Rechtsanwalt ist kein Steuerberater
Gespeichert von Prof. Dr. Claus Koss am
Ein 'Nur-'Rechtsanwalt war mit der anwaltlichen Beratung einer Arbeitnehmerin beauftragt, nahm aber an den Verhandlungen mit dem Arbeitgeber nicht teil. Ziel sollte eine möglichst hohe Abfindung sein. Nach Auszahlung der Abfindung in 2008 verklagte die Mandantin den Rechtsanwalt jedoch auf Schadensersatz. Er hätte ihr raten müssen, die Auszahlung auf ein Jahr später zu verschieben. Aufgrund des Zuflussprinzips hätte sie dann wesentlich weniger Steuern bezahlen müssen.
Das Landgericht und dem folgend das Oberlandesgericht Düsseldorf (Beschluss v. 23.03.2015 - I-24 U 105/14, Urteilsbesprechung von Karadag, NJW-aktuell 33/2016, S. 18) verneinten jedoch einen Haftungsfall. Zum einen führte der Beklagte eine reine Rechtsanwaltskanzlei. Danach sei er zwar zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugt (§ 3 Nr. 1 StBerG). Der Auftrag lautete jedoch 'nur' auf eine anwaltliche Beratung in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten. Da der Rechtsanwalt keine zusätzlichen Qualifikationen wie Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer aufweise, sei auch kein Anhaltspunkt für eine Auftragserweiterung ersichtlich. Da es sich bei der Frage der Versteuerung der Abfindung um eine Spezialfrage auf dem Gebiet des Steuerrechts handele, müsse der Rechtsanwalt diese nur einbeziehen, sofern es sich um eine praktisch bedeutsame und bekannte steuerrechtliche Entscheidungen handelt. Für die Frage der Versteuerung der Abfindung hatte der Bundesfinanzhof (BFH) erst mit Urteil vom 11.11.2009 - IX R 1/09, entschieden, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Zuflusszeitpunkt und damit die Versteuerung steuern können.
Zwei Lehren sollten aus dem Urteil gezogen werden:
- Eine berufspraktische: Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer sind in der Regel nicht auf dem Roßmarkt unterwegs, wo der Handschlag ausreicht. Ein schriftlicher Mandatsvertrag, zumindest eine schriftliche Auftragsbestätigung sollten die Regel sein. Was vorher klar vereinbart wurde, darüber muss hinterher nicht gestritten werden (praktische Tipps siehe bereits die Ausführungen von Koss, Kanzleiführung professionell, Nr. 5/2004, S. 88).
- Ein strategische: Im entschiedenen Fall hat der beklagte Rechtsanwalt zwar den Prozess gewonnen, aber mindestens eine Mandantin verloren. Gerade im Arbeitsrecht sollte der Anwalt auf steuerliche Gestaltungen hinweisen, zumindest an einen Steuerberater verweisen. "Wir sollten die Antworten auch auf die Fragen geben, die der Mandant noch nicht einmal gestellt hat", hat der Verfasser in einer sehr erfolgreichen Kanzlei gelernt. Der Mandant ist dankbar für Hinweise auf Gestaltungsmöglichkeiten, noch mehr aber, wenn ihm mehr Netto vom Brutto bleibt.