Atemschutzmasken und (vermeintliche) Abmahnwelle - Wettbewerbsrechtliche Anmerkungen
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Alexander am
Durch die sozialen Medien rauschte in den letzten Tage eine Empörungswelle: Personen, die in der Corona-Krise behelfsmäßige Gesichtsbedeckungen (Masken) herstellen und abgeben, seien von einer Abmahnwelle betroffen. Abgemahnt würden dabei Verstöße gegen das Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz - MPG). Entsetzte Reaktionen und ganze Schimpftiraden gegen gierige Abmahnanwälte und überhaupt Juristen im Allgemeinen ließen nicht lange auf sich warten. Was aber ist dran an diesen Meldungen und was ist wettbewerbsrechtlich dazu zu sagen?
Zunächst zur medialen Seite:
Hinterfragt man die eiligen Empörungsposts auf Twitter und die Online-Meldungen einiger (mehr oder weniger seriöser) Medien, dann zeigt sich, dass es bislang keine wirklich belastbare Faktenlage zu den Abmahnungen oder gar zu einer Abmahnwelle gibt. Richtig ist, dass verschiedene Rechtshinweise im Internet kursieren (Eine lesenswerte Zusammenfassung findet sich in diesem Artikel).
Nun zur wettbewerbsrechtlichen Seite:
- Eine eigeninitiative Abmahnung durch Anwälte ist wettbewerbsrechtlich gar nicht vorgesehen. § 8 Abs. 3 Nr. 1-4 UWG benennt die Anspruchsberechtigten. Dazu gehören insbesondere Mitbewerber und Verbände. Ein abmahnender Anwalt müsste also beispielsweise im Auftrag eines Unternehmens handeln. Ob dies in der derzeitigen Situation aus Imagegründen (für das Unternehmen und den Anwalt) ratsam wäre, ist keine rechtliche Frage. Das kann sich jeder selbst überlegen.
- Der Schutzzweck des MPG besteht selbstverständlich nicht darin, Personen, die in Krisenzeiten wichtige Unterstützung und Hilfe leisten, zu drangsalieren. Dieses Gesetz soll (und muss) aber sicherstellen, dass Medizinprodukte bestimmten Anforderungen entsprechen. Dazu heißt es in § 1 MPG: "Zweck dieses Gesetzes ist es, den Verkehr mit Medizinprodukten zu regeln und dadurch für die Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte sowie die Gesundheit und den erforderlichen Schutz der Patienten, Anwender und Dritter zu sorgen." Dieser Zweck kommt gerade in einer gesundheitlichen Ausnahmesituation besonders zum Tragen.
- Personen und Unternehmen, die dazu beitragen, Gesichtsbedeckungen herzustellen und damit eine breitere Versorgung mit diesen knappen Gütern gewährleisten, können etwaige Rechtskonflikte mit dem MPG leicht vermeiden, indem sie die Produkte klar bezeichnen und unmissverständlich beschreiben. Hier geht es letztlich um keine übertriebenen Anforderungen oder um Gängelei, sondern einen wichtigen allgemeinen Gesundheits- und Irreführungsschutz, der angesichts der besonderen Sensibilität in Gesundheitsfragen ohnehin selbstverständlich sein sollte.
- Zu erinnern ist weiterhin an § 8 Abs. 4 UWG, der den Fall der missbräuchlichen Geltendmachung von wettbewerbsrechtlichen Abwehransprüchen regelt und auch den Fall einer missbräuchlichen Abmahnung erfasst: "Die Geltendmachung der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche ist unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. In diesen Fällen kann der Anspruchsgegner Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen. Weiter gehende Ersatzansprüche bleiben unberührt."
- Der Gesetzgeber arbeitet übrigens an einem Vorhaben, das den Rechtsmissbrauch im Wettbewerbsrecht noch weiter als bislang eindämmen soll (Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs). Dieses Projekt scheint allerdings im Moment ins Stocken geraten zu sein.