Schule: Die Sache mit den Masken

von Sibylle Schwarz, veröffentlicht am 06.10.2020
Rechtsgebiete: BildungsrechtCorona|3438 Aufrufe

+++  Update vom 23.10.2020 zu Masken im Unterricht  +++ Maskenpflicht, durchlässige Maske, Gesichtsvisier, Maskenverweigerer, Befreiungen von der Maskenpflicht etwa aus medizinischen Gründen, … Nach den Sommerferien bis zum Beginn der Herbstferien am gestrigen Montag (in „meinem“ Bundesland Hessen, aber auch Hamburg, Schleswig-Holstein) wurden die (Verwaltungs-) Gerichte mit vielerlei Fragestellungen befasst. Hier eine (nicht vollständige) SAMMLUNG von Gerichtsentscheidungen dazu.

 

Nach den Schulschließung ab dem 16. März 2020 wurden die Schulen nach den Sommerferien schrittweise wieder geöffnet und gingen in allen Bundesländern zum schulischen Regelbetrieb über. Hierbei ist die Abstandsregel von 1,5 Metern überwiegend entfallen.

Endlich Sommerferien und danach? Schulischer Regelbetrieb ohne Mindestabstand

Es entstand die Maskenpflicht auf dem Schulgelände und bei Begegnungszonen wie Schulhof und Gebäudefluren sowie für kurze Zeit auch im Unterricht.

 

  • Staat kommt ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu
  • Popularrechtsbehelf auch während Covid-19 Pandemie unzulässig
  • Maskenpflicht in Schule von der Ermächtigungsgrundlage der §§ 32 Satz 2, 28 Abs. 1 IfSG gedeckt
  • durch das Tragen einer Maske ist keine Kindeswohlgefährdung zu befürchten
  • Verwendung eines von seiner Struktur her durchlässigen, da mit kleinen Löchern versehenen, Gaze- oder Spitzenstoffes nicht ausreichend
  • Gesichtsvisier könne nicht als Mund-Nasen-Bedeckung bzw. als Alternative angesehen werden
  • Coronaverordnung ermächtige nicht zu schulordnungsrechtlichen Maßnahmen bei Verletzung der Pflicht, Mund-Nase-Bedeckung zu tragen
  • bei Befreiung von der Maskenpflicht bedarf es ärztlichen Bescheinigungen, die konkrete und nachvollziehbare Angaben enthalten
  • nach Anstieg Infektionsfälle ordnet Landkreis auch während der gesamten Unterrichtszeit eine Maskenpflicht an
  • U P D A T E  16. Oktober 2020 Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Unterricht vorerst Bestand
  • U P D A T E  23. Oktober 2020 in einer sich zunehmend verschärfenden Infektionslage im Schulunterricht eine Alltagsmaske zu tragen

 

 

Staat kommt ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu

im Rahmen des „Baukastens“ der verschiedenen möglichen Infektionsschutzmaßnahmen dem Baustein „Mindestabstand“ weniger Gewicht einzuräumen, zulässig

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2020, 1 BvR 1027/20

„… Doch kommt dem Gesetzgeber auch dann, wenn er dem Grunde nach verpflichtet ist, Maßnahmen zum Schutz eines Rechtsguts zu ergreifen, ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu …“

 

Sächsisches Oberveraltungsgericht, Beschluss vom 10. Juni 2020, 3 B 194/20

„… Neben dem Schutz vor staatlichen Eingriffen ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG für den Staat die Pflicht, das Leben des Einzelnen zu schützen. Die Schutzpflicht besteht zugunsten der körperlichen Unversehrtheit und dem psychischen Wohlbefinden. … Der Staat hat seiner Schutzpflicht beispielsweise durch Erlass entsprechender materieller Vorschriften nachzukommen. Dabei hat er allerdings einen erheblichen Spielraum. Die Maßnahmen dürfen nicht gänzlich ungeeignet und völlig unzulänglich sein und nicht erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben.

Eine Konkretisierung der Schutzpflicht in dem Sinn, dass allein das Ergreifen einer bestimmten Maßnahme verfassungsmäßig ist, kommt nur selten in Betracht …“

 

Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 7. August 2020, VG 14 L 234/20

„… Sie befinden darüber, welche Schutzmaßnahmen zweckdienlich und geboten sind, um einen wirksamen Lebensschutz zu gewährleisten (BVerfG, Beschluss vom 16.10.1977 - 1 BvQ 5/77 -, juris Rn. 13 f.). … Dafür gibt das Grundgesetz nur den Rahmen, nicht aber bestimmte Lösungen vor. …

Vielmehr hat die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie einen landesweiten Musterhygieneplan erstellt, auf dessen Grundlage jede Schule einen individuellen Hygieneplan zu erstellen hat (vgl. Pressemitteilung SenBJF vom 04.08.2020, http://www.berlin.de/sen/bjf/service/ presse/schulstart-2020_2021.pdf/, abgerufen am 06.08.2020). Nach diesem Musterhygieneplan ist eine Vielzahl von Schutzvorkehrungen vorgesehen. …

Zwar trifft es zu, dass das Infektionsrisiko für jede Schülerin und jeden Schüler ein erhöhtes ist, wenn der Präsenzunterricht in den Schulen ohne Mindestabstand von 1,5 Metern abgehalten wird, jedoch sieht die Verwaltung eine Vielzahl anderer Maß-nahmen vor, die geeignet sind, das Infektionsrisiko im Schulunterricht signifikant zu senken, und die den aktuellen Empfehlungen des Robert Koch-Instituts folgen (ins-besondere Mund-Nasen-Bedeckung zumindest außerhalb des Unterrichts, Lüften, Handhygiene). Die politische Entscheidung, im Rahmen des „Baukastens“ der verschiedenen möglichen Infektionsschutzmaßnahmen dem Baustein „Mindestabstand“ weniger Gewicht einzuräumen, hält sich im Rahmen des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums des Verordnungsgebers und der Verwaltung bei der Umsetzung staatlicher Schutzpflichten. …“

 

 

Popularrechtsbehelf auch während Covid-19 Pandemie unzulässig

Verwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 6. August 2020, 3 E 3336/20

„Das Gericht hat den Antrag des Antragstellers, die Schulbehörde zu verpflichten, in Schulen für Schüler und für das Lehrpersonal das Tragen von Mund-Nasen-Schutz auch während des Unterrichts anzuordnen, gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes dahingehend ausgelegt, dass er den Erlass einer solchen Anordnung durch die zuständige Stelle begehrt. …

Zweifelhaft ist aber, ob der Antragsteller entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt ist. Um einen Popularrechtsbehelf auszuschließen, muss es nach dem Vorbringen des  Antragstellers – auch insoweit obliegt ihm gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO die Glaubhaftmachung – zumindest möglich erscheinen, dass dieser in eigenen Rechten verletzt ist oder ihm eine solche Verletzung droht. Dass es dem Antragsteller um die Geltendmachung eigener Rechte geht, ist jedenfalls den kurzen Erwägungen, die er zur Begründung seines Antrags mitgeteilt hat, nicht zu entnehmen. Vielmehr begründet er den aus seiner Sicht bestehenden Anspruch lediglich allgemein und ohne Individualbezug. Inwiefern er durch die fehlende Anordnung einer Maskenpflicht während des Schulunterrichts selbst beeinträchtigt werden könnte – ob er etwa als Lehrer an einer Schule tätig, selbst Schüler oder als Vater eines schulpflichtigen Kindes betroffen ist –, legt er nicht dar. Sollte der Antragsteller keiner der genannten Gruppen angehören, liegt es im Übrigen an ihm, sein Infektionsrisiko durch Wahrung des Mindestabstandes und Befolgung der Maskenpflicht (z.B. in Einkaufsgeschäften und im ÖPNV) zu minimieren. …“

 

 

Maskenpflicht in Schule von der Ermächtigungsgrundlage der §§ 32 Satz 2, 28 Abs. 1 IfSG gedeckt

aus Maskenpflicht resultierende Eingriff in Grundrechte der Schüler durch die zeitliche Begrenzung der Maßnahme und die Ausnahmeregelungen in Grenzen hält

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 7. September 2020, 20 NE 20.1981

„Mit seinem Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO verfolgt der von seiner Mutter vertretene Antragsteller das Ziel, den Vollzug der … einstweilen auszusetzen, soweit er durch § 16 Abs. 2 Satz 1 der 6. BayIfSMV zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) im Schulunterricht verpflichtet wird. …

1. Der Eilantrag ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. …

… Die angegriffenen Bestimmungen zum Bestehen einer Maskenpflicht im Schulunterricht des Klägers nach § 16 Abs. 2 Satz 1 6. BayIfSMV dürften von der Ermächtigungsgrundlage der § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG gedeckt sein. … davon ausgegangen, dass die im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie erlassenen Bestimmungen in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG grundsätzlich eine ausreichende Rechtsgrundlage finden dürften … Die Verpflichtung zum Tragen einer MNB im Unterricht stellt in diesem Zusammenhang eine Maßnahme zur Ermöglichung des Präsenz-Unterrichts dar und ist als betriebliche Regelung als einer gegenüber einer Schließung unterschwellige Maßnahme von der Ermächtigungsgrundlage der §§ 32 Satz 2, 28 Abs. 1 IfSG gedeckt …

 

… dass die Verpflichtung für Schülerinnen und Schüler in Bayern, vorübergehend (nach der erklärten Absicht des Antragsgegners zunächst nur für die ersten neun Schultage des Schuljahres) eine MNB auch während des Unterrichtes zu tragen, keiner parlamentarischen Regelung durch den Bundesgesetzgeber bedarf. Zum einen hält sich der durch die streitgegenständliche Maskenpflicht resultierende Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) der Schüler durch die zeitliche Begrenzung der Maßnahme und die Ausnahmeregelungen in Grenzen. … Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zum Tragen der MNB für bestimmte Schülergruppen und aus zwingenden pädagogisch-didaktischen oder schulorganisatorischen Gründen nach § 16 Abs. 2 Satz 2 6. BayIfSMV und nach den allgemeinen Ausnahmeregeln nach § 1 Abs. 2 6. BayIfSMV nicht gilt. …

 

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die betroffenen Schüler, vorbehaltlich etwaiger Ausnahmen zum Eigenschutz oder Schutz vorerkrankter Angehöriger, zwar grundsätzlich der Schulpflicht unterliegen und sich der Maßnahme von daher nicht entziehen können. Diese Konsequenz wird jedoch zumindest partiell dadurch abgemildert, dass regelhaft Ausnahmen von der Pflicht zum Tragen einer MNB im Einzelfall aufgrund pädagogischer und medizinischer Gründe zugelassen sind …

 

Bei einer Abwägung zeitlich befristeter (vom Verordnungsgeber fortlaufend auf ihre Verhältnismäßigkeit zu evaluierender, vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 31/20 –) Eingriffe in das Grundrecht der Normadressaten auf persönliche Freiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) mit dem Grundrecht behandlungsbedürftiger, teilweise lebensbedrohlich erkrankender Personen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG setzt sich der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit durch (ebenso i. Erg.: OVG NRW, B. v. 20.8.2020 – 13 B 1197/20.NE) …“

 

Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss vom 20. August 2020, 13 B 1197/20.NE

„Die Antragsteller sind Schüler, die weiterführende Schulen im Kreis Euskirchen besuchen. Sie wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die im Zuge der Bekämpfung der Corona-Pandemie angeordnete Verpflichtung, während des Unterrichts grundsätzlich eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen. …

Die nach § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 3 CoronaBetrVO normierte Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung während Unterrichts liegen angesichts der sich gegenwärtig wieder verschärfenden Pandemielage vor. Insbesondere stellt die Verpflichtung zum Tragen der Mund-Nase-Bedeckung auch während des Unterrichts in dieser Situation eine Schutzmaßnahme i. S. d. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dar. …

Die Maßnahme dient einem legitimen Zweck. Sie soll dazu beitragen, die Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus unter den Schülern und Lehrern sowie deren Bezugspersonen außerhalb des Unterrichts zumindest zu reduzieren und hierdurch die Virusausbreitung in der Bevölkerung insgesamt (bis zur Entwicklung von antiviralen Medikamenten oder von Impfstoffen) einzudämmen. Damit wiederum soll die mit einer unkontrollierten Infektionsausbreitung einhergehende Gefahr einer Erkrankung vieler Menschen mit teilweise schwerwiegenden und tödlichen Krankheitsverläufen sowie einer Überforderung des Gesundheitssystems vermieden werden. …

Nach dieser Maßgabe dürfte sich die grundsätzliche Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung auch während des Unterrichts als geeignet zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks erweisen, die mit der Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts in den weiterführenden Schulen verbundene Ansteckungsgefahr zu reduzieren. Ein Mittel ist bereits dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht wird oder jedenfalls erreichbar ist; die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt. vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. April 1997 - 2 BvL 45/92 …

Die Maßnahme dürfte mit Blick auf die besonderen, die Infektionsausbreitung strukturell begünstigenden Bedingungen des Schulbetriebs auch erforderlich sein. … die gegenwärtig notwendige Anpassung des Schulalltags, weil der reguläre Schulbetrieb mit weitgehendem Präsenzunterricht typischerweise mit einem erhöhten Infektionsrisiko einhergeht. …

Schließlich ist die streitgegenständliche Regelung unter Abwägung der gegenläufigen verfassungsrechtlichen Positionen derzeit auch noch angemessen. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es das einzig objektiv richtige angemessene Abwägungsergebnis nicht gibt. Dies gilt schon deshalb, weil der Abwägungsentscheidung des Verordnungsgebers eine von zahlreichen Unbekannten gekennzeichnete und stetig fortschreitende wissenschaftliche Erkenntnislage zu Grunde liegt, Folgen von bereits erfolgten Lockerungen der Schutzmaßnahmen erst mit Zeitverzögerungen ersichtlich werden und die einzelnen Schutzmaßnahmen ohnehin nicht isoliert betrachtet werden können, sondern Teil eines Gesamtpakets zur Reduzierung der Verbreitungsgeschwindigkeit des Virus sind. Lockerungen an einer Stelle können deswegen Beschränkungen an anderer Stelle zur Folge haben und umgekehrt. …

… Ausgehend hiervon steht der beabsichtigte Verordnungszweck nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs. Unverkennbar führt die Maßnahme zuvörderst zu Beschränkungen des Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG). Diese Rechte gelten jedoch nicht unbeschränkt, sondern unterliegen einem Gesetzesvorbehalt und treten hier im Ergebnis gegenüber dem mit der Verordnung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) sowie dem Recht auf schulische Erziehung und Bildung (§ 1 Abs. 1 SchulG NRW, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 LV NRW) zurück. …

Schließlich ist die Verordnung in ihrer zeitlichen Geltung befristet …“

 

 

Maskenpflicht verletzt nicht das Erziehungsrecht der Eltern

durch das Tragen einer Maske ist keine Kindeswohlgefährdung zu befürchten

Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 28. August 2020, 3 MR 37/20 (Pressemitteilung)

„Die in der schleswig-holsteinischen Corona-Bekämpfungsverordnung angeordnete Pflicht für Schülerinnen und Schüler auf dem Schulgelände außerhalb des Unterrichts eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen verletzt nicht das Erziehungsrecht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG), das auch umfasst, das Kindeswohl zu schützen. Durch das Tragen einer Maske ist keine Kindeswohlgefährdung zu befürchten; denn in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) wird dadurch nicht eingegriffen. …

Der Senat bezweifelt, ob das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit durch die Maskenpflicht an den Schulen überhaupt berührt werde. Es bestünden derzeit keine belastbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür, dass das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung in der Schule geeignet wäre, maßgebliche allgemeine Gesundheitsgefahren für Schülerinnen und Schüler hervorzurufen. …“

 

 

Verwendung eines von seiner Struktur her durchlässigen, da mit kleinen Löchern versehenen, Gaze- oder Spitzenstoffes nicht ausreichend

Verwaltungsgericht Koblenz, Beschluss vom 7. September 2020, 4 L 764/20.KO

„Soweit die Antragstellerin vorläufig die künftige Unterlassung der Untersagung, den Pausenhof während der Pausenzeiten zu betreten, begehrt, hat die Kammer eben-falls Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags.

Denn auch hinsichtlich dieses – in der Hauptsache auf Unterlassung eines Verwaltungsaktes gerichteten Antrags – ist die Erforderlichkeit des begehrten vorläufigen vorbeugenden Rechtsschutzes zweifelhaft. Zwar ist auch aufgrund der in der Verwaltungsakte befindlichen Stellungnahmen der Klassenlehrerin und der Schulleitung zu erwarten, dass der Antragstellerin beim Tragen der selbstgenähten Mund-Nasen-Bedeckungen aus Gaze-Stoff bzw. Spitzenstoff mit Lochstickerei in absehbarer Zeit erneut das Betreten des Pausenhofs während der Pausenzeiten untersagt wird. …

Rechtliche Grundlage für eine solche Untersagung ist das dem Schulleiter in schulischen Aufgaben zustehende öffentlich-rechtliche Hausrecht. … Das öffentlich-rechtliche Hausrecht des Schulleiters dient dementsprechend der Aufrechterhaltung des sicheren und geordneten Schulbetriebs als Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Schule …

Entsprechend des Schutzzwecks des Hausrechts, den ungestörten Ablauf des Schulbetriebs zu gewährleisten, setzt dessen Ausübung grundsätzlich eine Störung desselben voraus. Eine solche Störung kann bei Gefahren für andere Schüler oder Lehrer oder bei einer fehlenden Einhaltung der der Aufrechterhaltung eines geordneten Schulbetriebs dienenden Regelungen vorliegen.

Gemessen an diesen Maßgaben ist es bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden, wenn die Schulleiterin bei Nutzung der selbstgenähten Masken der Antragstellerin aus Gaze- bzw. Spitzenstoff eine Störung des Schulbetriebs annimmt und im Rahmen ihres Hausrechts der Antragstellerin das Betreten des Pausenhofs während der Pausenzeiten untersagt. …

Zwar enthält weder § 1 Abs. 3 10. CoBeLVO noch der Hygieneplan Schulen Anforderungen an die Ausgestaltung der Mund-Nasen-Bedeckung, insbesondere an den verwendeten Stoff. Auch die Auslegungshilfe zur Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, Stand: 20. Mai 2020, abrufbar unter https://corona.rlp.de, sieht lediglich vor, dass das Tragen von Alltagsmasken und die Bedeckung von Mund und Nase mit Schal oder Tuch ausreichend sind ohne weiter auf den zu verwendenden Stoff einzugehen. Aus dem Schutzzweck der Vorschriften ergibt sich jedoch, dass die Verwendung eines von seiner Struktur her durchlässigen, da mit kleinen Löchern versehenen, Gaze- oder Spitzenstoffes nicht ausreichend ist. …

… dass nur solche Mund-Nase-Bedeckungen als geeignet im Sinne von § 12 Abs. 1, § 1 Abs. 3 10. CoBeLVO i.V.m. dem Hygieneplan Schule anzusehen sind, die durch die Dichtigkeit des textilen Stoffes eine Filterwirkung hinsichtlich feiner Tröpfchen und Partikel bewirken können …“

 

 

Gesichtsvisier könne nicht als Mund-Nasen-Bedeckung bzw. als Alternative angesehen werden

Verwaltungsgericht Neustadt, Beschluss vom 10. September 2020, 5 L 757/20.NW (Pressemitteilung)

„Ein Schüler einer Schule in Speyer darf auf dem Schulgelände kein Gesichtsvisier („Face Shield“) statt einer Alltagsmaske tragen. …

Mund-Nasen-Bedeckungen, auch Alltagsmasken oder Community-Masken genannt, hätten unabhängig von einer Kennzeichnung oder zertifizierten Schutzkategorie die Funktion, als mechanische Barriere dazu beizutragen, die Verbreitung durch virushaltige Tröpfchen in die unmittelbare Umgebung, die man z.B. beim Sprechen, Husten oder Niesen ausstoße, zu reduzieren und dadurch andere Personen zu schützen (Fremdschutz). Deshalb müsse die Mund-Nasen-Bedeckung möglichst eng anliegen und gut sitzen, um das Vorbeiströmen von Luft an den Rändern der Maske zu verringern. Unter den Begriff der „Mund-Nasen-Bedeckung“ fielen nach dem Sinn und Zweck der Maskenpflicht Masken, die aus handelsüblichen Stoffen genäht würden. Ein Gesichtsvisier könne – zumindest nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand – nicht als Mund-Nasen-Bedeckung bzw. als Alternative zur Mund-Nasen-Bedeckung angesehen werden. Aktuelle Studien wiesen darauf hin, dass die Rückhaltewirkung von Visieren auf ausgestoßene respiratorische Flüssigkeitspartikel deutlich schlechter sei. Denn Visiere könnten in der Regel maximal die direkt auf die Scheibe auftretenden Tröpfchen auffangen. …“

 

 

Coronaverordnung ermächtige nicht zu schulordnungsrechtlichen Maßnahmen bei Verletzung der Pflicht, Mund-Nase-Bedeckung zu tragen

schulordnungsrechtliche Maßnahmen bei Pflichtverletzungen durch Schüler kommen grundsätzlich aber in Betracht

Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 25. August 2020, 18 L 1608/20

„Zwei Schüler eines Gymnasiums am Niederrhein sind nach der Weigerung, im Unterricht eine geeignete Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, zu Unrecht von der Teilnahme am Präsenzunterricht ausgeschlossen worden. …

Zunächst handelt es sich bei der angefochtenen Maßnahme entgegen der Ansicht des Antragsgegners um einen Ausschluss vom Unterricht, und damit um einen belastenden Verwaltungsakt. …

… Verpflichtung der Schüler einer weiterführenden Schule, auch im Unterricht eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen (§ 1 Abs. 3 CoronaBetrVO). Sie enthält jedoch keine Befugnisnorm, aus der sich die Ermächtigung eines Schulleiters ergibt, Schüler vom Präsenzunterricht fernzuhalten, wenn sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Offenbleiben kann, ob gegebenenfalls den zuständigen Infektionsschutzbehörden entsprechende Befugnisse zustehen (vgl. § 5 CoronaBetrVO bzw. § 28 Infektionsschutzgesetz (IfSG)) und ob von diesen Behörden - was aus dem entsprechenden Bußgeldkatalog nicht ohne weiteres ersichtlich ist (vgl. Ordnungswidrigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz im Zusammenhang mit der Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO) (Stand: 12. August 2020)) - gegebenenfalls ein Bußgeld verhängt werden kann. Denn vorliegend hat unzweifelhaft die Schulleiterin der Schule gehandelt. ….

 

Soweit die Schulleiterin für den Unterrichtsausschluss zunächst auf § 54 Abs. 3 SchulG NRW Bezug genommen hatte, lässt sich ein Ausschluss auf diese Rechtsgrundlage vorliegend voraussichtlich nicht stützen. Nach § 54 Abs. 3 SchulG NRW können Schülerinnen und Schüler, deren Verbleib in der Schule oder deren Teilnahme an anderen schulischen Veranstaltungen eine konkrete Gefahr für die physische oder psychische Unversehrtheit anderer oder die eigene bedeutet, vorübergehend oder dauernd vom Schulbesuch ausgeschlossen werden. Dabei ist diese Entscheidung aufgrund eines regelmäßig zu überprüfenden amtsärztlichen Gutachtens zu treffen (§ 54 Abs. 3 Satz 2 SchulG NRW). Allerdings ist die Schulleiterin oder der Schulleiter bei Gefahr im Verzug befugt, einen vorläufigen Ausschluss vom Besuch der Schule auszusprechen, wobei in diesem Fall das amtsärztliche Gutachten unverzüglich nachträglich einzuholen ist (§ 54 Abs. 3 Sätze 3 und 4 SchulG NRW). Die danach auch im Falle eines vorläufigen Ausschlusses vom Besuch der Schule erforderliche konkrete Gefahr für die physische oder psychische Unversehrtheit anderer oder die eigene ist hier - jedenfalls nicht ohne Weiteres - ersichtlich. Die Norm zielt in erster Linie auf die Ermöglichung eines Ausschlusses von Schülerinnen oder Schülern, die etwa aufgrund einer ansteckenden Krankheit eine Gefahr für andere Schülerinnen und Schüler darstellen. ….

 

Zwar dürften Ordnungsmaßnahmen nach § 53 SchulG NRW grundsätzlich geeignet sein, eine Reaktion auf ein Fehlverhalten in Form der Verletzung von Pflichten nach der Coronabetreuungsverordnung darzustellen. Auch dürfte vorliegend von einer solchen Pflichtverletzung durch die Antragsteller aufgrund der Verwendung einer nicht geeigneten Mund-Nase-Bedeckung auszugehen sein. Denn die Antragsteller haben dem Vortrag des Antragsgegners nicht widersprochen, dass sie am 12. und 13. August 2020 in der Schule eine Mund-Nase-Bedeckung aus einem durchlässigen Mückenschutzstoff getragen haben und weiterhin lediglich bereit sind, eine derartige „leichte“ Mund-Nase-Bedeckung zu tragen. Zwar ist den Antragstellern zuzugeben, dass § 1 Abs. 3 CoronaBetrVO den Schülern nicht das Tragen einer bestimmten Mund-Nase-Bedeckung vorschreibt. Es steht ihnen deshalb frei, die bei hohen Temperaturen von Seiten der Ärzteschaft empfohlenen, einfachen chirurgischen Mund-Nase-Bedeckung zu verwenden, die meist erheblich dünner sind als selbst genähte Baumwollmasken, um so das Schwitzen unter der Bedeckung zu verringern. …

Liegt danach zwar eine Verletzung der Pflicht aus § 1 Abs. 3 CoronaBertrVO vor, hat die Schule hierauf jedoch nicht in einer den Erfordernissen des § 53 SchulG NRW genügenden Weise reagiert. Denn der vorliegend einzig in Betracht kommende vorübergehende Ausschluss vom Unterricht nach § 53 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SchulG NRW ist für einen konkreten Zeitraum zwischen einem Tag und zwei Wochen auszusprechen. Ferner ist die Wahl der konkreten Länge im Rahmen entsprechender Ermessenserwägungen zu begründen. Beiden Erfordernissen genügt der von der Schulleiterin ausgesprochene Unterrichtsausschluss, der offenbar solange gelten soll, wie die Antragsteller in der Schule keine geeignete Mund-Nase-Bedeckung tragen, nicht. …“

 

 

bei Befreiung von der Maskenpflicht bedarf es ärztlichen Bescheinigungen, die konkrete und nachvollziehbare Angaben enthalten

Bayerisches Verwaltungsgericht Würzburg, Beschluss vom 16. September 2020 , W 8 E 20.1301

„Die Antragstellerinnen begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Feststellung, dass sie aus gesundheitlichen Gründen von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung auf dem Schulgelände der von ihnen besuchten Grundschule befreit sind und ihnen der Besuch der Grundschule ohne Mund-Nasen-Bedeckung bzw. das Tragen eines Visiers gestattet wird. … Zur Begründung … Die Antragstellerinnen könnten aus gesundheitlichen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckungen tragen, was mit ärztlichen Attesten belegt sei. …

… auszulegen, dass die Antragstellerinnen die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zum einen die Feststellung begehren, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf dem Schulgelände der von ihnen besuchten Volksschule K. verpflichtet sind, und zum anderen der Schulbesuch ohne das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung bzw. eines Visiers gestattet wird. Der so verstandene Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist zulässig, aber nicht begründet, da die Antragstellerinnen keinen Anordnungsanspruch dahingehend glaubhaft gemacht haben. …

Das Gericht hat zunächst keine durchgreifenden Zweifel an der Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit der in § 16 Abs. 2 Satz 1 6. BayIfSMV angeordneten Maskenpflicht auf dem Schulgelände an sich …

… Diese Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Maskenpflicht im Unterricht an weiterführenden Schulen ist inhaltlich und im Ergebnis auf die Maskenpflicht auf dem Schulgelände übertragbar, da letztere aus Sicht der Kammer weniger eingriffsintensiv ist, …

Die Antragstellerinnen haben jedenfalls keine gesundheitlichen Gründe zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht, die ihnen das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar machen würden. …

Das Gericht muss ebenso wie die Schulleitung in die Lage versetzt werden, das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen selbstständig zu überprüfen. Im konkreten Fall wird die Befreiung von der Maskenpflicht aus gesundheitlichen Gründen geltend gemacht.

Für eine Glaubhaftmachung bedarf es somit – wie auch in anderen Rechtsgebieten – ärztlicher Bescheinigungen, die konkrete und nachvollziehbare Angaben enthalten, um dem Gericht eine Überprüfung zu ermöglichen, zumal die Antragstellerinnen die Verbesserung ihrer rechtlichen Position begehren …

Die Schulleiterin unterliegt – wie im Übrigen auch alle anderen Lehrkräfte der Schule – als Beamtin der Pflicht zur Verschwiegenheit (§ 37 Abs. 1 BeamtStG). Darüber hinaus sind Schulen gemäß Art. 85 Abs. 1 BayEUG befugt, personenbezogene Daten der Schülerinnen und Schüler zu verarbeiten. Dafür, dass dies generell bzw. im Einzelfall der Volksschule K. nicht datenschutzgerecht erfolgt, ist nicht substantiiert vorgetragen oder sonst ersichtlich. …“

 

 

nach Anstieg Infektionsfälle ordnet Landkreis auch während der gesamten Unterrichtszeit eine Maskenpflicht an

Verwaltungsgericht Koblenz, Beschluss vom 6. Oktober 2020, 3 L 873/20.KO

„Nach einem starken Anstieg der Infektionsfälle mit dem Coronavirus ordnete der Landkreis Neuwied (Rheinland-Pfalz) mit Allgemeinverfügung vom 1. Oktober 2020 unter anderem an, dass an allen Schulen im Landkreis auch während der gesamten Unterrichtszeit eine Maskenpflicht gilt.

Der zulässige Antrag der Antragsteller, nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 2. Oktober 2020

gegen die in Ziffer 1 der Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 1. Oktober 2020 enthaltene

und gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. §§ 28 Abs. 3, 16 Abs. 8 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) sofort vollziehbare Anordnung

einer Maskenpflicht an allen Schulen im Landkreis A*** anzuordnen, soweit sie die Unterrichtszeit betrifft, hat in der Sache keinen Erfolg. …

Dabei können allerdings wegen des summarischen Charakters des Eilverfahrens und seiner nur begrenzten Erkenntnismöglichkeiten weder schwierige Rechtsfragen vertieft oder abschließend geklärt, noch komplizierte Tatsachenfeststellungen getroffen werden; solches muss dem Hauptsacheverfahren überlassen bleiben …

Gemessen daran kommt nach derzeitigem Sach- und Streitstand die beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die angefochtene Anordnung nicht in Betracht. Denn nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung sind auch im Hinblick auf den Vortrag der Antragsteller die Erfolgssausichten ihres Widerspruchs derzeit als offen zu beurteilen. Die somit vorzunehmende Interessenabwägung geht hier zu Lasten der Antragsteller aus, da überwiegende private Interessen an einer Aussetzung der Vollziehung nicht bestehen. …

Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung kann ihre Rechtsgrundlage nur in § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG finden. … Zuständige Behörde ist nach § 2 der Landesverordnung zur Durchführung des Infektionsschutzgesetzes grundsätzlich die Kreisverwaltung. …

Allerdings stellt sich insbesondere die Frage, ob die Anordnung der Maskenpflicht während der gesamten Schulzeit an sämtlichen Schulen im Kreisgebiet, d.h. auch an solchen Schulen, bei denen bislang keine Infektionsfälle festgestellt werden konnten, erforderlich ist oder ob es gleich geeignete mildere Maßnahmen gegeben hätte. … Es bedarf insoweit einer umfassenden rechtlichen Prüfung, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt. …

Erweist sich somit die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Ziffer 1 der Allgemeinverfügung als offen, fällt die somit vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller hier – auch und gerade im Lichte des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitenden staatlichen Schutzauftrages – zu Lasten der Antragsteller aus. … Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe überwiegt das öffentliche Interesse an Leben, körperlicher Unversehrtheit und Gesundheit der Allgemeinheit und Einzelner sowie an der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens das private Interesse der Antragsteller, von der angeordneten Maskentragungspflicht während des Unterrichts verschont zu bleiben. …

 

Im Übrigen gilt weiterhin die sich aus dem Schulverhältnis ergebende Fürsorgepflicht, aufgrund derer die Lehrkräfte auch auf akut auftretende Beeinträchtigungen während des Unterrichts, wie z.B. Atemprobleme und auch etwaig auftretende erhebliche Leistungs- und Konzentrationseinbußen infolge langer Tragezeiten im Einzelfall in geeigneter und den Infektionsschutz wahrender Weise reagieren können …“

 

 

U P D A T E  16. Oktober 2020

Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Unterricht vorerst Bestand hat

Presseinformation des Schl.-Holst. Oberverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2020

„Der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts hat durch Beschluss vom heutigen Tage einen gegen das „Beherbergungsverbot“ der Landesregierung gerichteten Eilantrag als unbegründet abgelehnt (Az. 3 MR 45/20). …

 

Des Weiteren wurde heute entschieden, dass die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Unterricht, auf dem Gelände von Schulen und bei schulischen Veranstaltungen außerhalb des Schulgeländes nach der Schulen-Coronaverordnung des Bildungsministeriums vom 6. Oktober 2020 (Az. 3 MR 43 /20) vorerst Bestand hat.

 

Nach den angegriffenen Regelungen besteht eine Ausnahme von der Maskenpflicht im Unterrichtsraum nur im Falle von Prüfungen und Vorträgen, wenn ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten werden kann. Entsprechendes gilt in der Mensa und auf dem Schulhof sowie bei schulischen Veranstaltungen außerhalb des Schulgeländes.

Antragstellerin in diesem Verfahren ist eine Schülerin der Sekundarstufe I, die geltend macht, dass die in der Verordnung vorgesehenen Ausnahmen von der Maskenpflicht zu streng seien.

Der 3. Senat weist demgegenüber darauf hin, dass sich die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Unterricht unterhalb der Schwelle einer Schulschließung als Maßnahme zur Ermöglichung des Präsenzunterrichts darstelle und vom Infektionsschutzgesetz gedeckt sei. Zulässigerweise eröffne das Gesetz der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum an geeigneten Schutzmaßnahmen, da sich die Bandbreite der bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommenden Schutzmaßnahmen nicht im Vorfeld bestimmen lasse. Die hier getroffenen Anordnungen seien zur Erreichung des Ziels, einer Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus vorzubeugen, geeignet, erforderlich und auch angemessen.

Dass es bei Kindern und Jugendlichen durch das mehrstündige Tragen einer Alltagsmaske zu gravierenden körperlichen Einschränkungen komme, sei medizinisch nicht belegt.

Im Übrigen habe der Verordnungsgeber dem Schutzgut der körperlichen Unversehrtheit dadurch Rechnung getragen, indem er für Personen mit körperlicher, geistiger oder psychischer Beeinträchtigung eine Ausnahme zulasse.

Schließlich sei es Sache der Eltern und der Lehrerschaft, das richtige Aufsetzen der Maske zu üben und die Kinder anzuhalten, die Masken regelmäßig zu wechseln. Dies sei auch zehnjährigen Kindern vermittelbar.

Psychische Beeinträchtigungen vermochte die Antragstellerin nicht hinreichend substantiiert darzulegen. Im Übrigen bestehe die Maskentragungspflicht nur im schulischen Kontext und hier auch nur für die ersten zwei Wochen nach den Herbstferien. Der Ver-gleich zu den in anderen Bundesländern bestehenden Regelungen ergebe keine andere Bewertung, weil der Normgeber des jeweiligen Landes nur innerhalb seines Herrschaftsbereiches den Gleichheitssatz zu wahren habe.“

[Hervorhebungen durch Bloggerin]

 

 

U P D A T E  23. Oktober 2020

in einer sich zunehmend verschärfenden Infektionslage im Schulunterricht eine Alltagsmaske zu tragen

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Oktober 2020, 1 S 3201/20, hier Pressemitteilung:

„Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat mit heute bekanntgegebenem Beschluss von gestern einem Eilantrag gegen die Pflicht, im Schulunterricht eine Alltagsmaske zu tragen, abgelehnt.

Gegenstand des Verfahrens war die Regelung in § 6a Nr. 1 der Corona-Verordnung Schule in der ab gestern geltenden geänderten Fassung (Fassung vom 21. Oktober 2020, in Kraft seit 22. Oktober 2020).

Diese bestimmt, dass in Schulen ab Klasse 5 die Pflicht zum Tragen einer nicht-medizinischen Alltagsmaske oder einer vergleichbaren Mund-Nasen-Bedeckung auch in den Unterrichtsräumen gilt, wenn die Anzahl der Neuinfektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus nach Feststellung des Landesgesundheitsamts im landesweiten Durchschnitt in den vergangenen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner die Zahl von 35 überschreitet.

Die Maskenpflicht gilt nicht in Zwischen- und Abschlussprüfungen, sofern das Abstandsgebot von 1,5 Metern zwischen den Personen eingehalten wird. Eine Ausnahme gilt auch für die Nahrungsaufnahme (Essen und Trinken); in den Pausenzeiten darf außerhalb der Schulgebäude die Mund-Nasen-Bedeckung abgenommen werden, solange der Mindestabstand zwischen den Personen von 1,5 Metern eingehalten wird. …

 

Der 1. Senat des VGH hat den Eilantrag abgelehnt. Um die Weiterverbreitung von COVID-19 zu begrenzen, sei eine Maskenpflicht im Unterricht ein geeignetes Mittel. Das Robert Koch-Institut, die Ad-hoc-Kommission SARS-CoV-2 der Gesellschaft für Virologie und die Heidelberg-Studie zum Infektionsgeschehen bei Kindern hätten sich übereinstimmend für ein Tragen von Alltagsmasken auch im Unterricht als wirksames Mittel ausgesprochen.

 

Die Maskenpflicht greife zwar in die Rechte der Antragsteller ein, dieser Eingriff sei jedoch gerechtfertigt. Ihr Recht, das eigene äußere Erscheinungsbild selbstverantwortlich zu bestimmen, werde beeinträchtigt. Mit dieser Beeinträchtigung gingen Einschränkungen unter anderem in der Kommunikation und sozialen Interaktion aufgrund der Verdeckung des Gesichts und der Mimik sowie Erschwernisse bei der ungehinderten Atmung und damit unter Umständen dem Wohlbefinden während des Unterrichts einher. Dem stünden jedoch die ebenfalls gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener und die damit verbundene Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands gegenüber. Derzeit bestehe wieder die Gefahr, dass ohne weitere Maßnahmen die inzwischen wieder deutlich erhöhte Infektionsgeschwindigkeit sehr schnell weiter zunehme, zurzeit noch in Grenzen bestehende Steuerungsmittel wie behördliche Kontaktnachverfolgungen wegfielen und es in der Folge zu einer Überlastung des Gesundheitswesens komme. Seit Anfang September nehme zudem der Anteil älterer - besonders gefährdeter und deshalb auch für die Auslastung des Gesundheitssystems besonders relevanter - Personen unter den COVID-19-Fällen wieder zu.

 

Es sei auch nicht zu beanstanden, die Maskenpflicht im Unterricht landesweit vorzusehen. Die von den Antragstellern befürwortete, an Stadt- oder Landkreisgrenzen orientierte Betrachtung würde dem tatsächlichen Infektionsgeschehen, das sich nicht nach solchen Grenzen richte, nicht gerecht. Die dem aktuellen Anstieg der Infektionszahlen zugrundeliegende Entwicklung zeige, dass sich Infektionen inzwischen vielfach diffus ausbreiten und Stadt- und Kreisgrenzen in teils kürzester Zeit überschreiten würden. Eine auf solche Grenzen blickende Betrachtung würde zudem außer Acht lassen, dass Schüler und Lehrer solche Grenzen in vielen Fällen täglich überschritten.“

[Hervorhebungen durch Bloggerin]

 

Ähnlich – Verwaltungsgericht Wiesbaden, Beschluss vom 22. Oktober 2020, 7 L 1167/20.WI, Pressemitteilung

„… Die Voraussetzungen für den Erlass der Anordnungen nach dem Infektionsschutzgesetz lägen vor.

Zwar bestimme § 3 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Corona-Verordnung, dass die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Schule nicht während des Präsenzunterrichts im Klassen- oder Kursverband bestehe. Allerdings dürften nach der Öffnungsklausel in § 11 der Zweiten Corona-Verordnung die örtlich zuständigen Behörden auch über die Verordnung hinausgehende Maßnahmen anordnen.

 

Auch in Wiesbaden zeige sich eine zunehmend verschärfende Infektionslage, die auch bei Erlass der Allgemeinverfügungen bereits gegeben gewesen sei. Vor dem Ende der Herbstferien sei die 7-Tage-Inzidenz von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner überschritten gewesen. Unmittelbar nach Erlass der Allgemeinverfügungen seien es mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen 7 Tagen gewesen. Ab den Herbstferien habe sich das Infektionsgeschehen auf dem Gebiet der Landeshauptstadt Wiesbaden äußerst dynamisch entwickelt. Es gebe zahlreiche Infizierte und Kranke und auch eine unbestimmte Zahl an Krankheitsverdächtigen, was nach dem Infektionsschutzgesetz eine höhere Gefahrenlage begründe. Aktuell (Stand: 21. Oktober 2020) seien insgesamt 255 Personen infiziert und die Landeshauptstadt Wiesbaden habe nach dem hessischen Eskalation-und Präventionskonzept die Stufe 5 (dunkelrot) erreicht mit einer 7-Tages-Inzidenz von 89,7 pro 100.000 Einwohner.

 

Die grundsätzliche Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auch während des Unterrichts sei geeignet, die Geschwindigkeit des Atemstromes und des Speichel-/Schleim-/Tröpfchenauswurfs deutlich zu reduzieren. Sie diene durch die Erschwerung der durch Husten und Niesen ungehinderten Diffusion von virusbehafteten Aerosolen und infektiösen Tröpfchen und insofern vor allem dem Fremdschutz. Bei allgemeiner Verwendung von Mund-Nasen-Bedeckungen bestehe so ein wechselseitiger Schutz. Die Anordnung des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung ziele somit darauf ab, die Weiterverbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern. Dies gelte in besonderem Maße im Präsenzunterricht in Schulen, in dem sich die Schülerinnen und Schüler räumlich beengt, häufig ohne die Möglichkeit des einzuhaltenden gebotenen Mindestabstandes von 1,5 m in geschlossenen Räumen aufhielten, in denen sich nicht zuletzt infektiöse Aerosole anreichern könnten. …

Der Antragsteller hat am heutigen Tage Beschwerde gegen diesen Beschluss (7 L 1167/20.WI) erhoben, über die nun der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel zu entscheiden hat."

 

Die Beschwerde des Schülers gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden wurde nunmehr zurückgewiesen. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 27. Oktober 2020, 8 B 2597/20, entschieden, dass die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Schulunterricht in Wiesbaden nicht außer Vollzug gesetzt wird.

 

 

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