Ermittlungen gegen Bank-Vorstände wegen Corona-Hilfen – die andere Seite der Medaille
Gespeichert von Markus Meißner am
Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen im Zusammenhang mit den staatlichen Corona-Hilfsprogrammen waren bereits Gegenstand verschiedener Blogbeiträge (vgl. https://community.beck.de/2020/04/09/corona-und-foerdermittelbetrug sowie https://community.beck.de/2020/04/27/freiwillige-rueckzahlung-von-corona-soforthilfen-ein-weg-zur-straffreiheit). Im Fokus der Betrachtung stand hierbei stets die Person des Antragstellers, mithin der (potentielle) Leistungsempfänger, der – so der regelmäßige Vorwurf – mittels falscher Angaben eine Auszahlung von Corona-Hilfen erlangt hat bzw. eine solche Auszahlung jedenfalls erstrebt hat.
Ermittlungen gegen hochrangige Mitarbeiter der Investitionsbank Berlin (IBB)
Wie der Presseberichterstattung nunmehr zu entnehmen ist, hat die Staatsanwaltschaft Berlin nunmehr unter dem Aspekt der Untreue (§ 266 StGB) gegen mehrere Mitarbeiter der Investitionsbank Berlin (IBB), „darunter zwei Vorstände“, die über die Auszahlung der Soforthilfen entschieden haben, Ermittlungen aufgenommen. Gegen die Leitung der Compliance-Abteilung bestehe der „Verdacht der Beihilfe zur Untreue“. Nach Auskunft des Sprechers der Generalstaatsanwaltschaft gehe es im Kern um den Vorwurf, dass „Geld ohne ausreichende Kontrollmechanismen zum Schutz vor Missbrauch ausgezahlt wurde“.[1] Derartige Erkenntnisse hätten sich „aus den bislang 2200 Ermittlungsverfahren gegen Empfänger der Corona-Hilfen ergeben“.[2]
Bereits im Rahmen des ersten Strafprozesses wegen Corona-Betrugs warf der damalige Verteidiger des Angeklagten dem Berliner Senat vor, das „Betrügen viel zu leicht gemacht zu haben“ (vgl. https://community.beck.de/2020/07/19/selbst-schuld-strafzumessungserwaegungen-in-faellen-des-corona-betrugs)
Brisanz: Schnelle und unbürokratische Auszahlung war politisch explizit gewollt
Um den durch die Pandemie im Frühjahr diesen Jahres plötzlich unverschuldet in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Unternehmen schnell und effektiv zu helfen und nicht zuletzt angesichts der anfangs großen Flut an Anträgen, wurde im Rahmen Antragsbearbeitung ganz bewusst auf größere Prüfmaßnahmen verzichtet. Diese sollten vielmehr erst im Nachgang erfolgen. So wird die Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) wie folgt zitiert:[3]
„Bund und Länder haben in einer gemeinsamen Kraftanstrengung zu Beginn der Krise das Augenmerk darauf gelegt, schnell und unbürokratisch zu helfen.“
In dieselbe Richtung argumentiert der zuständige Finanzsenator Matthias Kollatz, der unter Hinweis auf den Spruch „Operation gelungen, Patient tot“ ausführte:[4]
„Das war die Situation, vor der wir damals standen. Es war relativ klar, wenn wir sehr aufwendige Verfahren machen, dann sind viele der Patienten, nämlich Selbständige, kleine Betriebe, tot.“
Es war in diesem Zusammenhang auch nicht zuletzt der Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), der im Zusammenhang mit Darlehensausreichungen von Banken in der Corona-Krise den – zwischenzeitlich vielfach zitierten und in Branchenkreisen gleichsam kritisierten – Ausspruch prägte, die Banken müssten „in der Corona-Krise auch einmal fünf gerade sein lassen“.[5]
Andererseits: Die Ermittlungsbehörden hatten bereits frühzeitig gewarnt
Auf der anderen Seite wurden die verantwortlich Handelnden offensichtlich jedoch frühzeitig von offizieller Seite auf die Gefahren der weitgehend unkontrollierten Auszahlung von Sofortzuschüssen, insbesondere das darin schlummernde Betrugspotential, aufmerksam gemacht. So ist einem Bericht des Tagesspiegels vom 25.08.2020 zu entnehmen:[6]
„Selbst das Landeskriminalamt (LKA) hatte vor den laxen Kontrollen gewarnt. Aufgrund des politischen Willens habe es anfangs keine großartigen Prüfungen gegeben, hieß es. Das habe Betrügern genügend Tatgelegenheiten verschafft. Bereits Anfang April hatte das LKA darauf hingewiesen, dass die Investitionsbank die Antragsteller nicht ausreichend durchleuchte. ‚Um den eintretenden Betrugsschaden zu minimieren, bitte ich um Prüfung, ob nicht zumindest einfache Prüfmaßnahmen eingeführt werden können, um missbräuchliche Antragstellungen zu erkennen`, hatte der Chefermittler für Wirtschaftskriminalität beim LKA in einem internen Schreiben erklärt. Einige Tage danach ging vom LKA ein Schreiben an alle Kundenfilialen der Banken in Berlin. Wegen`fehlender Prüfungen´lade das Antragsverfahren `zu betrügerischen Antragstellungen´geradezu ein. Erst nach den Warnungen hatte die IBB einen Prüfmechanismus anhand von Steuernummern eingeführt."
Im Ergebnis ein Ermitlungsverfahren mit hoher (politischer) Brisant und einem nicht unerheblichem Potential für die Verteidiger der Bankmitarbeiter, dessen Fortgang Interesse zu beobachten sein wird.
[1][1] https://www.berliner-zeitung.de/news/corona-hilfen-staatsanwaltschaft-ermittelt-gegen-ibb-manager-li.100904
[2] https://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/untreue-verdacht-bei-vergabe-von-corona-geldern-berliner-staatsanwaltschaft-ermittelt-gegen-ibb-vorstaende/26125190.html
[3] https://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/untreue-verdacht-bei-vergabe-von-corona-geldern-berliner-staatsanwaltschaft-ermittelt-gegen-ibb-vorstaende/26125190.html
[4] https://www.zeit.de/news/2020-08/25/ermittlungen-gegen-bank-vorstaende-wegen-corona-hilfen
[5] https://www.gv-bayern.de/standard/artikel/corona-bundesfinanzminister-ruft-banken-zu-nichteinhaltung-von-regeln-auf-12649
[6] https://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/untreue-verdacht-bei-vergabe-von-corona-geldern-berliner-staatsanwaltschaft-ermittelt-gegen-ibb-vorstaende/26125190.html