Ein Betrieb - oder doch lieber zwei? Ein ertragsteuerlicher "evergreen" bei FG Düsseldorf v. 8.12.2021 - 15 K 1186/21

von StB Dr. Martin Weiss, veröffentlicht am 22.01.2024
Rechtsgebiete: Steuerrecht|2361 Aufrufe

Ein einziger Betrieb für Zwecke des Ertragsteuerrechts – oder doch zwei? Ganz nebenbei gibt es noch die Möglichkeiten eines „Teilbetrieb“ und eines rechtlich unselbständigen Betriebsteils eines einheitlichen Gewerbebetriebs (BFH v. 13.6.2022 – X B 148/21, BeckRS 2022, 21759 Rn. 13):

  • Die Annahme jeweils selbständiger Gewerbebetriebe bei mehreren gewerblichen Tätigkeiten eines Steuerpflichtigen erfordert nach ständiger Rechtsprechung des BFH „deren vollkommene Eigenständigkeit. Eine Verbindung darf im Wesentlichen nur in der Person des Steuerpflichtigen bestehen; dieser muss die Betriebe nebeneinander am Wirtschaftsleben teilnehmen lassen“ (BFH v. 15.09.2010 - X R 21/08, BFH/NV 2011, 235 Rn. 22).
  • Maßstab dafür, ob es sich um mehrere rechtlich selbständige Tätigkeiten oder um einen einheitlichen Betrieb (mit mehreren Betriebszweigen) handelt, ist u.a. die Gleich- bzw. Ungleichartigkeit der Betätigungen (BFH v. 24.10.2012 - X R 36/10, BeckRS 2012, 96576 Rn 17).
  • Der steuerrechtliche Teilbetrieb („selbständiger Zweigbetrieb im Rahmen eines Gesamtunternehmens“, BFH v. 17.6.2020 – X R 15/18, BStBl. II 2021, 157 Rn. 48) ist hingegen „ein organisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil des Gesamtbetriebs, der für sich allein funktions- bzw. lebensfähig ist“ (BFH v. 25.11.2009 - X R 23/09, BFH/NV 2010, 633). Er steht in der „Mitte“ zwischen selbständigen Gewerbebetrieben und unselbständigen Betriebszweigen (BFH v. 13.6.2022 – X B 148/21, BeckRS 2022, 21759 Rn. 16).

Die Verpflichtung zur Unterscheidung stellt sich in mehreren Kontexten (BeckOK GewStG/Weiss GewStG § 7 Rn. 489.1 ff.) – und die für Steuerpflichtige günstige Antwort ist z.B. bei der Gewerbesteuer nicht immer dieselbe. Jeder stehende Gewerbebetrieb bildet nach § 2 Abs. 1 GewStG einen Steuergegenstand der Gewerbesteuer („auf den jeweiligen Betrieb gelegte Objektsteuer“, BFH v. 17.6.2020 – X R 15/18, BStBl. II 2021, 157 Rn. 17). Unterhält ein Unternehmer gleichzeitig mehrere sachlich selbstständige Gewerbebetriebe, unterliegt jeder dieser Gewerbebetriebe für sich der Gewerbesteuer (BFH v. 24.10.2012 - X R 36/10, BeckRS 2012, 96576 Rn 14).

Wer den Freibetrag des § 8 Nr. 1 GewStG oder § 11 Abs. 1 Satz 3 GewStG gerne mehrfach hätte, braucht zwei getrennte Gewerbebetriebe (§ 2 Abs. 1 GewStG). Wer hingegen gewerbesteuerliche Fehlbeträge zwischen zwei Gewerbebetrieben ausgleichen will, braucht den einheitlichen Gewerbebetrieb. Das „subjektive Element“ spielt hier jedoch eine geringere Rolle, denn dem Willen des Unternehmers kommt nur „nachrangige Bedeutung“ zu (BFH v. 20.3.2013 – X R 38/11, BeckRS 2013, 95064 Rn. 48). Vielmehr kommt es – wie so häufig – auf das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls an (BFH v. 17.6.2020 – X R 15/18, BStBl. II 2021, 157 Rn. 18).

Bei der Einkommensteuer ergeben sich Folgewirkungen u.a. bei der Steuerermäßigung des § 35 EStG. Die Begrenzungen der Steuerermäßigung sind „für den jeweiligen Betrieb“ vorzunehmen – wie etwa die Deckelung auf die „tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer“ des § 35 Abs. 1 Satz 5 EStG (BMF v. 3.11.2016, BeckVerw 334030 Rn. 6). Insgesamt ist das System des § 35 EStG von einer „betriebsbezogenen Ermittlung“ durchzogen, so dass bei Einkünften aus mehreren Gewerbebetrieben „die jeweiligen Gewerbesteuermessbeträge für jeden Gewerbebetrieb und für jede Mitunternehmerschaft getrennt zu ermitteln, mit dem Faktor 3,8 [zwischenzeitlich: 4,0] zu vervielfältigen und auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer zu begrenzen“ sind (BMF v. 17.4.2019, BeckVerw 450000 Rn. 9).

So nun auch im Urteil des FG Düsseldorf v. 8.12.2021 (15 K 1186/21, BeckRS 2021, 64406) für Zwecke des § 7g EStG („Investitionsabzugsbetrag“): Auch insoweit ergeben sich zahlreiche Verbindungen zur Frage der Abgrenzung von ertragsteuerlichen Betrieben, insbesondere bei der „Gewinngrenze“ von 200.000 Euro des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG. Diese ist „für jeden Betrieb gesondert zu prüfen“ (BMF v. 15.6.2022, BeckVerw 571340 Rn. 15). Auch nach der Anschaffung des begünstigten Wirtschaftsguts endet die Fragestellung jedoch nicht, wird doch die Verbleibensvoraussetzung des § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG („in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebes ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt“) ebenfalls an dem konkreten ertragsteuerlichen Betrieb gemessen. Eine Überführung in einen anderen Betrieb ist zwar ertragsteuerlich neutral (§ 6 Abs. 5 Satz 1 EStG), aber für die Verbleibensvoraussetzung – jedenfalls grundsätzlich – schädlich (BMF v. 15.6.2022, BeckVerw 571340 Rn. 36, 45).

Im konkreten Fall konnte das FG Düsseldorf allerdings „kein Blatt Papier“ zwischen die beiden Tätigkeiten „Recycling“ und „Schrotthandel“ bringen. Der enge räumliche Zusammenhang und die inhaltliche Nähe der Geschäfte sprachen hier für einen einheitlichen Gewerbebetrieb. Auch die organisatorische Verbundenheit – etwa durch „einheitliches Briefpapier“ – sprach für diese Schlussfolgerung. Damit war u.a. die Höchstgrenze „je Betrieb“ von 200.000 Euro an Investitionsabzugsbeträgen (§ 7g Abs. 1 Satz 4 EStG) bindend.

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