Mietgerichtstag: Kontaktsperre für Rechtsanwälte und Richter?
Gespeichert von Dr. Klaus Lützenkirchen am
Am Freitag und Samstag (26./27.2.2016) findet der alljährliche Mietgerichtstag in Dortmund statt. Man kann sich auf viele Gespräche mit Kollegen, Richtern und sonstigen Personen der Immobilienwirtschaft freuen. Denn die Veranstaltung dient nicht nur der gemeinsamen Weiterbildung, sondern auch dem Erfahrungsaustausch zwischen den Disziplinen.
Aber Vorsicht: Sollte sich ein Kollege mit einem Richter zu intensiv unterhalten, droht dem Richter die Befangenheit. Denn dafür gelten die gleichen Grundsätze wie für die Ablehnung eines Sachverständigen, § 406 ZPO. Einen solchen (öffentlich-bestellten und vereidigten) Sachverständigen hat das Landgericht Köln (10 S 58/15) nun wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil der Sachverständige mit dem Prozessbevollmächtigten des klagenden Vermieters (nicht ich!) ein gemeinsames Buchprojekt verfolgt. Aus der Sicht einer gegnerischen Partei bestehe deshalb nicht mehr der Anschein vollständiger Unvoreingenommenheit.
In diesem Verlag erscheint ein Formularbuch, dass ein (leider verstorbener) Kollege mit einem Richter am Landgericht Köln herausgegeben hat (Nies/Gies, Beck'sches Formularbuch Mietrecht). Solange Herr Dr. Gies Mitglied der Berufungskammer am Landgericht Köln war, bei dem auch Rechtsanwalt Dr. Nies zugelassen war, ist kein Kollege auf die Idee gekommen, ihn wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Niemand ging davon aus, dass er zu Gunsten seines Mit-Herausgebers votieren würde. Auch der Präsident des Landgerichts ist nicht eingeschritten. Das ist offensichtlich anders, wenn ein Rechtsanwalt und ein Sachverständiger ein gemeinsames Buchprojekt auflegen.
Nun wird nicht jeder Kollege ein Buchprojekt mit einem Richter oder Sachverständigen eingehen. Aber wo ist der Unterschied zum gemeinsamen Skat-, Tennis- oder Golfspielen, zumal wenn dies regelmäßig stattfindet? Muss nach dieser Entscheidung nicht jeder Richter offenbaren, dass er mit dem einen oder anderen Prozessbevollmächtigten schon einmal im privaten Kreis zusammengetroffen ist?
Und (für mich viel schlimmer): kann man noch in Ruhe auf dem Mietgerichtstag (z.B. am Freitagabend) mit einem Richter am Tisch sitzen und über Rechtsfragen diskutieren oder Erfahrungen austauschen - von Privatgesprächen ganz zu schweigen? Wenn ein Kollege das sieht, droht jedenfalls der Antrag wegen Besorgnis der Befangenheit.
Viele werden sich natürlich jetzt sagen: wunderbar, ich brauche mich nur zu einem Richter meines Amts- oder Landgerichts an den Tisch zu setzen und darauf zu achten, dass die Kollegen mich sehen. Schon ist der Makel der Befangenheit auf der weißen Krawatte des Gerichts. Wer weiß, wofür man es brauchen kann. Noch perfider wäre der Plan, den Kollegen, mit dem man gerade einen Rechtsstreit führt, an den Tisch zu locken und sich schnell wieder zu verabschieden. Der Befangenheitsantrag als Räumungsaufschub!
Ich will nicht jammern. Ich vertraue darauf, dass es sich um eine Einzelfall- (fehl-) Entscheidung von drei Berufsrichtern handelt, die keinen Nachahmer findet - jedenfalls solange nicht zusätzliche Umstände hinzutreten. Ich will auch nicht darüber spekulieren, wie aus der Entscheidung auf die eigene Unabhängigkeit des erkennenden Gerichts zu reflektieren ist. Der Freiheit der Wissenschaft ist damit in jedem Fall ein Bärendienst erwiesen worden.
Auf dem Mietgerichtstag werde ich beobachten, welcher Kollege z.B. mit dem Smart-Phone fotografiert. So gewinnt der Begriff des Erinnerungsfotos eine neue Bedeutung.
Wehret den Anfängen.