Klares Signal des Bundessozialgerichts: Krankenkassen müssen zügig entscheiden

von Dr. Michaela Hermes, LL.M., veröffentlicht am 10.11.2017
Rechtsgebiete: Weitere ThemenMedizinrecht|7306 Aufrufe

Überschreitet die Krankenkasse die Frist zur Bearbeitung eines Leistungsantrages, gilt der Antrag als genehmigt. Die versicherte Antragstellerin kann die Leistung, eine Hautstraffungsoperation, kraft fingierter Genehmigung verlangen, entschied das Bundessozialgericht (BSG) mit zwei Urteilen vom 07.11.2017 (B 1 KR 24/17 R sowie B 1 KR 15/17 R).

Fristen

Über einen Antrag muss die Kasse innerhalb von drei Wochen entscheiden. Zieht sie den Medizinischen Dienst (MDK) hinzu, verlängert sich die Frist um weitere zwei Wochen (§ 13 Abs. 3a SGB V).

Trotzdem fällt es vielen Krankenkassen schwer, über eine Maßnahme in der dafür vorgesehenen Frist zu entschieden.  So auch bei den beiden bei der beklagten Krankenkasse versicherten Klägerinnen. Sie hatten wegen massiver Gewichtsabnahme die Straffung der Bauchhaut beantragt. Die Beklagte verweigerte die Operationen erst mehrere Wochen nach Ablauf der gesetzlichen Frist. Das Bundessozialgericht bestätigte das Urteil des Landessozialgericht für das Saarland, das die Beklagte zur Operation verurteilt hatte (Az.: B 1 KR 15/17 R).  Das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen, das die Leistungen für die zweite Klägerin abgelehnt hatte, hoben die Richter auf (Az.: B 1 KR 24/17 R). Die Pressemitteilung des BSG finden Sie hier. 

Bereits im Urteil vom 11.07.2017 - B 1 KR 1/17 R, BeckRS 2017, 122324 befasste sich das höchste Sozialgericht ausführlich mit der Pflicht der Krankenkasse zeitnah zu entscheiden. Gegenstand der Entscheidung war ein Antrag auf eine Liposuktion (Fettabsaugung). Als medizinisch erforderlich hatten ihn die behandelnden Ärzte befürwortet. Die Kasse ließ sich Zeit und lehnte, ohne die Verzögerung zu begründen, verspätet ab. Die Klägerin ließ die Liposuktion auf eigene Kosten in einer Privatklinik durchführen. Von ihrer Kasse verlangte sie die Erstattung ihrer Kosten.

Die Krankenkasse weigerte sich. Sie argumentierte, dass die beantragte Liposuktion nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre. Weder Qualität noch Wirksamkeit dieser neuen Behandlungsmethode seien ausreichend belegt. Diese Argumente überzeugten die Richter nicht. Sie gingen von einer subjektiven Betrachtungsweise aus. Es komme lediglich darauf an, ob die Klägerin die Leistung für erforderlich halten durfte, sagte das BSG. Es reiche, wenn die umstrittene Leistung nicht „offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs“ der gesetzlichen Krankenversicherung liege.  Aufgrund der fachlichen Befürwortung ihres Antrags durch ihre Ärzte zur Behandlung ihres Lipödems, durfte die Klägerin die Operation für geeignet und erforderlich halten, entschied das BSG. Einzelheiten zu den Voraussetzungen ambulanter und stationärer Leistungserbringung müsse sie nicht wissen. Außerdem sei die Klägerin mit der Leistungsablehnung nicht mehr an den zugelassenen Leistungserbringer gebunden, sagten die Richter. Sie könne die Operation dann in einer Privatklinik vornehmen lassen.

Was heißt Genehmigungsfiktion?

Eine Leistung gilt als genehmigt, wenn die Krankenkasse die gesetzliche Frist verstreichen lässt, ohne dem Versicherten einen hinreichenden Grund zu nennen warum die Bearbeitung des Antrags länger dauert. Mit den in § 13 Abs. 3a SGB V verankerten Fristen wollte der Gesetzgeber die Rechte der Patienten gezielt verbessern und gleichzeitig das Verhalten der Krankenkassen sanktionieren. Die Urteile sind ein Schritt, die Interessen der Patienten an zeitgerechten Entscheidungen der Kassen zu schützen. Das Bundessozialgericht zwingt die Krankenkassen sich zu beeilen.

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