Wie lange gilt der Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG? - FG Köln v. 14.11.2023 – 5 K 1843/16

von StB Dr. Martin Weiss, veröffentlicht am 16.01.2024
Rechtsgebiete: Steuerrecht|2463 Aufrufe

Anträge im Steuerrecht – sowohl verfahrensrechtlich als auch materiell-rechtlich gibt es zahlreiche Probleme! Wer umsatzsteuerlicher Kleinunternehmer im Sinne des § 19 UStG ist, kann dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung erklären, dass er auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG verzichtet (§ 19 Abs. 2 Satz 1 UStG). Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung bindet diese Erklärung den Unternehmer allerdings mindestens für fünf Kalenderjahre (§ 19 Abs. 2 Satz 2 UStG). Auch ein möglicher Widerruf ist gesetzlich in den Sätzen 3 und 4 des § 19 Abs. 2 UStG geregelt.

Diese Art von Problemen bei Anträgen stellt sich auch im Ertragsteuerrecht – man denke an die Diskussionen rund um „Wann habe ich eigentlich einen Antrag unter dem Umwandlungssteuergesetz gestellt?“ (BFH v. 20.8.2015 – IV R 34/12, BeckRS 2015, 95930 Rn. 25; BFH v. 28.5.2008 – I R 98/06, BeckRS 2008, 24003399; zuletzt FG Niedersachsen v. 22.12.2022 – 7 K 105/18, BeckRS 2022, 46453). Bei der Abgeltungsteuer gibt es das Problem auch – neben den „Pflichtveranlagungen zum progressiven Steuersatz“ (§ 32d Abs. 2 Nr. 1, 2, 4 EStG) gibt es dort mit § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG auch eine antragsgebundene Veranlagung zum progressiven Steuersatz für Ausschüttungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG.

Dafür fordert das Gesetz entweder mindestens 25 % Beteiligung des Steuerpflichtigen an der Kapitalgesellschaft oder mindestens 1 % Beteiligung, gepaart mit einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit für die Kapitalgesellschaft (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG). Nach Auffassung der Finanzverwaltung wird der Zeitbezug „im Veranlagungszeitraum“, den § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG aufstellt, durch eine Beteiligung „zu irgendeinem Zeitpunkt in dem Veranlagungszeitraum, für den der Antrag erstmals gestellt wird“, erfüllt (BMF v. 19.5.2022, BeckVerw 571180, Rz. 139 Satz 1). Gleichzeitig wird in Rz. 139 Satz 2 darauf hingewiesen, dass, wenn „die Beteiligungsquote in einem auf die erstmalige Antragstellung folgenden Jahr nicht mehr erreicht“ wird, „die vorher ausgeübte Option keine Wirkung mehr“ entfalte. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG beinhalte „lediglich eine Nachweiserleichterung und ersetzt nicht die Tatbestandsvoraussetzungen“.

Ob diese Aussage mit der gesetzlichen Formulierung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG übereinstimmt, ist umstritten. Danach ist der Antrag „spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu stellen und gilt, solange er nicht widerrufen wird, auch für die folgenden vier Veranlagungszeiträume, ohne dass die Antragsvoraussetzungen erneut zu belegen sind“. Vor dem FG Köln (Urteil v. 14.11.2023 – 5 K 1843/16, BeckRS 2023, 38712) war diese Frage jetzt streitig: Der Steuerpflichtige hatte im Veranlagungszeitraum 2010 einen Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG zulässigerweise gestellt, die qualifizierende Beteiligung dann aber in diesem Jahr noch veräußert. Es verblieb ein Schuldenüberhang aus der Finanzierung der Beteiligung, der – unter den Restriktionen des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG iVm § 3c Abs. 2 EStG – in den Folgejahren weiter als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden sollte: § 2 Abs. 2 Satz 2 EStG mit seinem Verbot des Abzugs von tatsächlichen Werbungskosten gilt ausdrücklich nur „vorbehaltlich der Regelung in § 32d Absatz 2“ EStG. Die Restriktionen des § 20 Abs. 6 EStG zum vertikalen Ausgleich mit anderen Einkünften waren bei dem entstehenden Verlust bei § 20 EStG zudem unbeachtlich (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG). Tatsächliche Kapitalerträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG wiederum fordert die Finanzverwaltung für einen solchen Abzug gerade nicht (BMF v. 19.5.2022, BeckVerw 571180, Rz. 143).

Allerdings wollte das FA den Antrag in den Jahren 2011 ff. nicht mehr beachten, da die Antragsvoraussetzungen in Form einer qualifizierten Beteiligung nicht mehr vorlagen. Nachdem bereits ein anderer Senat des FG Köln (Urteil v. 15.12.2020 – 11 K 1048/17, DStRE 2022, 96; Rev. eingelegt, Az. BFH: VIII R 2/21) geurteilt hatte, dass § 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 4 EStG das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nach der Option zur tariflichen Besteuerung für die vier auf das Erstjahr folgenden Veranlagungszeiträume fingiere, hat sich der 5. Senat des FG dem nun angeschlossen (so auch Schmidt/Levedag EStG § 32d Rn. 19). Völlig eindeutig ist der Wortlaut des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG in der Tat nicht – er kann aber problemlos in diese Richtung verstanden werden.

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