Grüne Vertragsklauseln in der Geschäftsraummiete

von Gastbeitrag, veröffentlicht am 05.04.2023
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Silvio Sittner

Das Handbuch Geschäftsraummiete geht - wie derzeit kaum ein anderes - mit wissenschaftlichem Anspruch auf sämtliche Bedürfnisse der Praxis ein. Der Geschäftsraummietvertrag ist das zentrale Regelungsinstrument für die gewerbliche Gebrauchsüberlassung von Grundstücken und Gebäuden jeder Art; demgegenüber haben sich Pachtverträge oder Leasingverträge nur in Spezialbereichen durchgesetzt. Das Werk befasst sich insbesondere mit der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Entscheidungspraxis, die angesichts kärglicher gesetzlicher Regelungen in eine große Anzahl von vertraglichen Einzelregelungen eingreift. Darüber hinaus enthält das Werk zahlreiche Hinweise für die praktische Handhabung mietrechtlicher Probleme.

Sachstand
Nachhaltigkeit spielt in der Immobilienwirtschaft eine immer größere Rolle. Die durch den Gebäudesektor begründeten Emissionen konnten in den vergangenen 30 Jahren bereits deutlich reduziert werden. Der Gebäudesektor ist jedoch weiterhin für einen erheblichen Teil der Gesamtemissionen verantwortlich. Die bisherigen Erfolge der Immobilienwirtschaft zur Reduktion der Emissionen beruhen maßgeblich auf Bestrebungen hinsichtlich der Nachhaltigkeit des Bauens und der Bausubstanz selbst (»Green Building«). Um jedoch das volle Einsparpotenzial zu nutzen und das Ziel einer Klimaneutralität auch in dem Gebäudesektor zu erreichen, werden sich die Bemühungen zukünftig stärker auch auf die nachhaltige Nutzung und Bewirtschaftung von Immobilien konzentrieren.

Aktuelle dynamische Entwicklung
Vor diesem Hintergrund gewinnen in den letzten Jahren grüne Vertragsklauseln in der Geschäftsraummiete (auch »Green Lease«-Regelungen) immer stärker an Bedeutung. Solche Regelungen sind nicht neu. Bemühungen, diese in Mietverträge zu integrieren, gibt es schon seit über 10 Jahren. Dennoch konnten sich solche Regelungen bis vor ca. zwei Jahren auf dem deutschen Markt noch nicht durchsetzen. Wohl auch vor dem Hintergrund des immer stärker verbreiteten ESG-Managementgrundsatzes und der Anpassungen gesetzlicher Regelungen sind Green Leases innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit – mit stark unterschiedlicher Ausprägung – fast zu einem obligatorischen Inhalt von Geschäftsraummietverträgen geworden. Die Nachhaltigkeit einer Immobilie und deren Bewirtschaftung kann zwischenzeitlich einen nicht unerheblichen Einfluss auf deren Fungibilität, deren Finanzierbarkeit und damit letztlich auch deren Wert haben. Die Entwicklung von Green Leases ist gegenwärtig sehr dynamisch.

Begriffsbestimmung von Green Leases
Jede Immobilie und die jeweiligen Umstände ihrer Nutzung sind anders. Den »Green Lease« kann es daher nicht geben. Aber selbst ein zumindest allgemeines Verständnis, erst recht eine gesetzliche Definition, was einen Mietvertrag letztlich zum Green Lease macht, fehlt noch. Teilweise wird Nachhaltigkeit am sogenannten »Drei-Säulen-Modell« gemessen, wonach Nachhaltigkeit letztlich durch das Zusammenspiel umweltbezogener, wirtschaftlicher und sozialer Aspekte bewirkt wird. Die Bandbreite von in der Praxis aufzufindenden nachhaltigen Regelungen ist groß. Sie beginnt bei der Definition zunächst allgemeiner Ziele/Wünsche der Mietvertragsparteien, geht über die Beauftragung nachhaltiger Bewirtschaftungsleistungen (wie nachhaltige Versorgungsmedien, Reinigung und deren Kostentragung), den Austausch von Verbrauchsdaten bis hin zu Anforderungen an Ausbauten/Modernisierungen/Zertifizierungen. Green Leases unterscheiden sich auch durch ihre jeweilige Bindungswirkung. Die bislang auf den Markt drängenden Green Lease-Regelungen waren oftmals als mehr oder weniger unverbindliche Klauseln anzutreffen. Mit deren steigender Verbreitung und den zunehmenden Erfahrungen mit diesen neuen Klauseltypen nimmt aber auch der Anteil der verbindlichen Klauseln immer stärker zu.

Anforderungen und Hürden
Bei der Einführung von Green Leases gibt es einige Anforderungen und noch bestehende Hürden zu beachten. Beispielsweise
sind Mietverträge und damit auch etwaige darin enthaltene Green Lease-Regelungen in der Praxis häufig von einer Partei (meist dem Vermieter) gestellte vorformulierte Vertragsbedingungen. Der Verwender solcher Klauseln hat daher die Anforderungen an Allgemeine Geschäftsbedingungen zu beachten. Weitere Anforderungen können sich beispielsweise aus gesetzlichen Normen (wie auch der Offenlegungsverordnung/EU-Taxonomie oder dem Datenschutz etc.) aber auch aus etwaigen Anlagebedingungen eines Fonds oder der Finanzierung ergeben. Gegenwärtig ist der Umfang zu Green Leases veröffentlichter Rechtsprechung und Literatur noch vergleichsweise gering. Die Zahl wird jedoch mit deren zu erwartender Etablierung als Marktstandard stetig steigen und etwaige sich daraus noch ergebende Unsicherheiten abnehmen.

Umsetzung für die Zukunft
Die Immobilienwirtschaft wird diese Anforderungen jedoch meistern. Green Lease-Regelungen sind daher auf dem Weg zu Standardklauseln in Mietverträgen zu werden.

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Silvio Sittner
Autor, Rechtsanwalt und Notar
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