„Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA“ – Das mag lustig gemeint sein, aber wegen dieses Facebook-Eintrags des Richters flog das Urteil auf
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Was war geschehen? Während der mehrtägigen Hauptverhandlung stieß der Verteidiger des Angeklagten an einem Abend erstmals auf den Facebook-Account des Vorsitzenden der Strafkammer. Im öffentlich zugänglichen Bereich war auf der Profilseite ein Lichtbild des Vorsitzenden zu sehen, auf dem dieser mit einem Bierglas in der Hand auf einer Terrasse sitzt und ein T-Shirt mit der Aufschrift trägt: „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA“. Auf derselben Seite war vermerkt: „2. Große Strafkammer bei Landgericht Rostock“. In der Zeile darunter heißt es: „1996 bis heute“. Im Kommentarbereich hatte der Vorsitzende vermerkt: „Das ist mein `Wenn du raus kommst, bin ich in Rente`-Blick“. Dieser Eintrag wurde von einem Benutzer mit den Worten „ … sprach der schwedische Gardinen-Verkäufer! :-))“ kommentiert, was wiederum von zwei Personen, darunter der Vorsitzende, „geliked“ wurde. Zu Beginn des nächsten Verhandlungstags lehnte der Angeklagte den Vorsitzenden wegen des Inhalts der Facebook-Seite wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zum Ablehnungsgesuch äußerte sich der Vorsitzende wie folgt: „Zum … Vorbringen im Ablehnungsgesuch gebe ich keine Stellungnahme ab. Ich werde mich nicht zu meinem privaten Lebensverhältnissen äußern.“ Das Ablehnungsgesuch wies die Strafkammer als unbegründet zurück, weil der Internetauftritt des Vorsitzenden ausschließlich dessen persönlichen Lebensbereich betreffe und offensichtlich humoristisch geprägt sei.
Der Revision des Angeklagten, mit der gerügt wurde, bei dem Urteil habe ein Richter mitgewirkt, nachdem dieser wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen worden sei, hat der BGH mit Beschluss vom 12.1.2016 – 3 StR 482/15 – mit folgender Begründung stattgegeben:
„Die Ablehnung eines Richters ist nach § 24 Abs. 2 StPO gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine erforderliche Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann. Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist ein vernünftiger bzw. verständiger Angeklagter … .
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Inhalt der öffentlich und somit auch für jeden Verfahrensbeteiligten zugänglichen Facebook-Seite dokumentiert eindeutig die innere Haltung des Vorsitzenden, die bei verständiger Betrachtung besorgen lässt, dieser beurteile die von ihm zu bearbeitenden Strafverfahren nicht objektiv, sondern habe Spaß an der Verhängung hoher Strafen und mache sich über den Angeklagten lustig. Die beschriebene Facebook-Seite enthält auch einen eindeutigen Hinweis auf die berufliche Tätigkeit des Vorsitzenden und betrifft deshalb nicht lediglich dessen persönliche Verhältnisse. Unter diesen Umständen war ein noch engerer Zusammenhang mit dem konkreten, die Angeklagten betreffenden Strafverfahren nicht erforderlich, um bei ihnen die berechtigte Befürchtung zu begründen, dem Vorsitzenden mangele es an der gebotenen Neutralität. Das in dem Ablehnungsgesuch dargelegte Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden ist deshalb gerechtfertigt. Dessen Internetauftritt ist insgesamt mit der gebotenen Haltung der Unvoreingenommenheit eines im Bereich des Strafrechtsgerichtes nicht zu vereinbaren.“
Das Strafverfahren musste deshalb vor einem anderen Landgericht neu aufgerollt werden. Weitere Verfahren seien nicht betroffen, so eine Sprecherin des Gerichts. „Es steht jetzt natürlich jedem Angeklagten frei, ein Befangenheitsgesuch zu stellen“, sagte sie. Der zwischenzeitlich gelöschte Facebook-Eintrag läge nun schon fast ein Jahr zurück.
Aus Justizkreisen war am 24.2.2016 zu hören, dass der Fall keine dienstrechtlichen Folgen haben müsse. Der Richter sei für seine seriöse und sachliche Vorgehensweise bekannt. Durch die öffentliche Wahrnehmung sei er bereits hinreichend gestraft. Der Fall sei eher unter der Rubrik „Skurriles“ zu verbuchen.