Teilresultate geben aber doch zu denken:
- Frauen haben zwar die besseren Abiturnoten, schneiden im Examen aber im Schnitt um 0,3 Punkte schlechter ab als Männer. Dabei ist der Unterschied in der mündlichen Prüfung stärker ausgeprägt als in den Klausuren, die ja anonym unter Kennziffer verfasst werden.
- Prüflinge mit ausländischen Namen schneiden um 0,7 Punkte schlechter ab als solche mit deutschen, hier gibt es je nach Herkunftsregion teilweise schon im schriftlichen, teilweise auch erst im mündlichen Teil signifikante Abweichungen.
Ich habe selbst von 2001 bis 2009 an der Universität Bielefeld gelehrt und sieben Jahre lang beim JPA Hamm geprüft, insgesamt zwischen 150 und 200 Kandidatinnen und Kandidaten mündlich. Ich führe allerdings keine private Prüfungsstatistik, halte also nicht einmal die Gesamtergebnisse (geschweige denn irgendwelche Detaildaten zu Geschlecht, Studienort oder Abiturnote) fest. Einige der von den Verfassern publizierten Erkenntnisse erscheinen mir plausibel, andere nicht.
Gewünscht hätte ich mir, dass "Ergebnisse" zu solch sensiblen Themen erst veröffentlicht werden, wenn sie einigermaßen valide sind. Sätze wie
Auch die bei der Datenanalyse beobachteten Herkunftseffekte verursachen ein Unbehagen. (S. 26 unter 2.)
sollten in einer Publikation mit wissenschaftlichem Anspruch unterbleiben.
Gerne würde ich zu diesem Thema noch viel mehr schreiben - jetzt muss ich aber dringend weg, denn um 10.00 Uhr habe ich Staatsexamen beim Justizprüfungsamt des OLG Köln (5 Kandidaten, alle männlich, darunter einer mit ausländisch klingendem Namen). Über die Ergebnisse werde ich an dieser Stelle natürlich nicht berichten.