BMAS: Referentenentwurf eines COVID-19 ArbGG/SGG-AnpassungsG (I)
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Die Frage, wie gerichtliche Verfahren in Zeiten der Corona-Pandemie rechtssicher (fort-)geführt werden können, beschäftigt derzeit die gesamte Justiz. Jetzt liegt der Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums für ein "Gesetz zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit während der COVID 19-Epidemie sowie zur Änderung weiterer Gesetze (COVID-19 ArbGG/SGG-AnpassungsG)" vor.
Im ArbGG (und im SGG) soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass ehrenamtliche Richter der mündlichen Verhandlung mittels Übertragung in Bild und Ton von einem anderen Ort aus als dem Gericht beiwohnen können. Zudem soll die Möglichkeit der Nutzung von Videokonferenzen nach § 128a ZPO im Arbeitsgerichtsverfahren und nach § 110a SGG im Sozialgerichtsverfahren ausgeweitet werden. Das Gericht soll diese Form der Teilnahme anordnen können, sofern die Parteien, Bevollmächtigen, Beistände, Zeugen bzw. Sachverständigen die technischen Voraussetzungen für die Bild- und Tonübertragung in zumutbarer Weise vorhalten können.
Für das schriftliche Verfahren wird für die Arbeitsgerichtsbarkeit vorgesehen, dass die Verkündung durch die Zustellung ersetzt wird. Für das BAG und das BSG wird die Möglichkeit geschaffen, das schriftliche Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO und abweichend von § 124 Abs. 2 SGG auch ohne Zustimmung der Parteien anzuordnen.
Für die Gerichte der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit wird über eine begrenzte Ausnahme die Möglichkeit eingeräumt, aus Gründen des Gesundheitsschutzes die Öffentlichkeit auszuschließen. Für die Vereidigung ehrenamtlicher Richter wird eine Übergangsregelung geschaffen, um die Arbeitsfähigkeit der Gerichte sicherzustellen.
Der neue § 114 ArbGG soll folgenden Wortlaut erhalten:
§ 114. Infektionsschutz bei epidemischen Lagen von nationaler Tragweite
(1) Abweichend von § 128a der Zivilprozessordnung können die ehrenamtlichen Richter bei Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 des Infektionsschutzgesetzes an einer mündlichen Verhandlung von einem anderen Ort aus beiwohnen. Die Verhandlung wird zeitgleich in Bild und Ton auch an diesen Ort übertragen. Gleiches gilt für die Beratung und Abstimmung. Die an der Beratung und Abstimmung Teilnehmenden haben durch organisatorische Maßnahmen die Wahrung des Beratungsgeheimnisses sicherzustellen; die entsprechende Feststellung ist zu protokollieren.
(2) Die Gerichte für Arbeitssachen können abweichend von § 128a der Zivilprozessordnung bei Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 des Infektionsschutzgesetzes anordnen, dass die Parteien, ihre Bevollmächtigten und Beistände sowie Zeugen und Sachverständige an einer mündlichen Verhandlung von einem anderen Ort aus teilnehmen, sofern diese die technischen Voraussetzungen für die Bild- und Tonübertragung in zumutbarer Weise vorhalten können. Die Verhandlung wird zeitgleich in Bild und Ton auch an diesen Ort übertragen. Gegen Entscheidungen nach Satz 1 findet die sofortige Beschwerde statt. Sie ist binnen einer Notfrist von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen.
(3) Die Gerichte für Arbeitssachen können die Öffentlichkeit abweichend von § 52 für die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht ausschließen, wenn infolge einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 des Infektionsschutzgesetzes der erforderliche Gesundheitsschutz nicht anders zu gewährleisten ist.
(4) Entscheidet das Landesarbeitsgericht bei Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 des Infektionsschutzgesetzes nach § 128 Absatz 2 der Zivilprozessordnung ohne mündliche Verhandlung, wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt.
(5) Abweichend von § 128 Absatz 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung kann das Bundesarbeitsgericht bei Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 des Infektionsschutzgesetzes nach vorheriger Anhörung auch ohne Zustimmung der Parteien eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Entscheidet das Bundesarbeitsgericht bei Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 des Infektionsschutzgesetzes ohne mündliche Verhandlung, wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt.“