Die Lufthoheit über den Balkonen

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 09.12.2016
Rechtsgebiete: Familienrecht|3043 Aufrufe

Die Beteiligten bewohnen nebeneinander gelegene Wohnungen im gleichen Haus. Beide Wohnungen verfügen über Balkone, die durch eine teilweise nur halbhohe Brüstung getrennt sind. So ist es möglich, von einem der Balkone den Nachbarbalkon und einen Teil der dem Balkon zugewandten Fensterfront der Nachbarwohnung einzusehen. Es ist aber nicht möglich, vom Balkon des Antragsgegners die Balkontür der Antragstellerin einzusehen.

Am Abend des 15.6.2015 kam es zu einer Konfrontation zwischen den Bet., als sich der Ag. über die Brüstung beugte und sich zumindest mit seinem Kopf bzw. Oberkörper im Bereich des Balkons der Ast. befand. Hierauf kam es zu einem Streit zwischen den Bet., in dessen Verlauf die Ast. dem Ag. dieses Verhalten untersagte, weil sie sich von ihm in ihrer Privatsphäre gestört fühlte. Unmittelbar danach brachte die Ast. auf ihrem Balkon eine Kamera an, mit der sie Aufnahmen von der Brüstung und dem Balkon des Ag. anfertigen konnte. In der Folgezeit kam es zu mindestens einem weiteren Zwischenfall zwischen den Bet., als der Ag. im Sichtfeld der von der Ast. angebrachten Kamera ein Schild mit der Aufschrift „Vorsicht Kamera“ hochhielt.

Die Antragstellerin beantragt im Wege der einstweiligen Anordnung den Erlass von Schutzanordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz. Insbesondere hat die Ast. beantragt, dem Ag. zu verbieten, ihr dadurch nachzustellen, dass er sich an der Brüstung zwischen den Balkonen vorbeibeugt und so ihre Wohnung beobachtet. 

Das AG hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde des AG hat das OLG Frankfurt (NJW-RR 2016, 1228) den Antrag abgewiesen. Entgegen der vom AG vertretenen Auffassung lasse sich das Verhalten des Ag. am 15.6.2015 nicht unter den Tatbestand des § 1II Nr. 2 a GewSchG subsumieren, da das unstreitige Herüberlehnen des Ag. über die Brüstung zwischen den beiden Balkonen nicht als Eindringen in das befriedete Besitztum der Ast. auszulegen ist. Das bloße Aufstützen auf die Brüstung könne den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs nicht erfüllen.

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