Einmal im Kreis gedreht - aber mit Ertragsteuerfolgen! Wechselseitige Beteiligungen im Organkreis bei FG Köln v. 15.6.2023

von StB Dr. Martin Weiss, veröffentlicht am 04.12.2023
Rechtsgebiete: Steuerrecht|2174 Aufrufe

"Wechselseitige Beteiligungen" – sie sind im Ertragsteuerrecht eher selten, während sie z.B. im Grunderwerbsteuerrecht eine gewisse Prominenz erlangt haben (BFH v. 18.9.2013 – II R 21/12, BeckRS 2014, 94249; OFD Nordrhein-Westfalen v. 7.2.2014, BeckVerw 282737). Wer ihnen allerdings im Ertragsteuerrecht begegnet (siehe etwa zur Anwendung des § 29 KStG bei Umwandlung wechselseitig beteiligter Rechtsträger BeckOK KStG/Pohl KStG § 29 Rn. 114 ff.), muss umdenken. Das gilt nicht nur für die komplexen Fälle, wie etwa die inzwischen legendäre, grafisch aufbereitete "Ringbeteiligung" im AE-AStG, BMF v. 14.5.2004, Tz. 7.2.2., an der das BMF "zu hängen scheint" (AE-AStG-E v. 20.7.2023, Rz. 273). 

Sondern auch im relativ einfachen Fall des FG Köln v. 15.6.2023 (10 K 1196/17): Innerhalb einer körperschaftsteuerlichen Organschaft (§§ 14 ff. KStG) fungierte die Organgesellschaft als Käuferin von Anteilen, die Gesellschafter der klagenden Organträgerin veräußern wollten. Die Idee war, dass die Organgesellschaft die Anteile später an neu eintretende Gesellschafter der Klägerin wieder veräußern würde. Bis es soweit war, entstand allerdings eine (eher geringe, 0,713% bzw. 3,5 % in den Streitjahren 2014 und 2015) wechselseitige Beteiligung zwischen der Organgesellschaft und der Organträgerin. Die Organträgerin selbst war an der Organgesellschaft zu 100 % beteiligt, so dass die finanzielle Eingliederung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG unproblematisch gegeben war. Insgesamt gefährdet eine wechselseitige Beteiligung („Rückbeteiligung“) die körperschaftsteuerliche Organschaft nicht (Dötsch/Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock (D/P/M), Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Tz. 262, Stand: 01.06.2023).

Allerdings wird die Besteuerung von Ausschüttungen der Organträgerin dann problematisch, wenn die Schwellenwerte für die Rückbeteiligung von 10 % bzw. 15 % des § 8b Abs. 4 KStG sowie § 9 Nr. 2a GewStG zu den relevanten Stichtagen unterschritten sind. Die Ausschüttung ist bei der Organgesellschaft in jedem Fall ohne Anwendung des § 8b Abs. 1 KStG anzusetzen („Bruttomethode“ des § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG). Allerdings kommt es beim Organträger dann auch zu keiner „Nachholung“ der Anwendung des § 8b Abs. 1 KStG gemäß § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG. Vielmehr wird körperschaftsteuerlich mangels ausreichender Beteiligung der Organgesellschaft zu Beginn des Kalenderjahres keine Freistellung gewährt (§ 8b Abs. 4 Satz 1 KStG; § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG).

Auch bei der gewerbesteuerlichen Organschaft (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG) gibt es mit § 9 Nr. 2a GewStG eine solche Bedingung, die hier zu Beginn des Erhebungszeitraums zu erfüllen gewesen wäre und eine Beteiligung von 15 % erfordert hätte. § 7a GewStG als Sonderregelung für den Gewerbeertrag der Organgesellschaft bei Beteiligungserträgen aus Kapitalgesellschaften war hingegen zeitlich in den Streitjahren noch nicht einschlägig (BeckOK GewStG/Weiss GewStG § 7a Rn. 69). Während die gewerbesteuerliche Organschaft tatbestandlich an die körperschaftsteuerliche anknüpft, ist sie rechtsfolgenseitig einerseits von der „Betriebsstättenfiktion“ des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG, andererseits aber auch von der eigenständigen Ermittlung des Gewerbeertrags der Organgesellschaft geprägt: Es liegen trotz Organschaft weiterhin selbständige Gewerbebetriebe vor (GewStR 2.3 Abs. 1; BFH v. 18.5.2011 – X R 4/10, BStBl. II 2011, 887 Rn. 38). Der Gewerbeertrag der Organgesellschaft ist getrennt zu ermitteln und dem Organträger zur Berechnung seines Gewerbesteuermessbetrags zuzurechnen (GewStH 2.3 Abs. 1, „Ermittlung des Gewerbeertrags von Organträger und Organgesellschaft“; „gebrochene oder eingeschränkte Einheitstheorie“, die vom BFH in ständiger Rechtsprechung vertreten wird, BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052 Rn. 8). In diesem Kontext war auf Ebene der Organgesellschaft – wie gesagt vor zeitlicher Anwendbarkeit des § 7a GewStG – § 8 Nr. 5 iVm § 9 Nr. 2a GewStG anzuwenden.

In dieser Regelungslage hat das FG Köln die vollständige Erfassung der Ausschüttung von Dividenden der Organträgerin im Organkreis bejaht. Die Beteiligungsschwellen der beiden Regelungen im KStG und GewStG wurden nicht erreicht – dass dies im Kontext einer Organschaft geschah, hat das FG nicht zu einer abweichenden Beurteilung gebracht. In der Tat wäre das Resultat bei einer Beteiligung der Organgesellschaft an einer weiteren Gesellschaft außerhalb des Organkreises mit derselben Beteiligungsquote genau so ausgefallen! Die Doppelbesteuerung mit Körperschaft- und Gewerbesteuer hat der Gesetzgeber mit den genannten Regelungen bei „Streubesitz“ gerade hingenommen. Verfassungsrechtliche Zweifel daran hat der BFH nicht (BFH v. 18.12.2019 I R 29/17, BStBl. II 2020, 690; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG v. 8.3.2022  2 BvR 1832/20).

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