Mehr Rechtssicherheit für offene WLAN
von , veröffentlicht am 15.09.2016Die mit Spannung erwartete Entscheidung des europäischen Gerichtshofs ist gefallen und schafft mehr Rechtssicherheit für die Geschäftsleute, die ihren Kunden WLAN anbieten. Ein Geschäftsinhaber, der der Öffentlichkeit kostenlos ein WiFi-Netz zur Verfügung stellt, ist nach der Entscheidung des EUGH für Urheberrechtsverletzungen eines Nutzers nicht verantwortlich. die Entscheidung bezieht sich dabei ausdrücklich auf die Begrenzung der Verantwortung des Anbieters, die in derRichtlinie zum elektronischen Geschäftsverkehr vom 08.06.2000 (2000/31/EG) geregelt ist. Danach haften Anbieter nicht, wenn sie 1. die Übermittlung nicht veranlasst. 2. den Adressaten der Übertragung nicht ausgewählt und 3. übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben. Die deutsche Rechtsprechung hatte die Haftungsbegrenzung bislang nicht auf Unterlassungsansprüche angewendet. Vor kurzem hatte der deutsche Gesetzgeber durch eine Änderung des § 8 Abs. 3 TMG die Anbieter von kostenlosen WLAN schützen wollen. Der Wortlaut der Neuregelung war jedoch nicht geeignet, Rechtssicherheit zu schaffen und es blieb offen, ob die Gerichte im Hinblick auf die Begründung des Gesetzes ihre Rechtsprechung ändern würden.
Aus diesem Grund bietet die Entscheidung des EuGH nun mehr Rechtssicherheit. Der EuGH stellt klar, dass der Anbieter dem Urheberrechtsinhaber nicht zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet ist. Auch der Anspruch auf Erstattung von Abmahn- oder Gerichtskosten wird ausdrücklich ausgeschlossen. Heute liegt nur die Pressemitteilung vor, in der sich dieser Ausschluss der Abmahnkosten nach dem Wortlaut auf Schadensersatzforderungen bezieht. Es ist zu hoffen, dass in der vollständigen Entscheidung auch Abmahn- und Gerichtskosten für die Verfolgung von Unterlassungsansprüchen ausgeschlossen werden.
Zulässig bleibt eine gerichtliche oder behördliche Anordnung, die Anbieter von kostenlosen WLAN zur Vorbeugung und Verhinderung von Rechtsverletzungen zu verpflichten. Geeignete Maßnahme hierfür ist nach Auffassung des EuGH die Sicherung des Anschlusses durch ein Passwort. Dadurch kann nach Auffassung des Gerichts ein Ausgleich zwischen den Rechten von Rechteinhabern an ihrem geistigen Eigentum einerseits und dem Recht der Anbieter von kostenlosen WLAN auf unternehmerische Freiheit und dem Recht der Nutzer auf Informationsfreiheit hergestellt werden. Dabei soll nach Auffassung des EuGH das Passwort nur gegen Offenbarung der Identität des Nutzers weitergegeben werden. Dadurch sollen die Nutzer davon abgehalten werden, Urheberrechtsverletzungen über das WLAN des Anbieters zu begehen. Die genauen Konsequenzen dieser Einschränkung können erst dann abgesehen werden, wenn die vollständige Entscheidung vorliegt.
Soweit man dies aufgrund der Pressemitteilung vorhersehen kann, empfiehlt es sich für die Anbieter kostenloser WLAN, einen Passwortschutz zu implementieren. Dieses Passwort sollte den einzelnen Nutzern nur gegen Offenbarung der Identität mitgeteilt werden. Offen ist, ob dazu E-Mail-Adresse oder Mobilfunknummer (an die dann das Passwort gesendet wird) ausreichen.
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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6 Kommentare
Kommentare als Feed abonnierenDr. Thomas Lapp kommentiert am Permanenter Link
Mittlerweile liegt auch der vollständige Text der Entscheidung zum Download vor.
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Dass die Rechtssicherheit zugenommen habe, lässt sich nach Lektüre des Volltexts leider nicht mehr behaupten. Und dass Provider sicher vor Abmahnkosten sind, ebenfalls nicht.
Hier eine gute, aktualisierte Zusammenfassung (traurig, dass der Beck-Blog entsprechende Korrekturen nicht schafft):
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Offene-WLANs-Europaeischer-Gerich...
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P.S.: Täusche ich mich oder hat der EuGH de facto das Providerprivileg gekippt und der Abmahnindustrie ganz neue Einkommensquellen erschlossen? Denn in Punkt 5. heißt es:
Leser kommentiert am Permanenter Link
Die Wertung "mehr Rechtssicherheit" finde ich schon kurios. Der EuGH hat mit dieser Entscheidung doch, wenn ich das richtig interpretiere, öffenes W-Lan faktisch verboten. Denn wer will schon die Namen und Ausweise seiner Gäste, Nachbarn oder Kunden kontrollieren? Das ist Verbot durch Verwaltungsaufwand.
Besitz und Konsum von Haschisch sind auch legal - wenn der Papierkram vorliegt. Die Diskussion dreht sich doch in beiden Fällen gerade um die Legalisierung OHNE Papierkram.
Dr. Thomas Lapp kommentiert am Permanenter Link
Rechtssicherheit ist nicht identisch mit Freiheit von Haftung. Das wird in den Kommentaren (von Leser/Name) offenbar verwechselt.
Tatsächlich bleibt der EUGH im Wesentlichen auf der Linie der Rechtsprechung in Deutschland. Es gibt keinen Anspruch auf Schadensersatz und keine entsprechenden Abmahn- und Gerichtskosten. Voraussetzung ist aber Passwortschutz und Zugang nur gegen Preisgabe der Identität. Etliche WLAN im professionellen Umfeld (Gaststätten, Hotels etc.) haben das bereits implementiert, indem sie das Passwort an eine E-Mail-Adresse oder Mobilfunknummer senden. Nur um solche Anbieter dreht es sich bei dieser Entscheidung.
Es gibt aber auch nach der Entscheidung des EUGH den Anspruch auf Unterlassung, der mit Abmahnung und vor Gericht durchgesetzt werden kann. Dazu gehören auch die entsprechenden Kosten für Anwälte etc.
Der Rat bleibt, das kostenlose WLAN durch Passwort zu schützen und dieses nur gegen Preisgabe der Identität mitzuteilen. Überwachungspflichten hat der EUGH abgelehnt. Wie lange die Identität gespeichert werden muss und ob die Identität einem Verletzten offenbart werden muss, wurde auch nicht entschieden.
Gast kommentiert am Permanenter Link
Verwechseln tun sie vielleicht etwas - wichtiges und unwichtiges.
Wenn der Gesetzgeber festlegt, dass ab sofort alle Freiheitsstrafen lebenslängliche Freiheitsstrafen ohne Möglichkeit auf Bewährung sind, könnte man titeln "Gesetzgeber erhöht Rechtssicherheit im Strafrecht". Das wäre korrekt. Aber, bei allem Respekt, es wäre keine besonders gute Beschreibung des Ereignisses.