LG München I: Zur Anfechtbarkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses über die Aufhebung einer Sonderprüfung

von Ulrike Wollenweber, veröffentlicht am 15.02.2021

Das LG München I hat mit Urteil vom 19. November 2020 (5 HKO 14532/19) entschieden, dass ein Hauptversammlungsbeschluss über die Aufhebung einer Sonderprüfung, die auch Verstöße der amtierenden Aufsichtsratsmitglieder zum Gegenstand hat, anfechtbar ist, wenn der Aufsichtsrat einen Beschlussvorschlag zu dem auf § 122 Abs. 2 AktG gestützten Antrag unterbreitet hat.

Aufgrund eines Ergänzungsantrags von Aktionären nach § 122 Abs. 2 AktG war ein Beschlussgegenstand auf die Tagesordnung der Hauptversammlung gesetzt worden, nach dem eine früher beschlossene Sonderprüfung wieder aufgehoben werden sollte. Der Aufsichtsrat hatte einen Beschlussvorschlag unterbreitet und der Beschluss wurde mit der Mehrheit der Stimmen gefasst. Anschließend wurde der Beschluss angefochten.

Die Kammer erklärt den Beschluss aufgrund eines Verstoßes gegen § 124 Abs. 3 AktG analog für nichtig. Grundsätzlich haben zwar Vortsand und Aufsichtsrat nach § 124 Abs. 3 S. 1 AktG zu jedem Tagesordnungspunkt Beschlussvorschläge zu machen. Bei der Beschlussfassung über die Wahl von Prüfern, die nach überwiegender Meinung auch Sonderprüfer umfasst, ist aber nur der Aufsichtsrat vorschlagspflichtig und -berechtigt. 

Im Fall eines Interessenkonflikts, wenn wie hier die Sonderprüfung auch Verstöße der Aufsichtsratsmitglieder zum Gegenstand hat, ist umstritten, ob das Vorschlagsrecht des Aufsichtsrats entfallen soll. In der Literatur wird vertreten, dass das Vorschlagsrecht ebenso wie bei Entlastungsbeschlüssen nicht entfallen dürfe, die betroffenen Mitglieder aber einem Stimmrechtsverbot aus § 136 Abs. 1 AktG unterlägen.

Nach Ansicht der Kammer widerspricht diese Sichtweise dem Normzweck des § 124 Abs. 3 S. 1 AktG. Der Grundgedanke, nach dem der Vorstand die Entscheidung, die die Prüfung seiner eigenen Tätigkeit betreffen könne, nicht beeinflussen dürfe, müsse auch für die Durchführung einer Sonderprüfung gelten, die sich auch auf die Tätigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern beziehe. Demnach durfte der Aufsichtsrat hier keinen Beschlussvorschlag unterbreiten.

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