Akkordlohn und MiLoG
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Die Klägerin ist bei der Beklagten als Montagehelferin beschäftigt. Ihre Vergütung richtet sich nach Akkordsätzen. Der Grund-Stundenlohn für die Montage von 41,5 Bauteilen je 60 Minuten (100%-Leistung) beträgt 6,22 Euro brutto. Die Klägerin übertrifft die Richtsätze deutlich. Aufgrund einer Betriebsvereinbarung ist die Akkordvergütung auf 137% gekappt. Daraus resultiert ein Stundenlohn von (6,22 Euro x 1,37 =) 8,52 Euro.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stünde seit dem Inkrafttreten des MiLoG am 1.1.2015 eine Vergütung von 11,65 Euro je Stunde zu (8,50 Euro Mindestlohn x 1,37 = 11,645 Euro). Das MiLoG verlange, dass die "Normalleistung" des Arbeitnehmers mit 8,50 Euro je Zeitstunde vergütet werde. Ihre überobligatorische Akkordleistung dürfe nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden, sondern erhöhe diesen. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt: Die Klägerin erhalte mit 8,52 Euro je Stunde eine über dem Mindestlohn liegende Vergütung.
Das ArbG Herford hat der Klage stattgegeben: Die Vereinbarung des Grund-Stundenlohnes von 6,22 Euro sei seit dem 1.1.2015 "insoweit" (§ 3 Satz 1 MiLoG) unwirksam, als sie den Betrag von 8,50 Euro unterschreite. Vielmehr sei dieser als Basis für die Berechnung der Akkordsätze zugrunde zu legen und mit dem (durch die Betriebsvereinbarung auf 137% gekappten) Akkordergebnis der Klägerin zu multiplizieren.
Der gesetzliche Mindestlohnanspruch ist gemäß § 3 Satz 1 Mindestlohngesetz insgesamt - also auch im Hinblick auf seinen Charakter als Stundenlohn - unabdingbar, so dass er durch Stücklohn- oder Akkordlohnabreden weder abgedungen noch modifiziert werden kann. Für die Erfüllung des Mindestlohnanspruchs kommt es auch bei der Vereinbarung eines Stück- oder Akkordlohnes deshalb ausschließlich darauf an, dass die im jeweiligen Monat geleisteten Arbeitsstunden zum in § 2 Mindestlohngesetz geregelten Fälligkeitstermin zum Mindestlohn vergütet werden. Insoweit bestimmt die Begründung des Regierungsentwurfs, dass geleistet sein muss, dass der Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden erreicht wird (BT-Drucksache 18/1558 Seite 34). Nicht hinreichend ist damit, dass auf der Basis der Stück- bzw. Akkordvereinbarung der Arbeitnehmer bei normaler Leistung eine Arbeitsvergütung in Höhe des Mindestlohnes erreichen kann.
Darüber, ob die Betriebsvereinbarung die Vergütung für das in manchen Monaten tatsächlich noch höhere Akkordergebnis der Klägerin wirksam auf 137% begrenzen konnte, hatte das Arbeitsgericht nicht zu entscheiden, weil weitergehende Ansprüche nicht geltend gemacht worden waren (§ 308 Abs. 1 ZPO).
Die angesichts des Streitwerts von über 2.300 Euro zulässige Berufung wurde von der Beklagten eingelegt.
ArbG Herford, Urt. vom 11.9.2015 - 1 Ca 551/15, BeckRS 2015, 73137